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Dorfladen in Leutenbach schließt für immer


Autor: Franz Galster

Leutenbach, Sonntag, 27. Dezember 2015

Gertrud Heidner hat am 24. Dezember ihren Laden in Leutenbach (Kreis Forchheim) ein letztes Mal abgesperrt. Alle Bemühungen um einen neuen Investor waren vergebens. Die Kunden sind traurig und fassungslos.
Gertrud Heidner dreht ein letztes Mal den Schlüssel um. Foto: Franz Galster


Heiligabend, der 24. Dezember, ist immer ein von Stimmung getragener Tag für die Christenheit. In Leutenbach traf dies im doppelten Sinne zu: Der Dorfladen hat ab diesem Tag seine Pforten für immer geschlossen.
Es kommen noch viele Menschen am Vormittag zur Besitzerin Gertrud Heidner, umarmen sie, es fließen Tränen. Ein schwerer Augenblick: Melancholie, Traurigkeit, Fassungslosigkeit.

"Geh' zur Gertrud, die hat das schon", das war ein gängiger Ausdruck, wenn man wieder einmal etwas brauchte, was es eben nicht überall im Supermarkt gab. Ihr Laden war auf überschaubarer Fläche beispielhaft vielseitig sortiert, erregte die Bewunderung auch fremder Besucher und Feriengäste. Jetzt tun sich ungewohnte Lücken in den Regalen auf. Ein letztes Foto dort wehrt Gertrud Heidner ab. So stellt sie sich den stolzen Laden nicht mehr vor, so will sie ihn auch nicht zeigen.

Bei ihr stimmte eben immer alles.


Einer der letzten Kunden

Ulrike Blassmann aus Schlaifhausen ist einer der letzten Kunden. "Ich vermisse künftig das Kaufhaus am See", versucht sie zu scherzen und ist doch innerlich sehr bewegt. Das sei hier heute eine traurige Veranstaltung. Ihrer Meinung nach hätte die politische Gemeinde viel früher aktiv werden müssen. Hier werde viel zu kurzfristig gedacht. Der Laden werde den älteren Menschen fehlen, in zweiter Linie auch den jüngeren, die sich dann sorgen müssten.

Die Gefahr des Verlustes des Ladens war seit langem erkennbar. Anfang Juli hatte die Gemeinde Leutenbach die Bürger zu einem Gespräch ins Rathaus geladen. Es galt, Möglichkeiten für den Laden und das Gebäude auszuloten. Ein potenzieller Kaufinteressent stellte sich dabei vor, der auch für einen Vermieter des Ladens warb. So wie der Interessent aus dem Nichts gekommen war, verschwand er auch wieder.

In einer zweiten Sitzung Mitte August nahm auch Toni Eckert vom Landratsamt Forchheim teil und wies auf mögliche unterstützende Lösungen hin. Es zeigte sich wieder: Der Wunsch der Bevölkerung zum Erhalt des Ladens war groß. Letztlich suchte man gemeinsam einen Investor und der war nicht zu finden.

Jetzt kauft Elisabeth Kraft aus Leutenbach noch einmal ein. "Wir sind einfach ganz traurig, dass dies heute der letzte Tag ist", sagt sie. Birgit Keiner aus Leutenbach geht nochmals nachdenklich durch den Laden. "Hier habe ich 14 wunderschöne Jahre verbracht. Wenn mich die Gertrud brauchte, war ich da", sagt sie. Jeder kannte die sympathische Mini-Jobberin an der Kasse.


Viele Schritte rückwärts

"Ja, hier war immer Bewegung", lacht Gertrud kurz auf. Jetzt gelte es nacheinander alles zu schließen. Post zurückführen, Zeitungen, Bäcker, Getränkelieferant und so weiter, wird sie wieder geschäftlich. Es sind viele Schritte rückwärts.

Vor dem Haus zeigt Gertrud Heidner auf das letzte Schild im Schaufenster. Dort bedankt sie sich ein letztes Mal "für die jahrelange Treue und das große Vertrauen in die Glosn" bei ihren treuen Kunden. Glosn, das war der Hausname, ein Begriff im Dorf. So nannte man schon den Gründer Johann Roth mit seinem "Kolonialladen und Metzgerei Roth", der in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand.


Seit 1968 dabei

1968 ist Gertrud dort in das Berufsleben eingestiegen, absolvierte eine Kaufmannslehre und eine Ausbildung als Metzgereifachverkäuferin. So gut vorbereitet übernahm sie 1990 das Geschäft ihres Onkels Johann Kraft. "Ganz lange war es für mich ein Hobby, heute ist es ein Luxus, den ich mir leiste", sagte sie vor kurzem.


Hoher Aufwand

Sie hat die 60 Jahre im Leben überschritten, zollte dem hohen Aufwand im Geschäft Tribut. "Alle Leute finden es toll, dass es hier einen Dorfladen gibt, wo man das, was man in großen Lebensmittelketten auswärts vergessen hat, noch einkaufen kann", sagte Gertrud Heidner in einem Interview vor einem Jahr. "Und nur vom Vergessenen können wir auf die Dauer nicht leben", stellte sie trocken fest. Auch darüber werden manche Einwohner jetzt nachdenken. Geschätzt wird etwas, wenn man es nicht mehr hat. Für den Dorfladen in Leutenbach wird es besonders zutreffen. Er war eine Art kleines Kommunikationszentrum. Man kaufte ein, traf diesen und jenen Bekannten zufällig für ein kleines Gespräch. Ein Herzstück eines intakten Dorflebens geht verloren. Gertrud Heidners Blick schweift vom Hauseingang über den Dorfweiher hinweg hinauf zum Walberla. So wie sie es so oft getan hat. Ein Gefühl von Traurigkeit steht in ihren Augen. Sie dreht ein letztes Mal den Schlüssel im Schloss um. Der Dorfladen von Leutenbach, die Glosn, ist Geschichte.