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Die vielen Bedeutungen des 1. Mai


Autor: Reinhard Löwisch

Waischenfeld, Freitag, 28. April 2017

Mit dem ersten Tag im Mai sind viele Traditionen und Mythen verbunden. Für ihre Propaganda missbrauchten die Nationalsozialisten diesen Tag.
Der Mai-Umzug in Waischenfeld führte durch die Hauptstraße. Das Bild zeigt Vertreter des Müllerhandwerks. Repro: Reinhard Löwisch


Der Monat Mai gehört zu den bedeutendsten Monaten im Jahreslauf. Schon vor über 1200 Jahren war man sich dieser Erkenntnis bewusst und verlegte deshalb große fränkische Reichsversammlungen auf den Mai.
Karl der Große führte im 8. Jahrhundert den Namen "Wonnemond" ein, der darauf hinweist, dass man im Mai das Vieh wieder auf die Weide treiben konnte. Im 13. Jahrhundert kamen laut Wikipedia festliche Aufzüge (Mairitte) dazu, wobei Zweige und Bäumchen, vor allem aber Birken aufgereiht wurden.

Daraus entwickelte sich eine Fülle von Bräuchen: das Aufstellen des Maibaums zum Beispiel oder die Maibäumchen an den Häusern zu Fronleichnam. Auch die Bräuche in der Walpurgisnacht vor dem 1. Mai führt man darauf zurück. Die Kirche feiert den Mai zu Ehren der heiligen Maria - daher auch der Brauch der Maiandachten. Und die Arbeiterbewegung würdigte den 1. Mai erstmals 1890 als sozialistischen Feiertag. Seit 1945 heißt er schlicht "Tag der Arbeit" und wird von den Gewerkschaften für Massenkundgebungen in vielen deutschen Städten genutzt.
Von besonderer Bedeutung war der 1. Mai während der Naziherrschaft. 1933 als "Tag der nationalen Arbeit" ins Leben gerufen, stand er unter dem Motto: "Der Führer rief und alle kamen."


Abendliches Burgfeuer

Damit wollte die Nazidiktatur den Zusammenhalt des deutschen Volkes fördern und dies auch aller Welt vor Augen führen. Einer dieser denkwürdigen und groß in Szene gesetzten Umzüge fand am 1. Mai 1934 in Waischenfeld statt.

Der Wiesentbote widmete dieser Veranstaltung eine halbe Seite und dokumentierte damit ein Fest, welches nach gleichem Muster überall in der Fränkischen Schweiz stattfand. Schon am Walburgistag, der Nacht vor dem 1. Mai, herrschte demnach heftiges Treiben im Ort. Die Kinder mussten Holz für das abendliche Bergfeuer zusammentragen, die Straßen wurden gekehrt, Männer holten den höchsten Baum, den sie fanden, aus dem Wald.
"Freude und Jubel überall", tönte der Wiesentbote, als abends um acht das Feuer entfacht wurde, und markige Sprüche und Lieder über das Tal hallten. "Wie in Ost und West, in Süd und Nord Bergfeuer erglühen, so soll die Jugend geeint und treu hinter dem Führer stehen", war der Wahlspruch der Nazis an diesem Abend. Der 1. Mai begann um sechs Uhr mit dem Weckruf, den man damals mit dem französischen Wort "Tagreveille" nannte. Um 8 Uhr marschierten alle Waischenfelder Vereine mit ihren Fahnenabordnungen in die Pfarrkirche zum Festgottesdienst; dabei zu sein war Pflicht. Nach der Messe trafen sich alle auf dem Marktplatz - er hieß damals Hans-Schemm-Platz - zur Übertragung der Ansprache Hitlers.

Höhepunkt war der große Umzug, an dem sich der gesamte Ort beteiligen musste; darauf achtete auch der Stadtrat, der seinerzeit schon durchwegs aus NSDAP-Mitgliedern bestand.


Schüler mit Fahnen

Der Umzug begann um 14 Uhr: "Ein Ereignis, wie Waischenfeld noch keines vorher erlebt hatte", schrieb dazu die Lokalzeitung. Den Anfang bildete die Schuljugend mit Hakenkreuzfähnchen, die Landschule trug außerdem noch Stäbchen mit Blumen und bunten Bändern geschmückt.

Zwei riesige Maikränze gab es auch. Jetzt folgte das ehrsame Handwerk mit Meistern, Gesellen und Lehrlingen. Die Bäcker und Konditoren schritten im Schatten ihrer aus dem Jahr 1740 stammenden Zunftfahne. Büttner mit ihren althistorischen Büttnerstäben, Schneider mit einer symbolischen Tafel aus der Zeit des Mittelalters und wohlbeleibte Metzger mit einer 17 Zentner schweren Kuh folgten. Wirte mit ihren Braumeistern und Fässer auf eigenen Wagen, unterwegs eigenen Gerstensaft verteilend, gefolgt von Schlosser, Häfner, Flaschner, Installateure und Schmiede mit typischen Werkzeugen.

Dann kamen Schuhmacher, Bauhandwerker, Maler, Schreiner und Sattler auf eigenem Wagen, kurz es fehlte kein Handwerk, das es in Waischenrfeld gab, sogar der Briefträger tat Dienst. Im Anschluss trafen sich alle im Heckelsaal, wo der Bürgermeister eine Rede hielt. Der Rede schloss sich ein Tanz an.
"Alles in allem", so der Wiesentbote weiter, "muss man den 1. Mai in Waischenfeld erlebt haben, dann konnte man fühlen, dass die Zeit des wiedererwachten Lebens gekommen ist."