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Erinnerung an Gruppe 47 in Waischenfeld


Autor: Reinhard Löwisch

Waischenfeld, Montag, 06. Februar 2017

Im Herbst vor 50 Jahren versammelten sich die führenden Schriftsteller der jungen Bundesrepublik in der Waischenfelder Pulvermühle.
Gruppenaufnahme vor dem Gästehaus der Pulvermühle unter anderem mit Günther Grass (im Türrahmen).  Foto: Toni Richter


Vor 50 Jahren tagten "westdeutsche Literaten", wie sie die Lokalpresse nannte, in der Pulvermühle bei Waischenfeld. Was nach einem harmlosen Kaffeekränzchen altehrwürdiger Germanisten klang, hatte Auswirkungen auf die deutsche Gegenwartsliteratur und auf die intellektuelle Geisteshaltung junger Studenten.
Der Platz für das 31. Treffen der Gruppe 47 in 20 Jahren war von Hans Werner Richter, dem Initiator der Gruppe 47, gut gewählt. Die Pulvermühle lag etwas abseits im beschaulichen Rabenecker Tal und hatte nur zwei Zugänge, wovon einer über eine hölzerne Brücke führte.


"Geschlossene Gesellschaft"

Der Wirt der Pulvermühle, Kaspar Bezold, witterte ein gutes Geschäft und einen Zuwachs an Renommee für das Gasthaus. Er war kurz entschlossen damit einverstanden, sein Gasthaus mitten in der Wandersaison für einige Tage wegen "geschlossener Gesellschaft" für die Öffentlichkeit zu sperren.
An die 100 Literaten hatte Richter eingeladen. Sie alle wohnten ringsum in zahlreichen Gasthöfen; in der Pulvermühle selbst hatten nur wenige Platz. Am Donnerstag, 5. Oktober, reisten die Gäste an, am Montag 9. Oktober war die Abreise der Schriftsteller und ihrer Begleitung vorgesehen, woran sich die meisten hielten. Am Samstagabend stand ein "Festball" im 1950 neu erbauten Saal auf dem Programm. Dies war die einzige Abwechslung im Literatenalltag. Die meiste Zeit diente dem persönlichen Kennenlernen und dem Vortrag eigener Texte, die anschließend von den Anwesenden bewertet wurden.
Jürgen Becker gewann den Vorlesewettbewerb in diesem Jahr für sein Prosastück "Ränder". Er durfte 6000 Mark Preisgeld mit nach Hause nehmen. Für das Geld gab es damals einen VW Käfer 1500 mit Automatikgetriebe. Während der Tagung wurde in einem Schaufenster des Cafés Gardill am Waischenfelder Marktplatz die bekanntesten Bücher der Gruppe 47 ausgestellt.
Viele der damals an der Tagung teilnehmenden Literaten sind mittlerweile tot. Günther Grass, Siegfried Lenz oder Marcel Reich-Ranicki zählen zu ihnen. Andere dagegen leben noch, wie Martin Walser, der in diesem März 90 Jahre alt wird. Oder Guntram Vesper, der im vergangenen Jahr für seinen Roman "Frohburg" den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen hat. Oder auch Friedrich Christian Delius, der 2011 mit dem Georg-Büchner-Preis, dem bedeutendsten Literaturpreis im deutschen Sprachraum, ausgezeichnet worden ist. Man kann also mit jedem Recht sagen, dass die Veranstaltungen der Gruppe 47, deren Treffen 1990 zum letzten Mal stattgefunden hat, eine Vielzahl guter Litertaten hervorgebracht hat. Ein anderes Beispiel wäre auch Heinrich Böll, der 1951 die Vorlesung mit "Die Schwarzen Schafe" gewann und damit die Literaturszene auf sich aufmerksam machte.


Hohn für die "Papiertiger"

"SDS" nannte sich die Gruppe Studenten, Sozialistischer Deutscher Studentenbund, die die Tagung zu stören versuchte. Es war ein Sammelbecken der sogenannten Neuen Linken, zu denen auch Rudi Dutschke gehörte. Er war so etwas wie der Wortführer der Studentenbewegung. Sie kamen aus Erlangen und demonstrierten gegen den Literaten, die sie als "Papiertiger" bezeichneten. Viele Literaten, darunter auch Günther Grass, zeigten sich empört über die "Störung" und ignorierten sie.
Gleichwohl war ein Ergebnis des Treffens die Resolution gegen Axel Springers Pressekonzentration, die "eine Einschränkung und Verletzung der Meinungsfreiheit" darstelle.
Axel Springer besaß zu jener Zeit die Bild-Zeitung, das Hamburger Abendblatt, Hörzu und Die Welt und hatte eine Beteiligung am Ullstein-Verlag, der auch die Berliner Morgenpost heraus gab. Die Studenten verbrannten stapelweise Bild-Zeitungen.