Forchheim hat Wachstum "rasant nachgeholt"
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Freitag, 28. November 2014
Der Zuwachs an Arbeitsplätzen macht Forchheim zur "Wirtschaftslokomotive im Landkreis", schwärmt Wirtschaftsförderer Viktor Naumann. Doch in der Lokalpolitik melden sich auch Wachstumsskeptiker zu Wort.
Die Nachbarn sind mächtig, aber so dynamisch wie Forchheim sind sie nicht. Wenn es um den Zuwachs von Arbeitsplätzen geht, kann weder Nürnberg noch Erlangen, weder Fürth noch Bamberg mithalten: Seit 2007 habe Forchheim 20 Prozent sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hinzugewonnen, freut sich Viktor Naumann. Dadurch, betont der städtische Wirtschaftsförderer, "hat Forchheim die dynamischste Entwicklung in der Regnitzachse".
Die Rolle der großen Kreisstadt als "Wachstumslokomotive im Landkreis Forchheim" sei unbestreitbar. Das Wachstum begrenzen zu wollen, das hält der Wirtschaftsförderer geradezu für gefährlich. Eine Stadt wie Hof, die sich nicht weiterentwickelt habe und sich heute in einer Abwärtsspirale befinde, sollte als Warnung dienen.
Ein rötlich schimmernder Fluss
Das hebt auch der Stadtrat und SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhold Otzelberger hervor. Er ist in Forchheim aufgewachsen und kann sich erinnern, als Schuljunge an einer "stinkenden Seltsam-Fabrik" vorbeigegangen zu sein; und an einem "rötlich und bläulich schimmernden Fluss, je nachdem, was von der Weberei gerade gefärbt wurde."
Heute dagegen lebe die Stadt von "qualifizierten Arbeitsplätzen". Dazu zählt Otzelberger auch die Logistikunternehmen, die oft kritisiert würden, weil sie angeblich viele Flächen verbrauchten. "Doch das sind Kooperationsunternehmen, die zu einer pulsierenden Stadt beitragen." Man dürfe nicht vergessen, dass Forchheim "seit den 50er bis fast in die 80er Jahre seine Entwicklung verschlafen" habe, die jetzt "rasant nachgeholt" werde. "Der Knoten ist geplatzt, das müssen wir bitte positiv sehen", appelliert Otzelberger.
Ein Appell, dem Grüne und Freie Wähler skeptisch begegnen. So wies Manfred Hümmer (FW-Fraktionssprecher) jüngst in der Debatte um das "Öko-Konto" der Stadt darauf hin: "Wir haben kein grenzenloses Wachstum, auch wenn das noch durch manche Köpfe spukt." Hümmer fordert, "umweltpolitische Zeichen" zu setzen und eine Politik zu machen, die sich an der "Konsolidierung des Vorhandenen" orientiert. Ähnlich äußert sich Annette Prechtel, die FGL-Fraktionssprecherin. Die Grünen befürchten, dass Forchheim in seiner "Sandwich-Lage" zwischen Bamberg und dem Großraum Nürnberg "mit einem reinen Wachstum in die Fläche ohne Rücksicht auf Natur, Landschaft und Stadtbild langfristig nicht erfolgreich sein" könne. Auf der FGL-Website wird ein Forchheim kritisiert, das "gesichtslose Lager- und Gewerbehallen mit überbreiten Zufahrtsstraßen, Tankstellen und Schnellimbissen" zeigt; was fehle, sei eine "kluge Wirtschaftspolitik, die auch die weichen Standortvorteile nutzt".
Wenn die CSU darauf hinweist - und deren Fraktionssprecher Udo Schönfelder lässt keine Gelegenheit aus, dies zu tun - dass Forchheim dem demografischen Wandel mit großzügiger Ausweisung von Bauland begegnen müsse und dass die Einwohnerzahl auf 35.000 anwachsen sollte (aktuell 31.313), dann werden die unterschiedlichen Vorstellungen von Wachstum deutlich: "35.000 ist kein Maßstab", hält Annette Prechtel dagegen. Und auch Reinhold Otzelberger relativiert die von Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) ins Gespräch gebrachte Vision von den 35.000 Einwohnern. "Solche Zahlen sind plakativ. Zuwanderung ist sinnvoll, aber wir können uns einen mäßigen Zuwachs vorstellen", sagt Otzelberger.
Mäßigung ist angesagt
Mäßigung wäre auch bei der Gewerbeansiedlung angesagt, meint FGL-Rätin Prechtel. Sie spielt auf die Logistiker an. Die beiden großen, Hegele und Geiß belegen 68.000 Quadratmeter. Der Flächenverbrauch im Verhältnis zu den Arbeitsplätzen müsse mehr beachtet werden, fordert Prechtel. und nennt Hannover als Beispiel: "Dort sagen sie: Keine Logistiker mehr."
Damit ist aber auch in Forchheim Schluss. Als kürzlich ein Logistiker bei der Wirtschaftsförderung anklopfte und nach 150.000 Quadratmetern fragte, bekam er eine Absage. "So was können wir nicht bedienen", betont Viktor Naumann. Die Stadt sei längst zu einem "anderen Wachstum" (Stichwort "Medical Valley") übergegangen.
Wenn demnächst ein Gewerbegebiet im Stadt-Norden eröffnet, werden dort Handwerker und kleine Fachfirmen zum Zuge kommen. Anfragen von 45 Unternehmen liegen vor, etwa die Hälfte aus Forchheim; keiner wird mehr als 3000 Quadratmeter belegen.
Die "kluge Wirtschaftspolitik" von OB Stumpf werde "total unterschätzt", meint der Forchheimer Wirtschaftsförderer. Es gebe "Gradmesser" für den Erfolg. Die Zahl der Einpendler sei einer. Schon jetzt habe die Stadt rund 1600 Einpendler, sagt Naumann. "Einpendler sind potenzielle Einwohner. Zwischen zehn und zwanzig Prozent von ihnen werden langfristig Einwohner." Daher glaubt Naumann nicht nur an die Vision von den 35.000, sondern auch an die von den 18.000. So viele Arbeitsplätze peilt Franz Stumpf bis 2020 an. Also noch einmal über 3000 mehr, als es schon gibt.
Prognose
Das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung hat 2009 eine Prognose abgegeben: Die Zahl der Einwohner in Forchheim werde im Jahr 2014 bei 30.450 liegen. Tatsächlich liegt sie aber bei 31.313 Einwohnern.
Dass die Prognose der Statistiker übertroffen wurde, ist für Wirtschaftsförderer Viktor Naumann ein Zeichen: "Forchheim wird als attraktiver Wohnort wahrgenommen."
Arbeitsplätze
1995 gab es rund 10.000 Arbeitsplätze in Forchheim. Im Jahr 2007 waren es 12.301. Seitdem verlief die Kurve laut Bundesagentur für Arbeit so: 2011: 13.410, im Folgejahr schon über 14.018 und heuer 14.755 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte.
Nachfrage
Wollte die Stadt Forchheim sämtliche Firmen bedienen, die sich ansiedeln wollen, bräuchte sie eine Fläche von 700.000 Quadratmetern. Das entspricht etwa dem Fünffachen des Gewerbegebietes Pfaffensee im Stadt-Süden.