Ein "Umsturz in aller Ruhe"
Autor: Manfred Franze
Forchheim, Montag, 19. November 2018
Als vor 100 Jahren die Monarchie gestürzt und die Räterepublik ausgerufen wurde, nahm man dies im Raum Forchheim eher beiläufig zur Kenntnis. Von Unruhen wie etwa in München konnte hier nicht die Rede sein.
Vom Sturz der Monarchie und von der Ausrufung der Republik in München am 7. November 1918 erfuhren vor 100 Jahren die Leser des Forchheimer Tagblatts bereits am Freitag, 8. November. Auf der Titelseite hieß es, dass es nach einer Massenversammlung in der Landeshauptstadt "zu ernsten Unruhen" gekommen sei und sich danach "ein Rat der Arbeiter, Soldaten und Bauern! gebildet habe, "zu dessen Vorsitzenden Kurt Eisner ernannt" worden sei. Und weiter:
"Eine Volksregierung, die von dem Vertrauen der Massen getragen wird, soll unverzüglich eingesetzt werden. Der Rat wird strengste Ordnung sichern. ... Die Soldaten werden durch Soldatenräte sich selbst regieren. ... Alle Beamten bleiben in ihren Stellungen. Die Bauern verbürgen für die Versorgung der Städte. Jedes Menschenleben soll heilig sein."
In Forchheim kam der Anstoß zum Anschluss an die "Volksregierung" nicht aus der einheimischen Bevölkerung, sondern vom hier stationierten Ersatzbataillon des 6. Bayerischen-Infanterieregiments. Es hatte am Vormittag des 9. November nach Vorgabe zweier Werber aus Erlangen und Nürnberg den Gefreiten Mayer zum Vorsitzenden seines Soldatenrates gewählt.
Mayer und die beiden auswärtigen Räte - der Erlanger Feldwebelleutnant Hans Weigl und der Nürnberger Arbeiterrat Albrecht - stellten sich anschließend bei Bürgermeister August Reinhard (1882-1955) im Rathaus als Vertreter der revolutionären Räte vor. Nach Ausrufung der Republik liege nun "die gesamte Zivil- und Militärgewalt ... in der Hand des Arbeiter- und Soldatenrates. Man erwarte von der Stadtverwaltung, dass sie ihre Amtsgeschäfte unter der Aufsicht des Soldaten- und Arbeiterrates ruhig und ungehindert weiterführe. Für Ruhe und Ordnung sorge das hiesige Militär.
Aufruf mit Unwahrheiten
Bürgermeister Reinhard fügte sich der Situation, ohne sich aber politisch festzulegen. Selbstverständlich werde er "im Interesse der Stadt die Geschäfte weiter führen", da es zum "jetzigen Zeitpunkt die Pflicht aller sei, vereint zum Wohle und Wiederaufbau des Vaterlandes zusammenzuarbeiten.
In der Stadt verbreiteten die Aufständischen danach folgenden Aufruf:
"Gleich den Städten Nürnberg, Fürth und Erlangen hat sich heute Nacht auch Forchheim der Republik angeschlossen. Es konstituierte sich ein provisorischer Arbeiter- und Soldatenrat im Sitzungssaale des Rathauses. Sämtliche Stadt- und Polizeibehörden haben sich der Sache willig angeschlossen. Die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung ist unbedingte Notwendigkeit. Die Geschäfte, Fabriken und amtliche Dienststellen arbeiten unverändert weiter. Der provisorische Arbeiter- und Soldatenrat. Weigl. Albrecht."