Eine Scheune voller Geschichten in Bieberbach
Autor: Reinhard Löwisch
Bieberbach, Montag, 24. Oktober 2016
Willi Oppel hat über viele Jahre Dinge zusammengetragen, die das frühere Alltagsleben auf dem Land dokumentieren. Nun zeigt er sie Interessierten.
Je länger er sich umschaute, umso stärker wurde die Erinnerung. Blanke Eisen, in denen nur Experten einen Sinn und eine Aufgabe sehen, bekamen eine Geschichte und damit ein Gesicht. Die Augen des "Wongersch-Willi" glänzten beim Betrachten der alten Handwerks- und Bauernhofgerätschaften, die sein Schwiegersohn Robert Bogner in der alten Scheune in jahrelanger Sammlertätigkeit zusammengetragen hat.
Auf zwei Etagen verteilt sind Hunderte Exponate, "alles Gebrauchsgegenstände" wie Bogner betont, fein säuberlich aufgereiht. Sie stecken voller Geschichten, die zusammengezählt das frühere oft mühsame Leben einiger Generationen Landmenschen dokumentieren. Im ehemaligen "Kuhstall", dem Eingang ins Museum wird der Betrachter von einer Art Wohnzimmer empfangen, in dem neben einer Sitzgruppe, einem Fernsehschrank der 50er Jahre auch eine Kindersitzgruppe der Schule in Egloffstein samt Tafel zu finden ist.
Die Wände sind mit Holzfaserplatten "vertäfelt". Daran hängen zahllose alte Bilddokumente und Gegenstände des täglichen Gebrauchs, darunter eine Waschschüssel mit Wasserkanne, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert noch vielfach zu finden waren, anstatt der heute üblichen Waschbecken. Alte Zugsägen, die von zwei kräftigen Männern in harmonisch abgestimmten Rhythmus bedient wurden, sind Zeugen jener Zeit, als Holzmachen eine sehr schweißtreibende und kräftezehrende Arbeit war. Kein Vergleich zu den heutigen "Vollerntern", die im Minutentakt Bäume fällen, schälen, auf Länge sägen und fein säuberlich aufstapeln.
Von "Wohlstand" war keine Rede
Im ersten Stock, dem ehemaligen Heu- und Strohboden hat Bogner die Landwirtschaft untergebracht. Sie erzählt von dem oft mühsamen Unterfangen, sich "durch der eigene Hände Arbeit" selbst zu ernähren. Von "Wohlstand" war damals auf dem Lande noch keine Rede. Hier gab es noch Strohbetten zu einer Zeit, als in größeren Städten durchaus schon Federbetten die Regel waren. Zu Essen und Trinken gab es genug auf dem Land, Geld allerdings war sehr wenig vorhanden und das brauchte man, um Federbetten kaufen zu können. Eine besondere Beziehung hat der "Wongersch-Willi" (Willi Oppel, 86) zum ausgestellten "Ein-Schar-Pflug". Früher, so erzählt er, als er noch klein war, wurde der von zwei Kühen gezogen. Er hatte eine Halterung für die Peitsche und ein unscheinbares Eisen, das man dann in das Zuggeschirr einbaute, wenn eine der beiden Kühe besser zog als die andere und damit die Gefahr bestand, den Pflug in einen Kreis zu bringen. Schließlich galt es, eine gerade Linie neben der anderen, eine "Rees", zu ziehen. Wieder im Vergleich zur Jetztzeit: Da sind Traktor-Maschinen im Einsatz, die bis zu 20-Schar-Pflüge hinter sich herziehen und so den Begriff "Ein Tagwerk Arbeit", das entspricht rund 3000 Quadratmeter Ackerfläche, ad absurdum führen, weil diese Fläche heute in kurzer Zeit gepflügt ist.
Der Willi zeigt noch viel mehr beim Rundgang zu den Exponaten im Heuboden: Einen Schlitten zum Beispiel, auf dem man im Winter das Mehl von der Schlehenmühle holte. Zwei kräftige Männer waren notwendig, die sich mit breiten Ledergurten am Schlitten festbanden und ihn durch den tiefen Schnee hinter sich herzogen. Der Schlitten wurde auch gebraucht, um beispielsweise Äste aus dem Wald zu holen oder Streu, das man im Viehstall den Tieren als "Bett" zwischen die Hufe warf.
Schiffsglocke von Titos Yacht
Es sind auch Kuriositäten im Museum zu finden. Beispielsweise die Schiffsglocke von Jugoslawiens Diktator Titos Privatjacht "Galeb" (Möwe), oder die Lok-Glocke der Spinnerei Forchheim, die immer dann läutete, wenn eine Rangier-Lokomotive Waggons zum Aus- oder Einladen brachte. Bogner lädt alle Gleichgesinnten ein, mit ihm in seinem Museum über die ausgestellten Stücke zu fachsimpeln und den bisherigen weitere Geschichten hinzuzufügen. Der Grund für die Errichtung des kleinen Museums: Robert Bogner (50), will mit den Exponaten zeigen, wie sich die Arbeits- und Lebensweise in den letzten 100 Jahren geändert hat. "Es ist mir ein Anliegen, dass diese alten Gegenstände wieder ins Bewusstsein gerufen werden, um in unserer schnelllebigen, oberflächlichen Zeit aufzuzeigen, dass Menschen früher mit wenigen Mitteln viel vermochten."
Die Großeltern von Robert Bogner sind "schuld" daran, dass in Bieberbach gerade ein Museum am Entstehen ist. Sie erzählten immer und immer wieder aus ihrer Kindheit und wie sie damals in der serbischen Woiwodina an der Grenze zu Ungarn als Donauschwaben lebten - bis die Nazis 1944 einmarschierten und alle ethnischen Minderheiten vertrieben. Auch das wird in der Ausstellung thematisiert, ebenso wie die Familiengeschichte seiner Frau Marianne, die sich als Trachtenschneiderin und Organistin einen Namen gemacht hat.