Forchheim: Eine Stadt in Aufbruchstimmung
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Dienstag, 05. Mai 2015
Der Fotograf Gerhard Hagen zeigt seine Stadt als Gebilde, das nicht von der Fachwerk-Romantik, sondern von der Innovation geprägt ist. Kulturbeauftragter Dieter George freut sich, dass endlich das "neue Forchheim" sichtbar wird.
Wer eine Vorliebe für Fachwerk- und Kellerwald-Ansichten pflegt, wird sich verwundert die Augen reiben. Bei Gerhard Hagen findet sich davon keine Spur. Der 1968 in Forchheim geborene Fotograf verblüfft mit Aufnahmen, die seine Stadt in geradlinigen Gebäuden und weiten Räumen vorführen. Anblicke wie die Königsbad-Architektur scheinen einer fremden Stadtlandschaft entliehen zu sein.
"Ein Buch, das zum tausendsten Mal die Kaiserpfalz oder das Rathaus zeigt, das wollte ich nicht", sagt der Fotodesigner und Architekturfotograf. Stattdessen "eine modernes Stück Heimatgeschichte".
"Übergänge" beeindruckten
Gerhard Hagen war schon einmal in Forchheim zu sehen. Im März 2013 mit seiner Ausstellung "Übergänge". Sie zeigte Grenzen und Grenzorte Europas. Seine Fotos hatten Dieter George, den Kulturbeauftragten und Vorsitzenden des Heimatvereins, so fasziniert, dass er den Fotografen animierte, sich auf Forchheim-Motive zu stürzen. "Wenn es ein Desiderat gab", sagt George, "dann war es ein Buch über die Geschichte nach 1945, über das neue Forchheim und seine Aufbruchsstimmung".
Diese Lücke ist jetzt geschlossen. Das Ergebnis ist in den Rathaushallen zu bewundern. Und wird dank des Heimatvereins in dem Buch "Mehr als nur Fachwerk" veröffentlicht. "Es sollte kein reines Architekten-Buch werden", sagt Hagen. Vielmehr wird hier die Geschichte des neuen Forchheim in Bildern und Texten erzählt: Die Neuansiedlung der Flüchtlinge ist ein Thema. Oder die Entwicklung des Handwerks, der Wirtschaft und der Infrastruktur. Oder wie sich eine neue Sport- und Freizeit-Kultur herausbildete. "Forchheimer werden sich in den Anekdoten wiederfinden, während das Buch für Neubürger ein Einstieg sein könnte", meint Gerhard Hagen.
Überraschend sind nicht nur die Blickwinkel des Architekturfotografen; sondern auch jene der Bürger, die in dem Band zu Wort kommen. Es sind Menschen, die etwas zu erzählen haben, weil sie schon lange an einem Ort wirken. Wie etwa Peter Lenkl, der Hausmeister der Adalbert-Stifter Schule: "Früher war um 13 Uhr Schluss. Danach war fast nichts mehr los mit wenigen Ausnahmen. Heute sind eigentlich dauernd Schüler im Haus."
Individuelle Ansprachen
Der Journalist Georg Körfgen entlockt seinen Interviewpartnern oft beiläufige Bemerkungen, die genauso wie die große Architektur zeigen können, was Modernisierung bedeutet. So plaudert der Busunternehmer Dieter Kraus von seinen Erlebnissen auf der Schulbus-Linie: "Früher war der Busfahrer noch eine Respektsperson und man hat beim Einsteigen "Guten Morgen" gesagt. Heute steigen alle wortlos mit ihren Knöpfen im Ohr ein. Schade. Aber das Busfahren, das brauche ich."
Dieter George liefert die essayistischen Grundlagen-Texte dieser Forchheimer Bilder-Geschichte nach 1945. Die Interviews dagegen seien so etwas wie "individuelle Ansprachen", sagt Gerhard Hagen. Ihm sei es wichtig gewesen, für die Interviews Menschen zu finden, "die nah am Leben dran sind". Hagen porträtiert sie markant, ernsthaft, in schwarz-weißem Licht. Seine Absicht: " Aus den Gesichtern sollen die Geschichten sprechen." Auf Hagens Architektur-Fotos kommen Menschen dagegen kaum vor. Manche Motive, wie der Konferenzraum der Schokoladenfabrik Piasten, dürfte auch jenen, die Forchheim gut kennen, einen völlig neuen Anblick eröffnen. Andere Räume wiederum scheinen alltäglich und durch häufiges Hinsehen abgenutzt. Etwa der Busbahnhof. Ihn hat Gerhard Hagen durch eine Langzeit- und Mehrfachbelichtung in einen bewegten und so noch nie gesehenen Ort verwandelt.