Irmgard Edle von Traitteur: eine Frau, die immer gestaltet
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Freitag, 15. April 2016
Irmgard Edle von Traitteur schaut an ihrem Geburtstag auf neun Jahrzehnte. Sie erlebte dramatische Zeiten. Eines hat sich nie geändert: Sie blickt nach vorn
"Unglaublich, was alles gewesen ist", sagt Irmgard Edle von Traitteur im Rückblick auf 90 Jahre. Am Freitag, 15. April, feiert sie im Kreise ihrer Familie und ihrer Freunde das Jubelfest.
Nicht zuletzt erinnert sie sich an Bombennächte in Nürnberg. "Am Tag vor der letzten Abiturprüfung war Fliegeralarm und wenige Tage danach wurde die Schule in der Findelgasse auch von Bomben getroffen." Die Reichsparteitage hat sie als Kind miterlebt, führte doch die Aufmarschroute an ihrem Elternhaus vorbei. Und später die Schuttbahn, die die Trümmer aus der Innenstadt auf den "Mount Klamott" brachte.
Aber sie weiß auch noch genau, wie sie mit Griffel und Schiefertafel das Schreiben lernte. "Und heute nutze ich den Computer und das Internet." Auch, wie ihre Mutter ihr das Nähen und Hauswirtschaften beibrachte, steht ihr noch vor Augen. "Das war noch ein ganz anderer Lebensentwurf."
Ein Jahr war sie als Erntehelferin und in einer Fallschirmfabrik dienstverpflichtet. "Da habe ich erfahren, wie Akkordarbeit funktioniert. Wir ,Maiden' brachten das System durcheinander."
Ihren ersten Mann, einen Berliner Arzt, lernte sie im Lazarett am Ernteeinsatzort in der Lausitz kennen. Die Hochzeit war bei Freunden in Traunstein, denn beide mussten von der heranrückenden Front fliehen.
"Wir hatten Glück und entgingen Bombenangriffen, aber wir sahen beschossene Flüchtlingstrecks." Von Bruder und Vater waren die letzten Nachrichten aus Italien und Prag gekommen, die Mutter war ausgebombt.
"Ein halbes Jahrhundert Lebenserfahrung - das war mein Motto, als ich 1982 für den bayerischen Landtag kandidierte", kommentiert von Traitteur ihr Leben bis dorthin. Dazu zählen auch die Nachkriegszeit und das beginnende Wirtschaftswunder.
Sprung in die Selbstständigkeit
Für von Traitteur bedeutet die Zeit vor allem wirtschaftliche Selbständigkeit. Nach dem Tod ihres Manns wagte es die junge Witwe mit einer Tochter, eine Kindermodenwerkstatt zu eröffnen. Durch die Annonce eines Hutladens und ihr Zeichentalent fand sie einen sie erfüllenden Broterwerb. Aus Stoffresten und zertrennter Erwachsenenkleidung zauberte sie als "Naturtalent" für einen Modesektor, der erst im Entstehen war.
Dank eines Onkels konnte sie ein halbes Jahr in den USA verbringen. Sie erinnert sich besonders an einen Besuch bei den Vereinten Nationen: "Dort herrschte ein Idealismus. Man war überzeugt, der Zweite Weltkrieg hat die Menschen verändert - und heute?"
Zur Politik ist von Traitteur erst durch ihren zweiten Mann, den späteren Forchheimer Oberbürgermeister gekommen. Sie wurde Mitglied in der CSU und in der Frauenunion und engagierte sich auf verschiedenen Ebenen bei der Caritas. Als Gudila Freifrau von Pöllnitz nicht mehr kandidierte, bot man ihr eine Listenkandidatur an. "Dass mich die Männer aufstellen wollten, war der Frauen-Union suspekt", erinnert sie sich an ein Kuriosum. Das halbe Jahrhundert Lebenserfahrung qualifizierte sie für den sozialpolitischen Ausschuss und für den Landesgesundheitsrat.
Sieben SPD-Frauen und acht von der CSU gab es damals im Landtag. Sie alle lud Franz Josef Strauß - oft mit seiner Frau Marianne - ein zum Gedankenaustausch. "Das war eindrucksvoll, aber sehr offen und persönlich", erinnert sie sich. Obwohl das Du in der Fraktion üblich war, hat sie den Ministerpräsidenten nicht geduzt. "Nicht wollen, aber auch nicht können", formuliert sie.
Eines der Themen damals war die Anerkennung der Hausfrauenarbeit, beispielsweise für die Rente oder bei Entschädigungen und Schadensersatz. Manches blieb genau in Erinnerung.
Beeindruckende Reisen mit dem Landtag nach China, Kapstadt oder Togo, aber auch Probleme. So musste sich der sozialpolitische Ausschuss mit dem Arbeitsmodell eines Chip-Herstellers befassen. Besonders die KAB stieß sich daran, dass dort die Mitarbeiter zehn Tage arbeiteten und dafür vier Tage am Stück frei hatten. Die Ausschussmitglieder sprachen mit den betroffenen Arbeitnehmern, die sehr zufrieden mit dem Modell waren.
"Die KAB hat sich wohl daran gestört, dass es hier um Produktion ging; solche Modelle waren doch auch damals schon im Gesundheitswesen eingeführt", bewertet sie den damals Wellen schlagenden Konflikt.
"Ich bin zufrieden, was mir das Leben geschenkt hat. Man gewinnt selber, wenn man etwas für andere macht", fasst von Traitteur viele aktive Jahrzehnte zusammen. Und: "Toll, was sich entwickelt hat."