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Die alte Karussellorgel erklingt wieder


Autor: Petra Malbrich

Gräfenberg, Dienstag, 02. August 2016

Das zweistöckige Karussell der Schaustellerdynastie Müller war in Gräfenberg legendär. Jetzt kehrt zumindest die Orgel des Fahrgeschäfts zurück.
Die schön restaurierte Karussellorgel wird an der Gräfenberger Kerwa ertönen. Foto: privat


"Es war einmalig, da man in den ersten Stock hinaufgehen konnte", erinnert sich Heidi Fiedler. Auch die Musik, die aus der Orgel, um die sich das Karussell drehte, erschallte, klingt noch jedem in den Ohren. "Die Musik war für mich das Ein und Alles. Ich kannte alle Lieder auswendig und habe sie abends im Bett gesungen", sagt Ingeborg Albig. Auch an das kleine Männchen aus Holz, das neben der Orgel auf seine Holztrommel schlug, erinnert sich die Gräfenbergerin.


Flieger, Schiffe und Ballons

Kirchweih in Gräfenberg war schöner als Weihnachten. Manche Kinder halfen, um Freikarten für das Karussell zu erhalten. Das war im Durchmesser so groß wie ein Einfamilienhaus und über Generationen hinweg die Attraktion der Schaustellerfamilie Müller schlechthin.
"Im oberen Stockwerk waren Flieger, die nach außen ausgeschwenkt sind, Schiffe, die gewippt haben und zwei Fesselballons, in deren ringförmigen Korb man saß. Der Korb konnte durch eine Drehkurbel extra gedreht werden", erinnert sich Georg Müller, Spross der Karussell-Müller-Dynastie. Im Parterre saß man auf den Holzpferden, in den Kutschen und als Modernisierung auch in einem Feuerwehrauto oder in einer Straßenbahn, wie sich Müller aus Langensendelbach noch erinnert.

Auf großen Volksfesten war das Karussell nie im Einsatz. Aber regelmäßig in Gräfenberg und in Neunkirchen. In Ebermannstadt hatte es zur Kirchweih im Oktober manchmal schon geschneit, weshalb sich das Karussell dort eher seltener drehte. "Es gehört Sommerwetter dazu", sagt Müller. Im Winter war das große einmalige Fahrgeschäft im Anwesen in Zirndorf untergebracht. Die Holzpferde wurden dann lackiert, die Farben ausgebessert.

1955 war das Karussell dann zum letzten Mal im Betrieb. In der Saison spielte die Orgel nochmal an allen Orten. Gründe zum Aufhören gab es mehrere. Zum einen begann damals die Zeit des Wirtschaftswunders, und es war schwierig, zuverlässige Arbeiter zu finden. Schließlich musste von Ort zu Ort gezogen und immer am Wochenende gearbeitet werden. Für den Betrieb und den Auf- und Abbau des mehrere Tonnen schweren Karussells braucht man aber zwei Vollzeitarbeitskräfte.

Georg Müllers Vater zermürbte sowohl dies, aber auch die Tatsache, dass sein Sohn Georg nur in den Ferien dabei war. Da er das Gymnasium besuchte, waren er und seine Schwester Elisabeth in einem Internat untergebracht. Die zunehmende Konkurrenz durch Autoscooter und modernere Fahrgeschäfte bestärkten die Überlegungen, den 1865 durch Heinrich Müller gegründeten Betrieb aufzugeben. Zwar kamen die Müllers nie mit dem Karussell alleine zu einer Kirchweih, sondern hatten zusätzlich immer eine Schießbude und eine Losbude dabei, doch Georg Müller, der nach seinem Großvater benannt wurde, sollte einen anderen Beruf erlernen und der seit Generationen bestehende Schaustellerbetrieb enden.


Nur die Orgel blieb

Leonhard Müller verkaufte die Holzpferde und die anderen Fahrgelegenheiten. Die Orgel aber konnte dessen Sohn Georg bewahren. Auf der Suche nach einer Unterbringung erhielt er unter anderem aus dem Nationalmuseum Absagen. Einer Initiative aus Stein gelang dann die Unterbringung im dortigen Rathaus und dann im Heimatmuseum.

Der Ausflug der Karussellorgel zur Gräfenberger Kirchweih ist nun der erste seit vielen Jahrzehnten. Damit aber alles detailgetreu ist und die Orgel auch die Lieder aus der damaligen Zeit spielen kann, ließ der Langensendelbacher Georg Müller diese Musikstücke in Waldkirch im Breisgau anfertigen. Nur wenige Firmen stellen diese Musikstücke, Kartonnoten, in die Löcher eingestanzt sind, noch her. 6000 Euro investierte er und die Familie Udo Richter, Sohn der ehemaligen Metzgerei am Gräfenberger Marktplatz, dafür. Udo Richter gehört neben der Familie Albig oder der Familie Krämer zu den Hauptsponsoren für das Kirchweihevent.


Geschützt in einem Zelt

Der Anlass dafür sind aber 125 Jahre Schaustellerfamilie Müller. Und da Georg Müller und dessen Schwester nur in den Ferien mit der Familie auf Kirchweih unterwegs waren, führte deren Weg immer nach Gräfenberg.
Ein Ereignis wird der Transport und der Aufbau der Karussellorgel auch dieses Mal. "Wenn die Wagen vom Bahnhof zum Marktplatz gezogen sind, liefen alle Kinder hinterher", weiß Albig, die es eine sehr schöne Idee findet, das wieder aufleben zu lassen. Während der Kirchweih wird die Orgel durch ein Zelt vor Wind und Wetter geschützt und von einem Wachpersonal beaufsichtigt.
Zur Kirchweiheröffnung am Freitag, 5. August, erklingt die Orgel zum ersten Mal. Am Samstag und Sonntag sind immer um 14 Uhr, um 16 Uhr und um 18 Uhr Vorführungen des Instruments.