Ein Franke mit Lederhose in Brasilien
Autor: Sarah Seewald
Forchheim, Dienstag, 17. Juni 2014
Frank Ortloff, Fußballer aus Dormitz, verbringt seinen Jahresurlaub im sportlichen Stil: Ganz alleine ist er für die WM nach Südamerika gereist. Täglich schreibt er über die Magie eines derartigen Sportspektakels, entkräftet Bademoden-Klischees oder versucht sich im Sambatanzen.
Zuletzt online heute um 5:40. Letzte Nachricht in Facebook abgeschickt um 5:15. Nein, es geht hier nicht um einen Nachtschwärmer. Auch nicht um Soziale Medien. Sondern um Frank Ortloff aus Dormitz. Er lebt für vier Wochen fünf Stunden hinter der deutschen Zeit - auf der anderen Seite der Erdhalbkugel, in Brasilien. Ortloff ist einer der fränkischen Fußball-Fans, die nicht nur vor der Leinwand mitfiebern müssen, sondern hautnah, mittendrin und im Stadion bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft dabei sind. Kein Wunder also, dass seine Nachrichten um völlig verquere Tages- und Nachtzeiten eintreffen.
Pünktlich am 11. Juni ist Ortloff nach 28 Stunden Reise in Salvador da Bahia, der drittgrößten Stadt in Brasilien, angekommen. Nur, sein Koffer hat es leider nicht geschafft. Zwei Tage hat er mit unbesetzten Notfall-Nummern, leeren portugiesischen Versprechen, dem ein und demselben Shirt und dem Bangen um seine Tickets in der Innentasche des Koffers für die deutschen Spiele zu kämpfen.
Und auch einen anderen Kampf lernt er gleich in den ersten Tagen in Brasilien zu gewinnen: das Verkehrschaos. Wenig vollendete WM-Vorbereitungen, zahlreiche Bauarbeiter, viele Baustellen: "Gestern habe ich für meine Fahrt zum Fifa-Ticket-Center, das in der Parkhausetage eines Einkaufscenters gelegen ist, für fünf Kilometer eine dreiviertel Stunde gebraucht", schreibt Ortloff. Dass sich die Fahrt gelohnt hat, steht spätestens nach einem und seinem ersten WM-Highlight, dem 5:1 Erfolg der Holländer gegen Spanien, außer Frage.
In seinem WM-Tagebuch verrät er, wie er sich an einem Nachmittag wagemutig in ein Taxi voller Dänen quetschte, wie Garnelenbrei im Frittiermantel schmeckt und - ganz im Sinne des offziellen Mottos "All in one rhthym" -, dass fränkische Männer wohl auch ganz gut Samba tanzen können.
Fußballer im Herz und Bein
Ortloff selbst ist mehr als Fan. Er spielt beim Baiersdorfer SV im zentralen Mittelfeld und feierte heuer mit der Mannschaft die Meisterschaft in der mittelfränkischen Bezirksliga. Und, Ortloff ist mehr als Fußballer: An der Friedrich-Alexander-Universität hat er Wirtschaftsmathematik studiert und arbeitet jetzt bei Siemens im Qualitätsmanagement.
Einen Teil seines Jahresurlaubs verbringt er ganz im Zeichen seiner sportlichen Leidenschaft. Vorbereitet hat er sich auf diese besondere Reise schon länger, wie eine kleine Anekdote beweist: "Als ich wieder mal ins Taxi einstieg, musste ich keine zwei Wörter in den Mund nehmen, bis mich der Fahrer als ,alemanha' identifizierte. Auf mein ,por que?' antwortete er mit ,accente', was so viel wie Akzent oder Betonung heißt. Daraufhin sind wir ins Gespräch gekommen und ich konnte zum ersten Mal meine rudimentären Portugiesisch-Kenntnisse testen. Immerhin war es nicht umsonst, ein Jahr mit einem Sprachprogramm die Landessprache des Gastgebers zu pauken. Bevor ich ausstieg, offenbarte er mir seine Favoriten: Brasilien, Spanien Argentinien und Deutschland - die üblichen Verdächtigen."
Dabei im Endspiel
Bis zum Finale am 13. Juli ist zwar noch ein bisschen hin. Nach dem überragenden Auftakt der Deutschen kann Ortloff aber davon ausgehen, dass er seinen 28. Geburtstag im schwarz-rot-goldenen-WM-Fieber feiern darf. Schaffen die Deutschen den Sprung ins Achtel-, Viertel... Finale hat er mit seinem Deutschland-Team-Ticket immer eine Kaufoption. Pünktlich vor dem Besuch auf dem "stimmungsvollen" Fan-Fest zum Verfolgen des Eröffnungsspiels wartete im Hotelzimmer eine Überraschung auf Ortloff: "Die Anwesenheit meines Gepäcks, mit glücklicherweise vollständigem Inhalt." So stand seinem Besuch in der Arena Fonte Nova am Montagmittag im außergewöhnlichen Fan-Dress nichts mehr im Wege. Wie es sich anfühlt, in Lederhosen zwischen einem Meer aus Portugiesen zu stehen und wohin es Ortloff in den nächsten Tagen verschlägt, gibt es in seinem Tagebuch im Netz zu lesen - zwar nicht um fünf in der Früh, dafür aber exklusiv im Laufe des Tages.