Erleiden Kinder im Kreis Forchheim mehr Gewalt?
Autor: Petra Malbrich
LKR Forchheim, Donnerstag, 14. Mai 2020
Die Kontaktbeschränkungen führen zu mehr häuslicher Gewalt, fürchtet Monika Vieth vom Weißen Ring in Forchheim. Ein offizieller Anstieg blieb zwar aus, aber viele Opfer bleiben wohl unbemerkt.
Das Mädchen ist gerade einmal drei Jahre alt, doch seine schrecklichen Erlebnisse sind mehr als manch Erwachsener je erlebt hat. In der Familie des Mädchens herrscht Gewalt. Das Kind wird nicht versorgt, es wird geschlagen und hat nicht nur einen blauen Fleck am Körper. Das wurde dem Jugendamt Forchheim gemeldet.
"Es ist ein durchschnittlicher Fall", sagt Dieter Hümpfner, stellvertretender Jugendamtsleiter am Landratsamt Forchheim. Hinter den Hausfassaden spielt sich teils Dramatisches ab. Zwischen 30 und 40 Kinder werden im Landkreis jährlich aufgrund von Gewalt und Vernachlässigung in Obhut genommen. Bundesweit sieht es ähnlich aus. 40 Kinder erleben täglich Gewalt, sagt die Statistik des Bundeskriminalamts für das vergangene Jahr. Auffällig ist demnach, dass vor allem die Zahl des sexuellen Missbrauchs an Kindern um elf Prozent gestiegen sei, der Bereich der Kinderpornografie um erschreckende 65 Prozent.
Offizielle Meldungen gehen zurück
Durch die Ausgangsbeschränkungen der Corona-Krise wurde in Forchheim eigentlich mit einer Zunahme der Fälle gerechnet. Aber im Gegenteil. "Wir hatten einen Rückgang von Meldungen", sagt Hümpfner. Das heiße nicht, dass durch die Corona-Beschränkungen und das enge Beisammensein in den Familien wieder heile Welt ist. "Es schließt nicht aus, dass mehr Gewalt ist", sagt Hümpfner.
Denn Gefährdungsmeldungen sind sehr wohl eingegangen, nur weniger. Warum das so ist, könnte an geschlossenen Schulen und Therapiepraxen liegen. Auch psychiatrische Fachkliniken haben keine Kinder und Jugendlichen aufgenommen. Die Hinweise von diesen Fachkräften, Pädagogen und Betreuern entfielen. Anonyme Hinweise gingen ebenfalls weniger ein. Aber das Jugendamt geht davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt.
Der Weiße Ring bestätigt die Vermutung, selbst wenn während der Kontaktbeschränkungen keine Meldung bei der Hilfsorganisation einging, sagt Monika Vieth, Leiterin der Opferberatungsstelle des Weißen Rings in Forchheim. "Es ist leider so, dass sich die Opfer, egal welchen Alters, nicht melden können. Sie sind unter Kontrolle und können keine Hilfe holen", sagt Vieth.
Auch das Notruftelefon werde kaum benutzt. Der Weiße Ring fürchtet, dass häusliche Gewalt durch die Corona-Beschränkungen zunehme. Ob das wirklich so ist, wird sich eventuell erst hinterher zeigen. "Wir haben kaum Kinder, da sie nicht erzählen können, was ihnen passiert ist. Eher Jugendliche und Erwachsene, die alt genug sind, um die Geschehnisse auch benennen zu können", sagt Vieth.
Die Situation nimmt die Leiterin sehr mit. "Wir sind hilflos in unserer Bereitschaft, Hilfe zu leisten", erklärt sie. Hilfsangebote bestünden zwar, nur eben keine Kontaktmöglichkeiten.