Flüchtling Mohamad trägt in Ebermannstadt die Zeitung aus
Autor: Josef Hofbauer
Ebermannstadt, Freitag, 12. Februar 2016
In Ebermannstadt liefert der syrische Flüchtling täglich über hundert Ausgaben - pünktlich und sehr zuverlässig. Und er lernt dabei Deutsch.
"Willkommen", begrüßt Mohamad Alkatawi (30), der seit August mit seiner Familie in Ebermannstadt lebt, seine Mentorin Brigitte H. Der 58-Jährigen, die sich im Flüchtlingsnetzwerk Ebermannstadt engagiert, hat es der dreifache Familienvater zu verdanken, dass er sich ein Zubrot verdienen kann.
Seit 2. Januar trägt Mohamad in Ebermannstadt zwischen dem Oberen Tor und dem Scheunenviertel, zwischen der Bahnhofstraße und dem Breitenbach Zeitungen aus. Sein Wecker klingelt kurz vor 4 Uhr. Eine halbe Stunde später werden die über hundert Zeitungen bei der Kronen-Apotheke am Marktplatz angeliefert. Mohamad packt sie in einen Handkarren, wie Briefträger ihn haben und zieht los.
Rund anderthalb Stunden dauert seine Stadtrunde. "Am Wochenende etwas länger, denn da haben einige nur die Samstagsausgabe ihrer Heimatzeitung abonniert", erklärt Mohamad.
Zeitungsbote in Damaskus
Zeitungen hat er bereits in Damaskus ausgetragen. Einer von vielen Jobs, mit denen der 30-Jährige seine Familie ernährt hat. Das hatte er der Frau vom Flüchtlingsnetz Ebermannstadt erzählt.Als sie erfuhr, dass die für die Altstadt zuständige Zeitungszustellerin ans Aufhören dachte, setzte sich die Flüchtlingsbetreuerin mit dem Zustellservice des Fränkischen Tages in Verbindung und präsentierte Mohamad als möglichen Nachfolger. Eine Woche lang hat er die Zeitungsfrau begleitet, dann zog er alleine los. Christian Martin, Regionalleiter des Zustell-Service, ist voll des Lobes. "Er hat seine Sache bisher sehr ordentlich und zuverlässig erledigt." Es habe so gut wie keine Beschwerden gegeben.
Das liegt auch daran, weil Mohamad, der seit November als Flüchtling offiziell anerkannt ist, freiwillig an ehrenamtlichen Sprachkursen teilgenommen und fleißig Deutsch gelernt hat.
Mit Gesten verständigt
Als er mit seiner Frau Motlak Hind und seinen beiden Söhnen Ahmed (8) und Zaineddin (7) aus seiner Heimat flüchtete, sprach er nur arabisch. Und ein paar Brocken englisch. Mohamad erzählt von einer langen, abenteuerlichen Flucht. 40 Personen seien auf einem Motorboot zusammengepfercht gewesen. Tausend Euro verlangten die Schleuser pro Kopf. Mitten auf dem Meer habe es Probleme gegeben, erinnert sich der Syrer. "Fertig Benzin", schildert Mohamad und macht mit den Händen Ruderbewegungen.
Auch auf der weiteren Odyssee über Griechenland, Serbien und Ungarn lief nicht alles glatt. In Budapest wurde seine Familie mit anderen Flüchtlingen von Schleusern in einen Kastenwagen gezwängt. Das war im Juli. Es war schrecklich heiß und es gab kein Fenster. "Keine Lampe", schildert Mohamad. Auf der fünfstündigen Fahrt zog er sein Hemd aus, fächelte seinen Kindern und seiner Frau Luft zu, die im vierten Monat schwanger war.
Fünfköpfige Familie
Nach einem Zwischenaufenthalt im Auffanglager Zirndorf kam die Familie im August nach Ebermannstadt. Hier kümmerte sich Brigitte H. vom ersten Tag an um die inzwischen fünfköpfige Familie. Die Kommunikation verlief auf der Ebene der Zeichensprache. "Aber jetzt können wir uns schon ganz gut unterhalten", lacht die Betreuerin. Sie war dabei, als die Buben eingeschult wurden, begleitete die Frau zu Arztbesuchen und erlebte mit, wie am 27. Dezember das jüngste Familienmitglied, die kleine Massa, zur Welt kam. Mehrmals pro Woche besucht sie Familie Alkatawi, spielt oder lernt mit den Kindern, schaut, ob alles in Ordnung ist.
Vieles verbessert
Mit der Anerkennung als Flüchtlinge sei bereits viel gewonnen, denn dies gebe der Familie Sicherheit, sie kann aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen und ein Konto eröffnen. Jedes Familienmitglied hat einen vorläufigen Pass und genießt Reisefreiheit. Daran denkt Mohamad aber nicht. Er will seßhaft werden. Deshalb freut er sich schon darauf, wenn in zwei Wochen der verpflichtende Integrationskurs beginnt. Er will arbeiten, und das geht nur, wenn er sich verständigen kann.
Von dem Geld, das er durch das Austragen der Zeitungen verdient, will er sich einen Laptop kaufen. Via Internet kann er noch besser üben, und er bleibt mit der Verwandtschaft in seiner Heimat in Kontakt. Inzwischen paukt Mohamad die Vokabeln mit seinem Handy. Das geht sogar, während er Zeitungen austrägt.