Ebermannstadter Gymnasiasten bekommen ein Jahr mehr Zeit
Autor: Carmen Schwind
Ebermannstadt, Mittwoch, 18. März 2015
Das bayerische Kultusministerium plant, Gymnasiasten auf eigenen Wunsch hin ein Jahr mehr Zeit zu geben. Als eine von 47 Pilotschulen testet das Ebermannstadter Gymnasium ab Herbst die "Mittelstufe plus".
Manche Eltern fühlen sich im Augenblick etwas verunsichert: 2011 wurde das achtstufige Gymnasium (G8) eingeführt, in Zukunft soll es jetzt aber auch noch eine "Mittelstufe plus" geben. Erhard Herrmann, der Schulleiter am Ebermannstadter Gymnasium Fränkische Schweiz (GFS) ist, spricht in diesem Zusammenhang von einem "Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten".
Das GFS ist einer von 47 ausgewählten Pilotschulen, das das das Projekt "Mittelstufe plus" umsetzen werden. 71 Gymnasien aus ganz Bayern hatten sich beworben, sieben davon aus Oberfranken. Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) ist den Vernehmen nach wichtig gewesen, dass sowohl Gymnasien aus Großstädten als auch aus dem ländlichen Raum ausgewählt wurden.
Zuspruch vom MdL
Und CSU-Landtagsabgeordneter Michael Hofmann erklärt in einer Mitteilung, dass das GFS mit seinen beiden Ausbildungsrichtungen bestens geeignet sei, das neue Angebot ab dem Schuljahr 2015/16 zu erproben.
"Der Lehrstoff ist bei beiden gleich, nur haben die Schüler der ,Mittelstufe plus' mehr Zeit, um diesen zu bearbeiten", erklärt Herrmann. Gerade im ländlichen Raum seien viele Kinder in Vereinen engagiert, würden Musik oder Sport machen. Diese könnten unter den Bedingungen der "Mittelschule plus" Schule und Freizeit besser unter einen Hut bringen.
Von 100 auf 122 Stunden
"Das soll nicht heißen, dass die Schüler der ,Mittelstufe plus' weniger begabt wären", stellt der Schulleiter klar. Es gäbe zum Beispiel keinen verpflichtenden Nachmittagsunterricht, was Schülern entgegenkomme, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mittags heimfahren möchten.
"Oft ist es ja so, dass der nächste Bus erst am Abend fährt", erläutert Herrmann. Der Lehrstoff der Mittelstufe wird in diesem Pilotprojekt von 100 auf 122 Unterrichtsstunden gestreckt. Die Mehrstunden sollen nach den Vorstellungen der Initiatoren dazu genutzt werden, den Stoff aus den Kernbereichen zu vertiefen. Details der "Mittelstufe plus" müssen aber erst noch festgelegt werden, zum Beispiel beim Treffen aller Pilotschulen in München. "Im Augenblick gibt es viel zu bedenken und zu organisieren", erklärt Herrmann.
Auch müssten Lehrer und Eltern noch genau und umfassend informiert werden. Herrmann selbst sieht in diesem Projekt eine große Chance, denn der Bildungsweg der Schüler könne damit individualisiert werden. Einen weiteren großen Vorteil erkennt er zudem im Umstand, dass sich Eltern und Schüler frei entscheiden können. Wer will, könne das Gymnasium wie gewohnt in acht Jahren durchlaufen. Andere könnten dagegen die individuelle Förderung und Intensivierungsstunden in Anspruch nehmen. "Das ist ein großes Angebot, um das Abitur zu erreichen, abgestimmt auf die spezielle Situation des Schülers", sagt Herrmann. Früher seien viel mehr Schüler für ein halbes Jahr ins Ausland gegangen.
Kritik am G8
Das sei in der Mittelstufe plus ebenfalls wieder möglich. "Die Eltern müssen nun Mut zu einer Entscheidung haben. Und Mut, ihrem Kind Zeit zur Entwicklung zu geben", sagt Erhard Hermann. In seiner Schule stünde das Individuum im Vordergrund, betont er.
Deshalb möchte Herrmann ein Paket schnüren, das die Erfordernisse der Eltern und der Kinder berücksichtigt. Das alles sei gerade im Entstehen. Deshalb können sich die Schüler bis zum heutigen Tag noch kein rechtes Bild machen. Und auch die Eltern warten noch auf weitere Informationen. Nina Behr beispielsweise ist Mutter dreier Kinder. Zwei davon besuchen derzeit die Mittelstufe des GFS. "Das G8 war wohl ein schneller Entschluss und nicht ganz ausgegoren, deshalb finde ich dieses Pilotprojekt recht gut", sagt Nina Behr.
Wichtig sei ihr, dass nun eine umfangreiche Aufklärungsarbeit geleistet wird. Wie in vielen anderen Familien ist es auch bei den Behrs so, dass die Kinder unterschiedliche Anforderungen haben.
Das bedeutet konkret, dass eine Kind wahrscheinlich das G8 durchlaufen wird, während für das andere die "Mittelstufe plus" interessant sein könnte. Nina Behr hat sich auch mit anderen Eltern unterhalten: "Viele sind verunsichert, weil es noch zu wenig Informationen gibt." Doch gäbe es auch hier Interesse, "weil das G8 doch recht happig ist."