Ernst Moritz Arndt war der erste "Wanderer" in der Fränkischen Schweiz
Autor: Reinhard Löwisch
Muggendorf, Mittwoch, 26. Dezember 2018
Der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt, vor 250 Jahren geboren, eroberte 1798 die Fränkische Schweiz - damals "Muggendorfer Gebürg" genannt - zu Fuß.
Ernst Moritz Arndt war zu seiner Zeit ein ziemlich bekannter Professor, ein Schriftsteller und auch ein Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Vor 250 Jahren geboren, eroberte er die Fränkische Schweiz zu Fuß im Jahre 1798. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Epoche der Befreiungskriege und wird sehr unterschiedlich beurteilt: Einige betonen seine demokratischen Gedanken und sehen ihn als deutschen Patrioten, andere wiederum charakterisieren ihn als Nationalisten und thematisieren vorhandene antisemitische Tendenzen in seinen Schriften, so das Onlinelexikon Wikipedia. Seine genaue Beobachtungsgabe erlaubt es, einen tiefen Blick auf die Lebensumstände der damaligen Zeit zu werfen.
Turbulente Zeit
Aus heutiger Sicht war Ernst Moritz Arndt der erste "Wanderer" in der Region, der die Gegend, die er durchstreifte, so wie die Einheimischen erleben lernte. Als er sich im Frühjahr 1798 auf den Weg machte zu einer "Reise durch Deutschland Österreich, Ungarn und Italien bis nach Frankreich" ahnte er noch nicht, dass sich während der Tour seine Ansicht eines treuen Untertanen des schwedischen Königs - die Insel Rügen, sein Geburtsort, war damals schwedisch - hin zu einem deutschen Patrioten entwickelte. Er wetterte gegen die Kulturhoheit der Franzosen und vor allem gegen deren Feldherrn Napoleon, der Anfang des 19. Jahrhunderts weite Teile Europas besetzt hielt und in Bayern die Säkularisation, die Entmachtung der Kirche, betrieb. Arndt glitt ab in die rechte politische Ecke, schrieb Bücher für die deutschen patriotischen Soldaten und Hasspredigten gegen Franzosen und Juden.
Uni Greifswald und das Erbe
1933, auf Antrag der Nazis, wurde die Uni Greifswald nach ihm benannt. Das blieb auch zu DDR-Zeiten so. Erst 2018, zum 1. Juni, streifte die Uni den Namenspatron ab. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass sich die Anschauung Arndts nicht mit der Weltanschauung der heutigen Uni Greifswald decke. Eine Entscheidung, die Proteste hervorrief. In Greifswald kämpfte eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Namens. Sie befürchtete den Verlust der pommerschen Identität. Das war die eine Seite von Ernst Moritz Arndt.
Der Romantiker
Die andere Seite von Arndt war die eines Romantikers, Lyrikers und sachverständigen Beobachters, der in seinen Texten seinen Gefühlen freien Lauf ließ und schon damals romantisch verklärte Beschreibungen seiner Beobachtungen verfasste. Er war einer der ersten in der Region, der zum Vergnügen wanderte, weil er dabei "Menschen und Völker dieser Welt sehen und kennen lernt", wie er es einmal nannte und weil er nur wenig Geld zur Verfügung hatte. "Mein Vater reichte mir die Mittel, ich verstand mich zu behelfen und so ging es ganz leidlich", hielt er in seinem Tagebuch fest. Vielleicht spielte auch die beginnende romantische Epoche eine Rolle. Denn sie popularisierte das Wandern, obgleich die "Vorgänger" in Bezug auf die Fränkische Schweiz - Johann Michael Füssel (1787 mit der Kutsche) und die Studenten Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck (1793 zu Pferd) die Gegend erkundeten. Seine Europareise, die er in der Fränkischen Schweiz begann, verstärkte die seit der Jugend empfundene tiefe Verehrung der Natur, schreibt Jakob Lehmann im Nachwort der Faksimileausgabe "Bruchstücke einer Reise von Bayreuth bis Wien". Arndts Worte zur Sommersonnenwende, die er "auf einem hohen Stein über Wäschenfeld" (Waischenfeld) erlebte, klingen fast wir ein Gebet: "Hier auf und zwischen den Altären, die du dir erbauet hast, heilige Natur, unendliches, unbegriffenes Leben und Weben der Welt, hier sitze und kniee ich, selig durch dich, selig schon durch das Gefühl des Daseyns, wenn ich auch ewig in Nichts zerfallen sollte, wie deine zertrümmernden Felsen. Hier kniee ich, entzückt schon durch das Gefühl der Kraft und Güte, welches dein Genuß auch dem Schuldigen giebt." Lehmann sieht darin einen "Teil des Naturgefühls der Romantik", der sich bei Arndt vor allem in den Höhlenbeschreibungen zeigt. "O es ist wahr, nicht Bücher, nicht allerley Ziererey der Welt, was man Lebensart, Anstand und der Teufel weiß, wie sonst noch nennt: nicht dies macht den Menschen, sondern die lebendige Welt, worin seyn Gemüth ihn hineinzieht in die übersinnliche Welt", schreibt Arndt. Er durchwanderte eine Woche lang die Fränkische Schweiz. Seine Erlebnisse und Beobachtungen werden in einer kleinen heimatkundlichen Serie beleuchtet.
Biografie
Ernst Moritz Arndt wurde am 26. Dezember 1769 als Sohn eines früheren Leibeigenen, der sich freikaufte und zum Pächter und Gutsinspektor emporgearbeitet hat, in Schoritz auf Rügen geboren. Von 1787 bis 1794 besuchte er die Schule, ab 1796 war er Hauslehrer. 1798/99 unternahmt er, meist zu Fuß, eine Bildungsreise durch halb Europa, worüber er in den Folgejahren ausführlich berichtete. 1801 heiratete er Charlotte Quistorp, die nach der Geburt des ersten Sohnes Karl im Sommer gleichen Jahres starb. 1805, schon außerordentlicher Professor an der Uni Greifswald, duellierte er sich mit einem schwedischen Offizier und überlebte nur knapp. In den Folgejahren arbeitete er als Redakteur und Schriftsteller und schrieb Kindergedichte. 1813 schrieb Arndt ein Buch mit dem Titel, dass "der Rhein Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze sei": Darin versuchte er seine These mit zahlreichen Beispielen zu untermauern. 1817 heiratete Arndt erneut: Anna Maria Schleiermacher, eine Schwester des Theologen Friedrich Schleiermacher. Die Karlsbader Beschlüsse von 1819, zur Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen, trafen ihn hart: mit Verhaftung, Vorlesungsverbot und Beschlagnahmung seiner Papiere. Erst 1840 rehabilitierte ihn Friedrich Wilhelm IV. 1848 zog Arndt als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung ein und stimmte für ein Erbkaisertum. Er scheiterte damit und zog wieder nach Bonn, wo er bis 1854 als Professor arbeitete und danach den Ruhestand genoss. Am 29. Januar 1860 starb Arndt an den Folgen einer Lungenentzündung und wurde in Bonn, auf dem heutigen alten Friedhof, begraben.