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Dicke Luft, die krank macht


Autor: Petra Malbrich

Neunkirchen am Brand, Mittwoch, 25. Oktober 2017

Ein Verein der Region kümmert sich um die wachsende Zahl von Menschen, die an Umwelterkrankungen leiden. Vorsitzende ist Monika Frielinghaus.


Die Umweltverschmutzung trägt weltweit zu jedem sechsten Todesfall bei. Laut einer internationalen Studie verursachten im Jahr 2015 Belastungen in Luft, Wasser und Boden ungefähr neun Millionen vorzeitige Todesfälle durch Schlaganfälle, Herzerkrankungen und Lungenleiden. Hilfe für Menschen, die umweltbedingt erkrankt sind, bietet der Verein zur Hilfe für umweltbedingt Erkrankte e.V. (VHUE) in Spardorf (Kreis Erlangen-Höchstadt). Zu den wöchentlichen Treffen fahren Betroffene oft hundert Kilometer, um Informationen und Tipps zum Schutz zu erhalten. Von der Politik sehen sich die Betroffenen alleine gelassen. Eine von ihnen ist die Mitbegründerin des Vereins, die jetzt in Spardorf lebende frühere Neunkirchenerin Monika Frielinghaus. Gegründet wurde VHUE von Betroffenen und Ärzten 2005 in München.

Welche Umwelterkrankungen gibt es?
Monika Frielinghaus: Umweltkrankheiten gibt es viele. Das heißt, fast alle chronischen Erkrankungen sind Umwelterkrankungen, denn diese wird man beispielsweise in Afrika nicht finden. Was neu ist, ist die MCS (multiple Chemikaliensensibilität), an der seit 1980 immer mehr erkranken, die CFS (Chronic Fatigue Syndrome, das chronische Erschöpfungssyndrom), aber auch die Fibromyalgie (bedeutet soviel wie Faser-Muskel-Schmerz). Ganz neu ist das verstärkte Auftreten des Mastzellsyndroms. Das kann nicht nur die Haut, auch die inneren Organe betreffen. Die Ursachen dieser Krankheiten werden vielfach diskutiert, doch kommen eben immer viele Faktoren zusammen, die der Mensch dann nicht mehr kompensieren kann.

Nun hat erst kürzlich der BASF Skandal, bei dem zu viel Dichlorbezol für die Herstellung des Kunststoffgrundprodukts verwendet wurde, für Aufregung gesorgt. Das Dichlorbezol reizt Haut und Atemwege. Sind solche Versehen die Ursachen für diese Erkrankungen?
Wir haben viele Substanzen im unteren Bereich, die schädigen. Alleine wenn drei oder vier dieser Substanzen zusammenkommen, wird es so gefährlich, dass man es nicht mehr abschätzen kann. Zum Beispiel sind die MVOCs, das sind organische Verbindungen, die durch Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze gebildet werden, einzeln nicht schädlich. Sie können aber sehr toxisch werden, wenn mehrere zusammen treffen. Jedes Parfüm hat bis zu hundert chemische Verbindungen. Sieben Tonnen Quecksilber stoßen alleine die Kohlekraftwerke aus. Bei Millionen chemischer Verbindungen, dem Jp-8 Flugbenzin, dem jährlichen Quecksilber durch die Kohlekraftwerke, den ausufernd vielen Konservierungs- und sonstigen Zusatzstoffen, dem Glyphosat im Getreide und letztendlich auch durch den Mikrowellenterror ist es kein Wunder, wenn das System Mensch irgendwann zusammenbricht. Jeder Zweite bekommt Krebs.

Welche Symptome können Umwelterkrankte zeigen?
Bei der MCS sind es Duftstoffunverträglichkeit, alles, was mit Schimmelpilzen behaftet ist, wird nicht vertragen, Muskelrheuma (= Fibromyalgie), das Sick Building Syndrom (PCB oder/und MVOCs werden nicht mehr toleriert, außerdem alles, was mit Lösungsmitteln zu tun hat. Parfüm wird nicht vertragen - es können aber auch jede Menge anderer Stoffe sein wie Reinigungsmittel auf chemischer Basis oder auch Waschmittel wegen ihrer Duftzusätze. Diese Palette an Stoffen ließe sich beliebig ergänzen.

Wann haben Sie gewusst, dass Sie durch die Umweltbelastungen krank geworden sind?
Ich war Lehrstuhlsekretärin an der Universität in Erlangen und saß mit dem Arbeitsplatz vier Meter schräg unter dem Mobilfunkmasten der Universität. Bei einer Belastung von 60 000 Mikrowatt pro Quadratmeter und vielen Spar-Goldkronen im Mund nach einer Amalgamentfernung, war es soweit. Da ich die Metalle überhaupt nicht entgiften kann, hatte ich 2002 einen Zusammenbruch.

Wie kann sich der Mensch schützen oder helfen, wenn er überhaupt nicht weiß, welche Stoffe für ihn problematisch sind?
Schützen kann sich der Betroffene nur durch Karenz, durch das Vermeiden der problematischen Substanz. Diese muss man versuchen, herauszufinden. Wichtig wäre es, einen Nahrungsmittelunverträglichkeitstest zu machen. Das hat nichts mit Allergien zu tun. Bei Problemen mit Duftstoffen sind es oft Schimmelpilze, auf die man reagiert. Schimmelpilze sind in Wohnräumen, selbst wenn es keine Feuchtigkeit gibt. Ein Versuch mit Sporen in einer Petrischale und einem Handy in der Nähe zeigte, dass sich die Sporen innerhalb von zehn Minuten um den Faktor 600 vermehren. Ein anderes Beispiel ist die Zitronensäure. Sie ist nicht dasselbe wie der natürliche Zitronensaft. Zitronensäure ist ein E-Mittel, eine Chemikalie, die gentechnisch aus Schimmelpilzen hergestellt wurde. Was der Umweltkranke vermeiden muss, hängt von der Art der Schädigung ab.

Können Umweltkrankheiten vom Arzt diagnostiziert werden?
Umweltmediziner können diese Krankheiten diagnostizieren. Die Bundesregierung nennt 1,2 Prozent der niedergelassenen Ärzte, die eine umweltmedizinische Fortbildung haben. Umweltmedizin wird aber nicht von den Kassen bezahlt. Eine Stunde kostet 150 Euro bis 170 Euro.

Man kann sich aber auch mit anderen Betroffenen austauschen und wertvolle Tipps für das Überleben im Alltag haben. Wann trifft sich Ihr Verein?
Wir treffen uns jeden Donnerstag im Café Muskat in Erlangen von 16 Uhr bis 19 Uhr.