Druckartikel: Die nie verwirklichte Gedenk-Skizze

Die nie verwirklichte Gedenk-Skizze


Autor: Ekkehard Roepert

Forchheim, Donnerstag, 08. November 2012

Der Neunkirchner Künstler Felix Müller wollte in den 70er Jahren ein Bronzerelief für den Forchheimer Synagogenplatz gestalten. Doch er stieß auf Ablehnung.
Peter Lichtenberger zeigt  die Kohlezeichnung "9. November 1938". Der Neunkirchner    Künstler  Felix Müller  hatte sie     1980  als Vorentwurf für ein Bronzerelief     skizziert.   Es sollte als Gedenk-Relief   auf dem ehemaligen Forchheimer Synagogengelände stehen. Foto: Roepert


Die Skizze liegt noch heute im Archiv des Felix-Müller Museums. Peter Lichtenberger, der Leiter des Neunkirchner Museums, öffnet die untere Schublade eines Stahlschrankes und zieht die Kohlezeichnung heraus. Sie zeigt den von Flammen eingefassten Kopf des Propheten Jeremias über zwei Gesetzestafeln und einer gestürzten Menora. Der 1997 gestorbene Müller hatte die Zeichnung 1974 gefertigt und 1980 überarbeitet; sie war der Vorentwurf für ein Bronzerelief, das auf dem Synagogen-Platz stehen sollte.

Seit Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) im Sommer bekannt gab, dass er auf dem ehemaligen Synagogengelände ein privates Wohnhaus bauen will, nahm die Diskussion um das Gedenken auf dem Areal in der Wiesentstraße kein Ende.
Die Geschichte von Felix Müllers Relief-Skizze zeigt, dass diese Auseinandersetzung um ein würdiges Gedenken nicht neu ist.

Die Forchheimer Lehrerin Uta Kagermeier hatte sich 1984 in ihrer Zulassungsarbeit mit dem Werk von Felix Müller beschäftigt. Sie weist auf den Entwurf "für die am 9. November 1938 gesprengte Synagoge in Forchheim" hin: Das Mahnmal sei "zur Ausführung in Bronze bestimmt" gewesen, "fand aber bei der Stadt Forchheim aus unverständlichen Gründen keine Beachtung", schreibt Kagermeier.

Felix Müller reagierte bitter auf die Missachtung seiner Gestaltungsvorschläge. Das zeigt der Briefwechsel mit seinem Freund, dem Forchheimer VHS-Mitbegründer und Schulleiter August Schaduz.

Denn der Entwurf für das Gedenkrelief war nicht die einzige Arbeit, mit der Müller in Forchheim scheiterte. Er hatte zudem an Entwürfen für zwei Brunnen, für Kunstwerke an Schulen und an den beiden Toren für die Friedhöfe gearbeitet. Schon am 11. März 1975 schrieb Müller an Schaduz, dass er "Monat für Monat an den Arbeiten gefeilt" habe . Doch dann war wohl einer seiner Fürsprecher bei der Stadt, ein gewisser "Amtmann" gestorben. "Da wurden viele schöne Gedanken begraben", bedauert Müller und schreibt weiter: "Der Judenstein mit Jeremias und Hiob! Eigentlich gut, dass er nicht entstand, dann brauchen sie denselben nicht beschmieren, denn das hätten sie bestimmt getan."

Politische Diskussion blieb aus

Am 5. November 1978 klagt Müller in einem Brief an Schaduz erneut über das Scheitern einer Reihe von Projekten: "Schade für die schöne Zeit, die verloren ging. Ich bin ganz einfach verbittert. Welche Intrigen doch da waren, noch sind."
Gleichwohl wagte Felix Müller 1980 einen erneuten Anlauf, sein Gedenkrelief zum 9. November 1938 zu verwirklichen. "Der Entwurf für die `Kristallnacht` ist abgeliefert", schreibt Müller an seinen Freund Schaduz am 24. November 1980.
Der Journalist Toni Völkel berichtete damals auch über den Entwurf. Aber, sagt der Nürnberger heute im Rückblick auf den Herbst der 80er Jahre: Zu einer politischen Auseinandersetzung im Stadtrat sei es wegen dieses Themas nicht gekommen.

Auch der damalige Stadtplaner Werner Post, ein ehemaliger Freund (und bis heute Bewunderer) von Felix Müller bestätigt das. Er könne sich nicht erinnern, sagt der 87-Jährige, dass die Diskussion über die Müller-Kunst öffentlich ausgetragen worden sei.

Felix Müller hat seinen Kampf um das Forchheimer Gedenkrelief schließlich aufgegeben. Wohl auch deshalb, weil ihn die zeitgleiche Auseinandersetzung um die Synagoge in Ermreuth plagte. Öffentlich zog er gegen den "erbärmlichen Zustand" der Synagoge ins Feld. Müller spricht von der "niedrigen Denkweise in Neunkirchen" und zieht ein radikales Resümee. An Schaduz schreibt er im November 1980: "Manche Leute vertragen nicht, dass man ihnen einen Spiegel vors Gesicht hält. Der Ungeist `braun` ist noch lange nicht tot."

Seinen Entwurf für das Bronzerelief "9. November 1938" hat Felix Müller seinem Freund August Schaduz geschenkt. Aus dessen Nachlass wanderte es in das Müller-Museum.

Ob es sinnvoll wäre, dass ein Künstler die Müller-Zeichnung aufgreift und das Relief doch noch verwirklicht? Das sei wohl nicht sinnvoll, sagt Museumsleiter Peter Lichtenberger: "Ein andere Künstler will ja nicht nur von Felix Müller abkupfern."
Die Chance auf das Gedenkrelief sei wohl vertan. Dass man aber eine Form des Gedenkens für den Forchheimer Synagogenplatz findet, "das wäre das Minimum", sagt Peter Lichtenberger. Wenn es eine Gedenktafel gäbe, sei auch eine Bebauung des Synagogen-Grundstückes denkbar, meint Lichtenberger: "Warum soll man es nicht bebauen. Etwas anderes wäre es, wenn es Gräber gäbe, es ist ja kein Friedhof."