Ein Manager im Schottenrock
Autor: Nikolas Pelke
Forchheim, Dienstag, 01. Oktober 2013
David Mathieson ist Schotte durch und durch. In Franken findet der Elektro-Ingenieur den Ausgleich zu seinen Geschäftsreisen nach Amerika.
Am ersten Arbeitstag hat er sich noch die Augen gerieben. Das Siemens-Werkstor wollte einfach nicht aufgehen an diesem 1. Mai im Jahr 2003. "Labour Day", erinnert sich David Mathieson und lacht.
Den Tag der Arbeit gibt es im Königreich zwar auch. Nur Feiertag ist nicht. Damals hat ihn Siemens von der Insel nach Franken beordert. "Heute kümmere ich mich um das Amerika-Geschäft." Von Feuerland bis Alaska verkauft Mathieson die Medizin-Geräte aus Forchheim. Je mehr Computertomographen der Ingenieur mit Verkaufstalent an den Mann bringt, desto mehr haben die Beschäftigten in Forchheim zu tun. Genaue Stückzahlen verraten darf der höfliche Herr im Nadelstreifen-Anzug nicht.
Aber die funkelnden Augen verraten: Die Geschäfte laufen so schlecht nicht. Vielleicht sogar "extraordinary" gut. Aber über Zahlen würde der Elektro-Ingenieur aus Glasgow wohl auch nicht sprechen, selbst wenn er dürfte. Dafür ist er, der Schotte, dann vielleicht doch zu vornehm zurückhalten. Oder einfach zu britisch.
Ein Marktschreier ist Mathieson sowieso nicht. Auch nicht der Typ Autoverkäufer. Auch wenn es da durchaus Parallelen gibt. "In Schottland gibt es in den Autos auch keine Klimaanlagen serienmäßig", sagt Mister Mathieson. So ähnlich funktioniere das auch, wenn er die Computertomographen von Alaska bis Feuerland verkaufen will. Deshalb baut der Schotte eher im Stile eines Diplomaten langfristige Beziehungen zu den Kunden auf. Sondiert ständig den Markt. Ist auf der Hut, was sich in der Politik tut. Obama will die Gesundheitskosten senken?
Der Schotte stellt sich früh darauf ein. In Gesprächen mit den Kunden sucht er dann nach Lösungen. Wo lassen sich Kosten sparen? Wie können die Medizin-Geräte im Klinikalltag effizienter arbeiten? In vielen Verkaufsverhandlungen entstehen Ideen, die in technische Innovationen münden. "Wir laden auch Kunden in die Uniklinik nach Erlangen ein, um zu zeigen, wie die Geräte im Zusammenspiel mit Ärzten und Patienten funktionieren."
Mathieson mit "ti-eitsch"
Danach führt Mathieson - den Namen spricht man übrigens mit dem berühmten "ti-eitsch" aus - die Kunden aus Nord-, Süd- und Mittelamerika oft nach Forchheim, wo die Medizingeräte von insgesamt rund 1800 Mitarbeitern erdacht und gebaut werden. "Wir haben ein großes Portfolio an Medizin-Geräten", erklärt der Schotte. Von der S-Klasse bis zum Einstiegsmodell. Fast alles hat der Weltmarkt-Führer im Programm. Die High-Tech-Firma bietet den weniger betuchten Kunden sogar an, gebrauchte Geräte aufzumöbeln. Die Strategie zielt in zweierlei Richtung. Zum einen will der Konzern von den Kunden lernen. Schließlich sollen die Geräte ständig verbessert werden. Zum anderen können aus kleinen bald große Kunden werden.
Aufregende Märkte nennt Mathieson aufstrebende Nationen wie Brasilien, die immer mehr Geld in die Gesundheitsversorgung stecken. Man merkt in all seinen Worten, der Mann hat eine anspruchsvolle Aufgabe. Alle Zeitzonen von Kap Horn bis zur Beringstraße auf einmal im Blick zu haben, ist alles andere als einfach. Das sei aber besser als früher. Da war er für alle englischsprachigen Länder zuständig. Da quatschen ihm die Neuseeländer schon mitten in der Nacht auf die Mailbox.
Mit dem Koffer ist der "Salesman" aber nicht ständig unterwegs. Er lässt die Entscheidungsträger einfliegen. Oder geht zu den großen Branchentreffen. In acht Wochen steht eine große Messe in Chicago an. Ein paar Neuheiten aus Forchheim wird der Schotte sicher wieder zum wichtigen Kongress der Radiologischen Gesellschaft Nordamerikas im Gepäck haben.
Bis dahin behütet der Siemensianer, der seit fast 30 Jahren der großen Konzern-Familie angehört, die neuen technischen Geheimnisse mindestens genauso gewissenhaft wie seine Schottenröcke. Einen Neuen hat er sich kürzlich zur Silberhochzeit mit seiner Frau Morag extra in den Farben seiner alten und neuen Heimat - blau und weiß, weiß und rot - gegönnt. Das will was heißen. Denn die Farben des Musters bedeuten einem Schotten eine ganze Menge. Er genieße einfach sehr sein neues Zuhause in Möhrendorf, sagt er.
"In der Wiesent mit dem Kajak fahren. Das mache ich am liebsten. Überhaupt die warmen Sommer hier genieße ich sehr. In Schottland müssen wir für Sonne bezahlen und in die Ferien fliegen", sagt der Schotte mit fast britischem Humor. Auch Biergärten findet man in Schottland eher selten. Und mit dem Fahrrad konnte er in London auch nicht in die City zur Arbeit fahren.
An die Sonntagsruhe gewöhnt
An die geschlossenen Geschäfte am Sonntag musste er sich in der Anfangszeit aber erst gewöhnen. "Wie kann man am Sunday überleben, ohne einzukaufen?", habe er sich damals gefragt. Heute liebt er die Ruhe. Vermisst nicht die Vorliebe der Briten, sonntags den englischen Rasen zu kürzen.
Nur manchmal kämpft er mit dem fränkischen Dialekt. Deutsch spricht er dagegen ausgezeichnet. Die fränkischen Biere und Bratwürste hat er mittlerweile so gerne, dass er sie bei jeder Dienstreise genauso vermisst wie seinen Schottenrock.