Ein Pautzfelder hilft dem Osten auf die Sprünge
Autor: Mathias Erlwein
Hallerndorf, Dienstag, 02. Oktober 2012
Klemens Renker aus Pautzfeld (Kreis Forchheim) kam nach Zittau als Geschäftsmann und blieb als Professor. 20 Jahre nach der Einheit warnt er vor schweren Rückschlägen.
Clemens Renker erinnert sich noch noch genau an jene Wochen nach dem Mauerfall. Das große Durcheinander nahm er wahr als eine große Chance, als "weites und unbestelltes Feld". Der Pautzfelder Clemens Renker arbeitete damals im Herbst 1989 als Geschäftsführer der Künstlerfarbenfabrik C. Kreul. Dass er sich aber einmal so in den Osten Deutschlands verlieben würde, hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
Und doch unterrichtet Renker seit 1994 als Professor für Marketing, Handels- und Banklehre an der Hochschule Zittau/Görlitz. Er gibt seinen Studenten dabei sein Wissen und auch seine Erfahrungen als Bank- und Industriemanager weiter.
Zunächst hat ihn aber sein Unternehmergeist in den Osten gebracht. "Wir haben bereits 1990 mit Kreul die erste Fachmesse in Dresden abgehalten", erinnert er sich. Schon bald darauf hat sich der Absatzmarkt im Osten stark ausgedehnt- "von Rostock bis Suhl kannten wir fast jeden Händler persönlich".
Die Zugreisen nach Zittau und Görlitz waren mehr als abenteuerlich damals: Nicht fahrplanmäßiges Anhalten des ICE in Forchheim, Lokwechsel in Saalfeld, Zugwechsel in Leipzig, dann den letzen Zug erreichen in Dresden-Neustadt und schließlich als einziger Fahrgast zwei Stunden durch eine nächtliche Märchenwelt in das Zittauer Gebirge. "Den Trabi-Geruch, die schwefelhaltige Luft, eine morbide Stadt vor dem Einsturz und das aufgeregt unsichere Bangen der Bürger um die Zukunft - das vergisst man nie", fasst Renker seine ersten Eindrücke nochmals zusammen.
Alle packten mit an
Aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bildungswesen standen große Umbrüche an. Es war der Gründungsrektor Professor Peter Dierich, der am Hochschulstandort Zittau/Görlitz den Neuanfang wagte. Mit anfangs gerade einmal 90 Studenten. 1993 bewarb sich Renker dort um eine Stelle als Professor. "Ich wollte jungen Menschen Chancen für die Zukunft bieten", nennt er seine Beweggründe.
Der Pioniergeist in Zittau war in den Jahren nach der Wiedervereinigung groß. Alle packten an. Sitzungen bis tief in die Nacht waren normal. "Wir setzten von Anfang an auf Technik- und Ingenieurwissenschaften, auf Naturwissenschaften und Wirtschaft und Sozialwissenschaften, weil wir die jungen Menschen schnell in Arbeit bringen wollten", sagt Renker.
Als Prodekan führte er Studiengänge wie "Management im Gesundheitswesen" und "Internationales Management" mit ein. Und als Mitglied der Studienkommission verteidigt Renker seit der Bologna-Reform vor zwölf Jahren die hohe deutsche akademische Qualität und die anwendungsorientierte Forschung. Tatsächlich bietet Zittau/Görlitz als einzige deutsche Hochschule noch den Diplom-Kaufmann und den Diplom-Ingenieur. Die Studierenden werden persönlich betreut und gefördert. Studiengebühren gibt es keine. Alles zusammen trägt dazu bei, dass die Zittauer Studierenden schnell und erfolgreich ihr Studium abschließen können.
Anerkannter Hochschulstandort
Heute ist Zittau/Görlitz ein anerkannter Hochschulstandort mit mehr als 4500 Studierenden. Und immer wieder passiert es, dass seine Absolventen selbst bei Konzernen wie BMW, Siemens oder Vattenfall unmittelbar nach ihrer Diplom-Verteidigung einen Arbeitsvertrag über den Tisch gereicht bekommen. "Darin liegt die höchste Anerkennung eines Hochschullehrers, wenn er zum Gelingen des Lebens junger Menschen direkt beitragen kann", freut sich Renker. Viele Zittauer Absolventen landen in Bayern; besonders im Raum Erlangen-Nürnberg.
"Leider sind wir Lieferant von Akademikern nach Bayern. Sachsen verliert dadurch wichtige Leistungsträger", klagt Renker. Die Lausitz ist für Renker in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten längst zur Heimat geworden.
Etwa 20 wissenschaftliche Transferprojekte in Wirtschaft, Kultur und Sport betreut Renker jährlich in der Lausitz. Mit dem Zittauer Automobilzulieferer Digades erreichte er als Beirat das Finale der besten mittelständischen Unternehmen Deutschlands. "Die Oberlausitzer haben einen Dickschädel wie die Franken", lacht er.
Sorgen um die Zukunft
Im kürzlich veröffentlichten Bildungs-Ranking des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt Sachsen in Deutschland auf Platz eins, Bayern auf Platz vier. Das ist auch Renkers Verdienst, denn seit fünf Jahren unterstützt er als Beirat im Wissenschaftsministerium in Dresden die Kampagne "Pack dein Studium - am besten in Sachsen" .
Wenn er aber seinen Blick auf die Zukunft des Ostens richtet, legt sich die Stirn des 57-jährigen in Falten. Die demographische Entwicklung in vielen Teilen Ostdeutschlands nennt er katastrophal. "Da kann die Infrastruktur noch so sensationell sein, es nützt herzlich wenig, wenn in manchen Dörfern bald nur noch 80-Jährige leben."