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Diskussionen über Islam auf Poetenfest in Erlangen


Autor: Rudolf Görtler

Erlangen, Sonntag, 30. August 2015

Sehr gut besucht war wieder das Literaturfestival in Erlangen. Neben den Autorenpor-träts und Lesungen beeindruckten beim Poetenfest besonders zwei Diskussionsrunden zum Islam.
Anhänger des islamistischen Predigers Pierre Vogel jubeln ihrem Idol zu. Bilder wie diese beunruhigen die europäische Gesellschaft. Darüber wurde auch beim Poetenfest in Erlangen gesprochen.  Foto: Boris Roessler/dpa


Draußen ging es friedlich und entspannt zu wie immer, drinnen kam Entsetzliches und Furchteinflößendes zur Sprache: Zwei Diskussionsrunden kreisten am Samstag bei diesem 35. Erlanger Poetenfest um die Themen Islam und Islamismus, um Toleranz und Meinungsfreiheit und die richtige Auslegung des Korans.

Es waren zwei produktive Runden, die in den Medien ständig zu hörende Klischees weitgehend mieden und sich nüchtern mit den Phänomenen beschäftigten, die spätestens seit den Attentaten vom 11. September 2001 die Welt bewegen.


"Beleidigung des Publikums"

Wohltuend war auch, dass etwa Alexander Kissler, liberalkonservativer Journalist, bekennender Katholik und Verfasser einer Streitschrift ("Keine Toleranz den Intoleranten") das nach jedem Attentat heruntergebetete Mantra "Das hat nichts mit dem Islam zu tun" als eine "Beleidigung des Publikums" einordnete. Denn die Terroristen beziehen sich explizit auf den Islam, sehen sich als die wahren, richtigen Muslime.

Dem stimmten auch Kisslers Mitdiskutanten auf dem Podium, die Soziologin Ulrike Ackermann und der Feuilleton-Chef der "Zeit", Jens Jessen, unter der klugen Moderation Florian Felix Weyhs zu. Kissler pointierte seine Aussage noch: Von Politikern verabreichte "Beruhigungspillen" seien das in einer "Teddy-Republik", die radikale Gegnerschaft nicht mehr gewohnt sei. Und ein Einknicken "vor denen, die am lautesten schreien". Worauf das Publikum im dicht besetzten Markgrafentheater heftig applaudierte.

Die liberale Ulrike Ackermann (John-Stuart-Mill-Institut für Freiheitsforschung) erinnerte an den langen Freiheitskampf der westlichen Aufklärung, die sich eben von religiösen Fesseln befreite. Der Islam, so Ackermann, sei "eine Unterwerfungsreligion, die das Individuum nicht schätzt". Und: Religionen müssten auch sehr radikale Kritik aushalten. Die Runde war ja auch überschrieben mit "Toleranz ist mehr als Duldung. Charlie Hebdo und die Folgen".

Eher ausgleichend, man könnte sagen im typisch behäbigen Stil der "Zeit", argumentierte deren Feuilleton-Chef Jens Jessen. Er plädierte für eine "souveräne und gelassene Haltung" dem Islam gegenüber. Minderheiten solle man nicht ohne Not provozieren, die Meinungsfreiheit nicht überreizen. Jedoch war auch für Jessen das Kopftuch ein Signal für die Unterordnung der Frau im Islam. Die Diskutanten einigten sich auf ein "nicht verhandelbares" Axiom - dass Toleranz als Pluralität der Lebensstile definiert werden könne.

Sollte Deutschland ein rigide laizistischer Staat ohne Kreuze in öffentlichen Räumen werden? Kissler wäre das nicht recht. Man solle das Herkommen ehren, aber alles Neue prüfen. Für ihn sind islamistische Attentate nicht Ausdruck eines Religionskonflikts, sondern Kriegsansagen. Ein "Suren-Ping-Pong" zur richtigen Koran-Exegese sei daher sinnlos.


Bedrohliche Prognosen

Dem schloss sich eine zweite Runde im Grundsatz an. "Den Koran lesen. Über Gewalt und Islam" diskutierten in der Orangerie der Islamwissenschaftler Hartmut Bobzin, maßgeblicher Koran-Übersetzer, der Bamberger Islamistik-Professor Patrick Franke und der langjährige ARD-Korrespondent Samuel Schirmbeck; Wilfried F. Schoeller moderierte. Hier flogen schon eher die Fetzen.

Denn Schirmbeck, der zehn Jahre in Algerien gearbeitet hatte, polemisierte gegen die heilige Schrift des Islam, die den "verstocktesten, fundamentalistischsten Ichs" die Rechtfertigung liefere.

Was dem feinsinnigen Bobzin naturgemäß zu weit ging. Franke räumte ein, dass im Koran eine Anzahl von Texten zu Gewalt aufrufen. Man müsse den "mekkanischen" vom "medinischen" Koran trennen. Der sei vor dem Hintergrund der Kriege im siebten Jahrhundert zu interpretieren. Die Runde konnte sich einigen, dass aus dem Text eine ethische Essenz zu ziehen sei. Zweifellos ein konsensfähiger Schluss.

Doch angesichts bedrohlicher Prognosen, dass Attentate hierzulande nur eine Frage der Zeit seien, genoss man das friedliche Treiben im Erlanger Schlosspark nur noch mit leichtem Gruseln.

Es war wieder ein schönes Poetenfest, mit vielen Lesungen, mit Porträts von Alice Schwarzer, Sibylle Lewitscharoff und Robert Menasse, mit der Verleihung eines Übersetzerpreises. Literatur heischt per se Toleranz und Meinungsfreiheit - die Fatwa gegen Salman Rushdie ist ein übles Beispiel, was religiöser Fanatismus anrichten kann.