Druckartikel: Die Furcht, jede Nacht 67 Mal geweckt zu werden

Die Furcht, jede Nacht 67 Mal geweckt zu werden


Autor: Ekkehard Roepert

Forchheim, Sonntag, 19. Januar 2014

Knapp 300 Bürger im Rathaussaal formulierten ihre Sorgen wegen der ICE-Ausbaustrecke in Forchheim.
OB Franz Stumpf (2.v.l.) spricht mit den DB-Planern vor dem Beginn der Bürgerversammlung im Forchheimer Rathaussaal. Fotos: Ronald Rinklef


Manche Bürger müssen vorübergehend auf ihre Garage verzichten, einige für immer auf ihren Garten; der eine klagt, weil er nie mehr die Morgensonne sehen wird, wenn sein Haus hinter einer fünf Meter hohen Schallschutzwand verschwindet; der andere fürchtet sich vor jenen Nächten, in denen donnernde Güterzüge ihm den Schlaf rauben.

Die Reihe der Sorgen und Polemiken, der Einwände, der Klagen und Misstrauensbekundungen schien am Freitag kein Ende zu nehmen. Die Bürgeranhörung zur ICE-Ausbaustrecke hatte annähernd 300 Menschen mobilisiert. Während der vierstündigen Anhörung im Rathaussaal meldeten sich rund 50 von ihnen zu Wort.


Chronisch überlastet

Die grundsätzliche Befürchtung, den Folgen des Streckenausbaus nicht gewachsen zu sein, klang immer wieder durch.

Denn das Eisenbahn-Netz zwischen Berlin und Palermo ist nicht nur "chronisch überlastet", wie DB-Planer Heiko Zarnack sagte; es kommt hinzu, dass Forchheim an einer der "höchstbelasteten Strecken Deutschlands" liegt.

Nun schon seit 1996 plant die Bahn an der Entlastung der Strecke. Zwei zusätzliche Gleise sollen gebaut werden; doch in Forchheim scheint kaum jemand einen Gewinn in diesem Ausbau zu sehen. Zwar wird ein moderner Bahnhof entstehen; und einige Straßenzüge profitieren auch vom Schallschutz. Doch das Gros der Bürger äußerte am Freitag Skepsis und Unmut. Etwa darüber, dass künftig die Expresszüge mit 230 Stundenkilometern durch Forchheim rasen.

Heiko Zarnack (Planer), Kirk Smith (Projektingenieur), Alfons Plenter (Projekt-Abschnittsleiter) und Hans Högg (Experte für Lärmschutz) begegneten auch den vorwurfsvollen Fragen im Rathaussaal mit Geduld. Wobei Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) betonte, dass die Einwände dieses Abends - wenn überhaupt - nur dann beantwortet würden, wenn sie im Feststellungsverfahren auch "schriftlich fixiert worden sind". Die meisten Einwände bezogen sich auf die Themen "Erschütterung" und "Lärm". So wunderte sich etwa Stefan Kropp aus der Jean-Paul-Straße, dass die vier Meter hohe Schutzwand vor seinem Haus "gerade mal bis zum ersten Stock reicht". Um auch das Dachgeschoss zu schützen, "wäre eine zehn Meter hohe Wand nötig".

Erika Schwedes mokierte sich über die widersprüchlichen Zahlen im Grunderwerbsverzeichnis; zudem forderte sie die Bahn auf, einen Baustellen-Plan zu veröffentlichen, "damit die Forchheimer wissen, wo Fahrzeuge rumfahren." Frank Polster aus dem Augraben wies auf die Prognosen für die Erschütterungen hin und hinterfragte die Verlässlichkeit der Messungen. Und Robert Scholz (ebenfalls aus dem Augraben) prangerte die künftige Lärmlast von 400 Zügen innerhalb von 24 Stunden an. "67 Güterzüge pro Nacht, das bedeutet 67 klare Schall-Ereignisse - das ist das, was einen aufweckt."


Die Sonne geht früher unter

Emmerich Huber aus Burk war in den Rathaussaal gekommen, um seine Erfahrungen mit dem ICE-Ausbau mitzuteilen, die er in München gesammelt hatte, bevor er nach Forchheim gezogen war. Der Lärmschutz bewirke tatsächlich, dass es leiser werde an der Strecke - "aber die Sonne geht eine Stunde früher unter." Außerdem betonte Huber, dass sein Haus, 23 Meter vom Gleis entfernt gelegen, nach dem Streckenausbau "wesentlich stärker von Erschütterungen betroffen war". Emmerich Huber versuchte die DB-Experten im Rathaussaal "darauf festzulegen", dass die sogenannte "Schwellen-Besohlung" nicht nur geplant, sonder auch gebaut werde.

Doch es war nicht der Abend der Festlegungen, sondern der Abend der Anhörung. Von Hansotto Neubauer mussten sich die DB-Planer (aber auch OB Franz Stumpf) Kritik anhören, weil im Vorfeld "keine Formulierungshilfe" geleistet worden sei. "Diese komplexe Geschichte in kürzester Zeit abzuhandeln ist für den einzelnen Bürger unmöglich." Unter dem Beifall der Bürger dankte Neubauer der Bürgerinitiative (BI) Zapfendorf. Die habe in monatelanger Arbeit "ganze Argumentationsketten samt juristischer Folgerungen" zusammengestellt. Dieses Wissen könne nun von den Forchheimer Bürgern genutzt werden. Auch die BI Kersbach, so der Hinweis ihres Sprechers Rainer Thieme, leiste Argumentationshilfe.