Die Mistel bedroht unsere Wälder
Autor: Petra Malbrich
Neunkirchen am Brand, Donnerstag, 21. Sept. 2017
Die früher selten zu findende Mistel breitet sich immer weiter aus und schadet meist geschwächten Bäumen. Die trockenen Sommer verschärfen das Problem.
Um eine Mistel zu finden, musste man früher lange suchen. Heute dagegen nimmt die Mistel in einigen Regionen fast schon Überhand. "Das Mistelvorkommen hat deutlich zugenommen", sagt Daniel Schenk. Er ist Revierleiter des Forstreviers Neunkirchen am Brand. Gerade in Poxdorf, in Langensendelbach, in Hagenau, Kersbach, aber auch in Neunkirchen am Brand, hat er einen vermehrten Mistelbewuchs festgestellt. Selbst die Landesanstalt schickt sich an, über die Mistel, deren Verbreitung und auch über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren.
So schön die Mistel für Dekorationszwecke ist, lebt sie doch parasitär und leistet keinen wirklichen Beitrag. Bevor die Vogelschützer nun erschrocken ein Veto einlegen, betont auch Daniel Schenk die Bedeutung der Mistel für die Vogelwelt. Immerhin steht die klebrige weiße Beere den Vögeln auch im Winter als Nahrung zur Verfügung. Genau deshalb nahm die immense Verbreitung der Pflanze zuletzt wohl auch Fahrt auf. "Die Vögel fressen die Beeren und putzen dann ihren Schnabel am nächsten Zweig ab", sagt Schenk. Das Schnabelwetzen ist die Eintrittspforte des Samens.
Wer gewinnt: Kiefer oder Mistel?
In der Sekunde, in welcher dem Ast durch das Schnabelwetzen die leichte Verletzung zugefügt wurde, beginnt der Wettlauf mit der Zeit: Kiefer oder Mistel - nur einer kann gewinnen. Gelingt es der Kiefer, die Wunde schnell zu schließen? Oder schafft es der Mistelsamen vorher, in die Leitbahnen des Baumes einzudringen? Scheinbar behält die Mistel immer häufiger die Oberhand. Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen sind die Kiefern oft durch Schädlinge wie dem Diplodiapilz oder dem Kieferprachtkäfer schon geschwächt. Andererseits schlagen auch die zuletzt häufig heißen Sommer ins Kontor. "Die Kiefer fährt in der Trockenphase ihre Wasserversorgung herunter, drosselt ihren Verbrauch und Stoffwechsel. Der Mistel ist das egal. Sie zieht trotzdem Wasser und Nährstoffe heraus", erklärt der Forstrevierleiter. Die Mistel saugt die Kiefer im wahrsten Sinne des Wortes aus. "Der Baum hat keine Chance mehr, wenn die Hälfte der Kiefer aus Mistel besteht", sagt Schenk. Der Baum trocknet aus.
Nicht jede Mistel ist anfällig
Zugleich ist dies ein Hinweis, warum in den Wäldern die Mistel immer häufiger zu finden ist. "Es sind gestresste Kiefernbestände. Sie haben den Trockenstress. Dort besteht die Geländeschicht aus Ton. Im Sommer nimmt der Ton kein Wasser auf und gibt kaum Wasser ab", sagt Schenk. Durch die sommerlichen Temperaturen sei die Mistel in den Wohlfühlbereich gerutscht. In kälteren Gegenden wie den skandinavischen Ländern komme die Mistel hingegen nicht vor. "Außerdem ist Mistel nicht gleich Mistel", verrät der Forstrevierleiter. Mistelsamen von Laubgehölzen können nicht auf Kiefern übertragen werden - und umgekehrt auch nicht. Und es ist nicht jede Kiefer gleich anfällig. "Die Kiefern aus Darmstadt hat es besonders erwischt", verrät Schenk. Was tun? "Ein Vaterschaftstest im Wald würde nicht helfen", sagt Schenk. "Wir können nicht die genetische Ausstattung der Bäume austauschen", fügt Schenk an. Alle betroffenen Bäume wolle man auch nicht fällen. Zudem befindet sich viel Wald in Privatbesitz. Nun müssten eigentlich alle Waldbesitzer gleichzeitig in ihre Wälder gehen und den Bestand nach Misteln untersuchen. Daniel Schenk kann die Waldbesitzer nur dazu aufrufen, sich an ihn zu wenden. Er berät sie anschließend nur zu gerne, was sie gegen die Misteln tun können.