Druckartikel: "Es kann jeden treffen"

"Es kann jeden treffen"


Autor: Carmen Schwind

Forchheim, Mittwoch, 17. Dezember 2014

Der Fachdienst für Wohnungsnot der Arbeiterwohlfahrt lud in den Eggolsheimer Weg zu einer Adventsfeier ein. Auch Oberbürgermeister Franz Stumpf war Gast.
Die Adventsfeier bot die Möglichkeit, sich bei Kaffee und Stollen in größerer Runde auszutauschen. Foto: Carmen Schwind


Schüchtern sitzen sie im Aufenthaltsraum der Wohnanlage Eggolsheimer Weg - Menschen, die auf Hilfe anderer angewiesen sind, die von Obdachlosigkeit betroffen sind und hier vom Fachdienst für Wohnungsnot der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Forchheim betreut werden. Diese Mitbürger, die wohnungslos geworden sind oder von Obdachlosigkeit konkret oder unmittelbar bedroht sind, feiern gemeinsam eine schlichte Adventsfeier, denn man will ja nicht auffallen.

Eine von ihnen ist die in Rumänien geborene Kathie, die vor 15 Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland übersiedelt ist und gar nichts anderes kennt. Ihre Kinder haben es geschafft; sie wohnen in Forchheim und Stuttgart, während sie ihren kranken Lebensgefährten hier in der Wohnanlage versorgt.

"Diese Anlage wurde erst 2011 gebaut und bezogen. Die meisten Bewohner kamen aus den Wohnungen der Herder straße", erklärt die Leiterin des Fachdienstes, Antje Kahnt.

Im Augenblick leben etwa 50 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 81 Jahren in der Anlage. Die Gründe hierfür sind Mietschulden, Randale, aber auch Scheidung.

"Das Problem ist, bezahlbare Wohnungen in Forchheim zu bekommen", erzählt Antje Kahnt. Und es wird immer schwieriger für die Menschen, wenn sie einmal hier gelandet sind, wieder weg zu kommen. Kahnt erzählt von einem Freiberufler, der von seiner Ex-Frau vor die Tür gesetzt wurde, psychische Probleme und keine neuen Aufträge mehr bekam, im Krankenhaus und im Eggolsheimer Weg landete. "Es kann wirklich jeden treffen", sagt die Leiterin, die ihre "herzensguten Kracher moch."

Siggi kam vor 20 Jahren mit seiner Mutter in die Herderstraße, wo sie sich die Miete leisten konnten. "Das war meine Heimat", sagt Siggi Förster. Und diese habe er durch den Umzug in den Eggolsheimer Weg verloren. Er ist nun 51 Jahre alt und Rentner. Er hatte als Waldarbeiter, am Bau oder in der Brauerei gearbeitet, doch sein Körper mag nach diversen Operationen und einem Herzinfarkt nicht mehr so richtig. Vor sechs Jahren hat er in der Wohnanlage Dagmar kennengelernt und geheiratet. Die beiden leben jetzt in ihrer neuen Wohnung.

Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU) besucht kurz die Adventsfeier. Er schlägt vor, bereits in der Adventszeit über Ziele für das nächste Jahr nachzudenken. "Kleine Ziele, nicht so eins wie ,ich will im nächsten Jahr Millionär werden'", sagt Stumpf. Er erzählt aus seiner Kindheit und die Freude über seine Eisenbahn; und dass niemand an Heiligabend alleine sein sollte. "Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie man mit den Schwächsten umgeht", sagt der Oberbürgermeister im Gespräch.

Schicksalsschlag, der zehrt

"Meine Ziele, das ist schwer zu sagen", sagt Bewohner Michael, denn seit dem Tod seiner Lebensgefährtin vor zwei Jahren versucht er, jeden Tag einfach nur zu überstehen. Er hat für das kommende Jahr eigentlich nur den Wunsch, gesund zu sein. In den letzten Jahren hatte er seine Lebensgefährtin gepflegt, das war sein Ziel, das war der Sinn seines Lebens. Und der ist durch den Tod der Freundin verloren gegangen. "Früher war ich weniger gleichgültig als jetzt", erzählt Michael. Jetzt fühlt er sich immer öfter als Mensch zweiter Klasse.