Druckartikel: Dokumentation der Arbeitszeiten "ist ein Desaster"

Dokumentation der Arbeitszeiten "ist ein Desaster"


Autor: Peter Groscurth

Forchheim, Samstag, 28. Februar 2015

Seit 60 Tagen müssen Arbeitgeber den Beginn, Pausen und Ende des Arbeitstages ihrer Mitarbeiter genau aufzeichnen. Dies ist ein Bürokratie-Monster, sagen die Betroffenen. Für die Gewerkschaft ist es eine notwendige Pflicht. Das gilt auch für die Region rund um Forchheim.
Der Unternehmer und Kreishandwerksmeister Werner Oppel ist genervt. Wegen neuer Bestimmungen des Mindestlohn-Gesetzes klagt er über viel mehr Bürokratie bei der Verwaltung seines Betriebs mit zwölf Angestellten. Foto: Peter Groscurth


Der Mindestlohn gilt gerade mal seit zwei Monaten, aber die Aufregung um das Gesetz der Großen Koalition nimmt kein Ende. Das gilt auch für die Region rund um Forchheim.

Aber warum ist das so? Im Heizungs- und Sanitär-Betrieb von Kreishandwerksmeister Werner Oppel lief das Geschäft viele Jahre reibungslos wie ein Schweizer Uhrwerk. Niemand beschwerte sich - nicht einmal der Chef hatte Grund dazu. Doch seit 1. Januar hat sich anscheinend die früher so simple Welt für Oppel verändert.

Denn der Mindestlohn mache ihm nun zu schaffen, klagt der Unternehmer. Doch nicht etwa die Bezahlung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde. "Das bekommen meine Mitarbeiter schon seit langem", hebt er hervor. Nein, den Handwerker nervt die sogenannte Dokumentationspflicht der Arbeitsstunden seiner zwölf Angestellten.


Viel Zeit im Büro


Die schreibt nämlich zwingend vor, jede einzelne geleistete Arbeitsstunde aufzuzeichnen. "Nun sind wir Arbeitgeber für diese Aufzeichnungen verantwortlich und nicht mehr unsere Mitarbeiter. Beginn, Pausen und Ende des Arbeitstages der Beschäftigten müssen wir festhalten. Das kostet enorm viel Zeit und ich muss im Büro eine Schreibkraft dafür abstellen", erklärt der Unternehmer.

Für ihn sei das Gesetz "nicht praxisgerecht und hat nichts mit Bürokratie-Abbau zu tun". Oppel schüttelt den Kopf und meint: "Diese ganze Dokumentation ist ein Desaster und ein Verwaltungsmoloch ohne Nutzen."

Er fordert, dass Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten von dieser Pflicht ausgenommen werden. "So kann es auf jeden Fall nicht bleiben", sagt er weiter. Und er ist sich sicher, dass auch die anderen 6000 Betriebe der Handwerkskammer im Kreis Forchheim ähnlich unter dem Mindestlohn-Gesetz leiden.


Es läuft aus dem Ruder


Unterstützung bekommen die Unternehmer aus der Politik: "Die Bürokratie-Lasten zur Dokumentation des Mindestlohns laufen aus dem Ruder. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen stellen die umfangreichen Erfassungsvorschriften eine massive Belastung dar", sagt Benedikt Graf Bentzel, Chef der Mittelstands-Union (MU) der CSU Forchheim, und fordert: "Das Mindestlohngesetz muss dringend korrigiert werden, um unsere Mittelständler vor ausufernder Bürokratie zu schützen. Wir erwarten von den Bundestagsabgeordneten unserer Region, dass sie für eine rasche Überarbeitung des Mindestlohngesetzes eintreten."


Die Mini-Jobs


Deshalb möchte die MU Forchheim die Dokumentationspflichten für Beschäftigte mit höheren Monatsgehältern am liebsten ganz streichen. Außerdem sollen Mini-Jobs, bei denen Lohn und Arbeitszeiten in einem Vertrag festgeschrieben sind, komplett von den Dokumentationspflichten befreit werden.

Die Forderungen stoßen beim Deutschen Gewerkschafts-Bund (DGB) aber auf taube Ohren. Marietta Eder, Regionalsekretärin des DGB in Bamberg, erklärt: "Der Mindestlohn bemisst sich eben nach der Arbeitszeit. Daher habe ich für die Kritik am angeblichen Bürokratie-Monster Dokumentation kein Verständnis."

Die Gewerkschafterin hält den Aufwand für die Aufzeichnung der Arbeitszeiten in den Betrieben für überschaubar. "Diese Pflicht muss bleiben. Schließlich müssen Betriebe auch Inventuren machen und niemand beschwert sich darüber", urteilt sie.

Wie geht es nun weiter? Die hohe Politik in Berlin hat wohl den Ärger aus den Betrieben mitbekommen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte dazu, sie halte den bürokratischen Aufwand in Sachen Mindestlohn für "überschaubar". Erfasst werden müssten nur Anfang, Dauer und Ende der Arbeitszeit. Im Zuge der angekündigten Überprüfung des Gesetzes habe sie bereits "Arbeitgeber und Gewerkschaften bestimmter Branchen sowie Verbandsvertreter" zu Gesprächen eingeladen.


Lösung über Verdienstgrenze?


Fakt ist: Unternehmer und Gewerkschafter aus der Region bleiben bei der Beurteilung des Mindestlohnes auch weiter Lichtjahre voneinander entfernt. Und eine Vereinfachung der Bestimmungen ist vorerst nicht in Sicht. Obwohl es eine Lösung geben könnte: Die Verdienstgrenze für die Dokumentationspflicht liegt recht hoch bei etwa 3000 Euro brutto im Monat. Die könnte der Gesetzgeber senken - und zwar auf einen Lohn zwischen 1500 (8,50 Euro in Vollzeit ergibt nämlich 1500 Euro brutto/Monat) und 3000 Euro. Dann müssten laut Experten auch weniger Mitarbeiter erfasst werden.