Druckartikel: Fest der Buchstaben und Bilder

Fest der Buchstaben und Bilder


Autor: Pauline Lindner

Forchheim, Dienstag, 13. Oktober 2015

Es ist gute Tradition, dass die Brüder Häfner zur Frankfurter Buchmesse ein besonderes Buch veröffentlichen. Den Textdazu lieferte Ingo Cesaro.
Ingo Cesaros Gedicht in dem neuen Buch der Gebrüder HäfnerFoto: Pauline Lindner


Auch heuer ist das Buch der Nürnberger Brüder Johannes und Guido Häfner zur Frankfurter Buchmesse ein haptisches Erlebnis. Streicht man über die Seite mit der deutschen Fassung des Gedichtes von Ingo Cesaro, spürt man Linien, Rillen und kleine Formen.
Klappt man um und öffnet die Doppelseite, erkennt man es: Es sind Lettern, die tief in grünblauem Wasser eingesunken sind. Ja, die fast schon auf die Rückseite verschwunden sind. Schließlich heißt der dieses Mal verwendete Text aus Cesaros Engelsgedichten "Ertrunkene Buchstaben".


Kantig und maskulin

Der sehr maskulin und kantig wirkende Engel auf der linken Seite prüft gerade mit seiner Zungenspitze, ob noch Leben im Alphabet ist. Denn - so Cesaros Aussage - kein Himmelsbote möchte heutzutage "für Todesnachrichten zuständig sein".

Der Begriff kann in zwei Richtungen gedeutet werden. Mit Assoziationen wie "Worthülse", "Wortgeklingel", "Leergewaaf" - das Fränkische ist hier sehr plastisch - spielt Cesaros Phrase darauf an, dass Buchstaben, Wörter und Sätze heute vielfach nur noch Geräuschkulisse sind - und ihr Inhalt ziemlich nebensächlich.
Der kürzeste semantische Sinnträger - der Buchstabe - verliere sich in einer Welt bunter Zeichen.

Daneben steht die Übertragung der Zeilen in die Bahasa Indonesia, wie die indonesische Landessprache heißt. Indonesien ist in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Völlig fremd sind die Buchstabenkombination und keinerlei Sinn ist zu erschließen. Dennoch ist man sich gewiss, dass die Anordnung einen Inhalt hat und eine Aussage übermittelt. Der Überbringer von Todesnachrichten ist durchaus auch wörtlich zu nehmen, denn Cesaro schrieb seine Engelsgedichte unter dem fortwirkenden Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

In einem Brief schildert er dies so: "Als wir uns, also Johannes und Guido Häfner, erstmals auf der Frankfurter Buchmesse 2003 persönlich kennenlernten, war gerade das Buch ,Schatten der Engel' im Bücherhaus Bargfeld erschienen. Johannes Häfner gefielen auf Anhieb einige der Engelsgedichte, die seit dem 26. April 1986 (dem Supergau von Tschernobyl) entstanden waren."


Großformatige Bücher

So begann Johannes Häfner im Jahr 2004, sehr aufwendige und großformatige Künstlerbücher herauszubringen, von ihm sind ja die Grafiken und die Gestaltung.

Es entstanden "Wortschichten I"; "Windschatten"; "Flügellos" und das erste offizielle Frankfurter Buchmessenbuch mit dem Namen "Wortschichten". Die Idee der Reihe war geboren, jährlich zur Frankfurter Buchmesse eine Edition herauszubringen.


Wermut heißt Tschernobyl

Wieso aber schreibt ein politischer Autor Engelsgedichte? In der Johannes-Offenbarung steht unter dem siebten Siegel und den ersten sechs Posaunen, Vers 10 und 11: "Und der dritte Engel blies die Posaune: Und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und auf die Wasserquellen. Und der Name des Sterns heißt Wermut. "

"Und auf Ukrainisch heißt Wermut: Tschernobyl. Auf diesen Zusammenhang wurde ich von einem russischen Kollegen aufmerksam gemacht", sagt Cesaro.