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Eine junge Eggolsheimerin rüttelt an einem Tabu: Fehlgeburt


Autor: Ekkehard Roepert

Eggolsheim, Freitag, 24. August 2018

Die Trauer um ihr ungeborenes Kind motiviert Mirijam Endres aus Eggolsheim, sich mit einer ungewöhnlichen Aktion an die Öffentlichkeit zu wenden.
Mirjam Endres inmitten ihrer Bilder und Tagebuchaufzeichnungen.Barbara Herbst


Kreis ForchheimIn den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft herrsche Stillschweigen. Für Mirijam Endres ist diese Konvention, anfangs nicht darüber zu reden, ein Hinweis auf ein Tabu. Denn etwa jede vierte Schwangerschaft ende mit einer Fehlgeburt, sagt die 27-Jährige aus Eggolsheim. Der Schmerz darüber werde verschwiegen.

"Wenn man offen damit umgeht, dann erfährt man es", sagt Mirijam Endres. Nachdem sie im Januar eine Fehlgeburt erlitten und ihr Kind in der zwölften Woche verloren hatte, übte sie den "offenen Umgang" mit dem Thema. Es sei eine schmerzhafte Auseinandersetzung gewesen.

Wie betäubt

Jetzt will die junge Frau Einblick in diesen Prozess geben und mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. "Tabuthema - Fehlgeburt" heißt die Veranstaltung, mit der Mirijam Endres an dem Tabu rütteln möchte. "Eingeladen sind Familien und Freunde und alle Personen, die an einer Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert sind."

Als die Studentin aus Eggolsheim erfuhr, dass der Embryo in ihrem Bauch tot war, habe sie und ihr damaliger Freund das als enorm belastend empfunden. "Als ich wusste, dass das Kind nicht lebt, war ich wie betäubt", erzählt Mirijam Endres.

Abschiedszeremonie

Sie hielt sich zu diesem Zeitpunkt an ihrem Studienort Innsbruck auf. Dort ging sie für einen Tag in die Klinik. Durch Tabletten wurden "wehenartige Krämpfe" erzeugt, erklärt Mirijam Endres: "Ich wollte das bewusst miterleben."

Den Fötus in einem Sammelgrab bestatten lassen, das wollte sie aber nicht. Eine "Trauerzeremonie" habe ihr dann geholfen , sich persönlich von ihrem Kind zu verabschieden, erzählt die 27-Jährige.

Dass sie mit den Bildern und Gedanken zum Thema in die Öffentlichkeit geht, das empfindet nicht jeder in ihrem Umfeld als passend. "Auch meine Mama konnte es erst nicht verstehen. Aber als sie die Bilder sah, war sie berührt und konnte es nachvollziehen." Wobei Mirijam Endres betont, dass sie mit den Bildern "keinerlei künstlerischen Anspruch" verfolge. Sondern zeigen möchte, dass dieses sehr persönliche Thema zum Leben gehöre: "Man kann respektvoll damit umgehen und muss es nicht verschweigen." Als Studentin der Friedens- und Konfliktstudien hat Mirijam Endres gelernt, dass man zu allererst lernen muss, eigene Konflikte zu bewältigen. Daher habe sie ihren Schmerz über das verlorene Kind dann auch zum Gegenstand einer Hausarbeit gemacht.

Trost für Eltern der Sternenkinder

Am Klinikum Forchheim ist der angemessene Umgang mit Fehlgeburten ebenfalls ein zentrales Thema. Wobei Stefan Weingärtler, Chefarzt in der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe, betont, wie "unterschiedlich Frauen das aufnehmen". Manche empfänden den Verlust eines Embryos in der achten Woche als "tragisch". Andere kämen leicht darüber hinweg. "Dass das Thema tabuisiert wird, kann ich aber nicht nachvollziehen", sagt Stefan Weingärtler. Er verweist auf die große Palette an Hilfs- und Trostangeboten.

Betroffene Eltern erhalten im Klinikum einen Umschlag voller Informationen. Darin findet sich ein Aufklärungsbrief des Klinikums und fast ein Dutzend Flyer mit Hinweisen. Sie reichen von Gesprächsangeboten für "verwaiste Eltern", über Trauergruppen für "Eltern der Sternenkinder", bis hin zu einer jährlichen Trauerfeier auf dem Forchheimer Friedhof. Alexandra Kreller, die als Stationssekretärin in der Geburtenhilfe des Klinikums arbeitet, engagiert sich persönlich in dieser Sache. Sie berät und begleitet. "Bei uns wird kein Kind als Abgang bezeichnet", sagt Alexandra Kreller. Sie wisse, "wie furchtbar Frauen darunter leiden können, wenn sie ihr Kind nicht zur Welt bringen". Das sei völlig unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem sie es verlieren.

"Früher haben Frauen über ihre Fehlgeburnten oft gar nicht gesprochen"

Veranstaltung Mirijam Endres lädt am Freitag, 31. August, 17 bis 19 Uhr, und am Samstag, 1. September, 10 bis 12 Uhr, in den Tanzsaal Eggolsheim (direkt neben dem Rathaus) ein. "Tabuthema - Fehlgeburt" ist die Veranstaltung überschrieben. Mirijam Endres gibt Einblicke in persönliche Bilder und Gedanken, die nach der Fehlgeburt ihres Kindes entstanden sind. Wer interessiert ist, kann mit der Veranstalterin ins Gespräch kommen und selbst auf Transparenten Botschaften zu dem Thema hinterlassen.

Fehlgeburten Etwa jede vierte Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt. Betrachte man den gesamten Prozess, von der Befruchtung der Eizelle bis zur Geburt, dann liege die Wahrscheinlichkeit, dass es "nicht zur Geburt kommt" sogar bei 60 Prozent, sagt Chefarzt Stefan Weingärtler (Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Forchheim). Wie viele Fehlgeburten es gebe, sei erst durch die Entwicklung der Ultraschalltechnik klar geworden. "Früher haben die Frauen über ihre Fehlgeburten oft gar nicht gesprochen", meint Stefan Weingärtler.

Trauerfeier Wenn ein Kind im Mutterleib stirbt und ein Gewicht von 500 Gramm erreicht hat, dann sind die Eltern für die Bestattung zuständig. Aber auch Föten werden bestattet. Das Forchheimer Gartenamt hat dafür eigens ein Gräberfeld am Neuen Friedhof eingerichtet. Hier findet eine jährliche Trauerfeier statt. Alexandra Kreller, die im Klinikum Forchheim betroffene Eltern berät (Tel. 09191/610 150 15), sagt ausdrücklich: Zu der ökumenisch gestalteten Zeremonie am Friedhof seien alle Menschen eingeladen, die um ein ungeborenes Kind trauern. Die nächste Trauerfeier ist am Freitag, 23. November, 16 Uhr, am Neuen Friedhof in Forchheim roe