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Die Maschinen stehen auch in Forchheim still


Autor: Manfred Franze

Forchheim, Mittwoch, 01. Mai 2013

Die Weltwirtschaftskrise stürzt 1930 rund um Forchheim breite Bevölkerungsmassen in die Armut. Während viele andere Parteien ihre Machtlosigkeit einräumen, empfiehlt sich Adolf Hitler als Retter in der Not.
Ein Arbeiter der Firma Morgenstern im Jahr 1930. Auch die industrielle Produktion litt massiv unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise. Repro: Stadtarchiov Forchheim


Im Laufe des Jahres 1930 schwappte aus den USA die Wirtschaftskrise auf Deutschland über. Auslöser war der "schwarze Donnerstag" am 24. Oktober 1929 an der New Yorker Börse. Die Massenspekulation mit Aktien brach zusammen und löste eine weltweite Finanzkrise aus. Banken und Firmen gingen pleite, die Arbeitslosigkeit stieg von Tag zu Tag. Die sich drastisch verschärfende Wirtschaftslage begünstigte die nationalsozialistische Agitation. In jedem seiner Halbmonatsberichte führte im letzten Quartal 1930 der Vorstand des Forchheimer Bezirksamts Klage über die trostlose Situation in der Landwirtschaft. Ende September meldete er: "Die Stimmung der Bevölkerung ist bei dem Mangel an Absatz und den niedrigen Preisen für ihre Erzeugnisse unverändert gedrückt und gereizt."

In den umliegenden Dörfern beobachtete er eine zunehmende Politikverdrossenheit und Polarisierung: "auf der einen Seite dumpfe Resignation und Gleichgültigkeit, auf der anderen Seite erhöhter Lebensgenuß". Auf der dritten Seite aber "Stimmung für eine radikalere Politik, im Bezirke Forchheim allerdings erst in Richtung Nationalsozialismus, nicht dagegen des Kommunismus".

Flucht in Kredite

Ursache für den verheerenden Preisverfall in der Landwirtschaft war die weltweite Überproduktion insbesondere von Getreide.
Als Mitte der zwanziger Jahre die Schutzzölle aufgehoben wurden, konnte die deutsche Landwirtschaft mit der ausländischen Konkurrenz nicht mithalten. Gleichzeitig stiegen die Preise für die dringend notwendigen Investitionen an und zwangen viele Bauern zu Krediten. Deutlicher als der Forchheimer Bezirksamtsleiter kann man die Stimmungslage der Bauernschaft um 1930 nicht beschreiben. Für die "schreiende Ungerechtigkeit" wurde das "Weimarer System" verantwortlich gemacht, so wie es die Nationalsozialisten ständig in die Welt posaunten.

Das Institut für Konjunkturforschung bezifferte Ende 1930 die Gesamtverschuldung der deutschen Landwirtschaft mit 11,6 Milliarden Mark und die jährlichen Zinsverpflichtungen mit rund einer Milliarde Mark.
Noch dramatischer schilderte der Leiter des Ebermannstadter Bezirksamtes, Ferdinand Waller, wie sich in seinem Landkreis die Situation der Landwirtschaft verschlechterte. Im Oktober 1929 berichtete er: "Eine ungeheure Erregung besteht in der Landwirtschaft", weil die Bauern keine Gelegenheit finden, ihre Gerste selbst unter Marktpreis anzubringen.
Wie die Parteien darauf reagierten, zeigen Einladungen zu öffentlichen Volksversammlungen: Während die Bayerische Volkspartei (BVP) zusammen mit dem "Christlichen Bauernverein" über "Die Lage der Landwirtschaft" nur "sprechen" wollte, bot die NSDAP schon mit der Ankündigung "Der Bauer erwacht" aktives Handeln an. "Landvolk in Not", titelte ein NSDAP-Wahlplakat 1932, "wer hilft? - Adolf Hitler!"
Sachlich zutreffend erklärte in einer BVP-Versammlung der Landtagsabgeordnete Valentin Fröhlich die Ursache der Agrarkrise mit dem verlorenen Krieg und der weltweiten Überproduktion, konnte aber keine Lösung des Problems anbieten. "Man muß den Mut haben, den Menschen zu sagen, daß kein Mensch die Dinge meistern kann."
Die Resignation, mit der Fröhlich vor der Krise kapitulierte, stand diametral im Gegensatz zur Dynamik, mit der die NSDAP ihren Retter Hitler präsentierte.

Verheerende Auswirkungen

Die Landwirtschaft war nicht das einzige Sorgenkind in der ländlichen Region um Forchheim und der Fränkischen Schweiz. Ab Mitte 1928 traten auch in den anderen Sektoren des Arbeitsmarkts erste Störungen auf.
Die Spinnerei und die Weberei mussten wegen des nachlassenden Absatzes Kurzarbeit einführen. In den folgenden Monaten stieg die Arbeitslosenzahl weiter an, weil auch die Beschäftigung im Baugewerbe, in der Forchheimer Glasschleiferei und in der Ziegelei zurückging.
Ende des Jahres 1928 dehnte sich die Krise auf das Handwerk und das Gewerbe aus und erreichte nach dem Jahreswechsel auch den Handel. Auch in Forchheim mit seinen damals knapp 10 000 Einwohnern wirkte sich die Weltwirtschaftskrise verheerend aus. Von 1929 auf 1932 sanken die Steuereinnahmen der Stadtkasse von 504 000 auf 328 000 RM, während die Sozialausgaben im gleichen Zeitraum um 28 000 auf 179 000 RM anstiegen und damit über die Hälfte des Steueraufkommens verschlangen.

Notarbeit in der Lichteneiche

Mit Notstandsarbeiten konnten teilweise bis zu 50 Arbeitslose beschäftigt werden. In der Lichteneiche verlegten sie Kanal- und Wasserleitungen. Hier entstanden ab Herbst mit staatlicher Förderung die ersten sechs Doppelhäuser für Arbeitslose.
Pro Siedlerstelle gab es einen Zuschuss bis zu maximal 2500 RM unter der Auflage, dass in Eigenleistung 1200 Arbeitsstunden eingebracht wurden.

Im Herbst 1932 führte Forchheim für arbeitslose Jugendliche bis zu 25 Jahren den "Freiwilligen Arbeitsdienst" ein. Durch eine Notverordnung des Reichskanzlers Heinrich Brüning war das ab Mai 1931 möglich geworden. Bis zum Jahresende wurden 246 junge Leute beschäftigt, die unter Anleitung des Garten- und Grundstücksamtes unter anderem im Kellerwald eine Rodelbahn und Sportflächen im städtischen Freibad anlegten. Trotz dieser Maßnahmen mussten 1932 in Forchheim, wie Bürgermeister Strecker in seinem Jahresrückblick resümierte, "2637 Personen aus Mitteln der Stadt unterstützt werden".
Dem "Hilfsausschuss für die Volkswinterhilfe" war es zu verdanken, dass aus dem städtischen Haushalt für die im Waisenhaus eingerichteten "Volksküche" nur 1000 RM aufgebracht werden mussten.