Der Papst-Franziskus-Effekt ist verpufft
Autor: Petra Malbrich
Kirchehrenbach, Freitag, 07. Oktober 2016
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Betroffen sind sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche.
Unwissenheit und die Kirchensteuer sind die meisten Gründe für einen Kirchenaustritt sowohl auf katholischer als auch auf protestantischer Seite. Doch eine Entwicklung wird unter den Teppich gekehrt: Es gibt fast genauso viele Kirchenwiedereintritte.
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Auch in der katholischen Kirche, zumindest in anderen Bistümern. "Mehrheit schafft nicht Wahrheit", betont Pfarrer Oliver Schütz, Pfarrer in Kirchehrenbach und Weilersbach. Die Kirchensteuer beispielsweise, die oft als Grund für die Kirchenaustritte auf katholischer und protestantischer Seite dient. Nach der Säkularisation, nachdem der Staat der Kirche die Eigentümer, das waren die Schulen, Altenheime, Krankenhäuser, beraubt oder enteignet hat, wurde als Wiedergutmachung die Kirchensteuer eingeführt. "140 Jahre müsste diese weiterlaufen, um annähernd zurückzubekommen, was der Staat genommen hat", erklärt Schütz.
Wiedergutmachung
Die Kirchensteuer sei ein Reparationssystem. Trotzdem heute jedes abrufbare historische Wissen im Internet nachgelesen werden könne, wissen die meisten Leute davon nichts, wundert sich der katholische Geistliche. An so manchem Gespräch erkenne man das. Die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber. Eine Sozialsteuer wie bei den Italienern wünscht sich Schütz deshalb. Die Leute könnten dann selbst entscheiden, ob sie Kirchen- oder Sozialsteuer zahlen. Dass sich die Menschen vor ihrer Verantwortung drücken und das Geld in den eigenen Geldbeutel stecken, missfällt ihm. "Ein Großteil weiß nicht, was die Kirche für den Staat und die Gesellschaft leistet", nennt Stark die Gesprächsinhalte mit Menschen über das Thema Kirche und Gründe, aus der Gemeinschaft auszutreten.
Die Kirche, ob Priester, Pastoralreferenten oder andere damit betraute Mitarbeiter, bemühen sich sehr, Wege und Möglichkeiten zu finden, den einzelnen Menschen in die Kirche zurück zu holen. Die vielen engagierten Menschen sind der Reichtum der Kirche, betont Schütz. Trotz Kirchenaustritte sehe die gesamte Realität anders aus und zeige eine zunehmend wachsende Kirche.
Der Schwerpunkt habe sich verschoben. Früher musste in Afrika und Südamerika christianisiert werden. Auch durch den Zusammenbruch des Kommunismus sei ein großer Hunger nach Freiheit, Religion und Konsum erwacht. Doch immer dort, wo der Mensch mehr Luxus haben könne, desto mehr würde Transzendenz in den Abgrund geschoben werden.
Da ist es nicht wichtig, ob es über dieses Sein eine andere Wirklichkeit gebe, die rational nicht erfasst werden könne. Es sind verschiedene Gründe, die einzelne bei ihrem Kirchenaustritt angeben. Der "Papst- Franziskus-Effekt" sei verpufft, wurde getitelt. Doch was ist der "Papst-Franziskus-Effekt" überhaupt? Das würden so manche Pfarrer selbst gerne wissen. Andere meinen damit, vor allem die Missbrauchsfälle in der Kirche, die schonungslos aufgedeckt werden sollten und der lockerere Umgang mit Geschiedenen beispielsweise. Während auf alle Bistümer bezogen die Zahl der Kirchenaustritte nach den Missbrauchsskandalen angestiegen und nach Papst Franziskus wieder leicht zurückgegangen ist, gab es hier sowohl in unmittelbarer Folge auf die Skandale als auch danach keine Veränderungen.
"Die Zahl der Austritte ist gleichbleibend wenig", sagt Pfarrer Michael Gehret aus der Pfarrei Wiesenthau-Pinzberg. Von 3000 Katholiken sind drei ausgetreten. Zudem habe der Papst den Pfarreien einen Spielraum gegeben, was den Umgang mit Geschiedenen beispielsweise betrifft. Pfarrer Gehret kennt viele Geschiedene, die sehr aktiv in der Kirche sind. Eine Ehe könne aus verschiedenen Gründen in die Brüche gehen. Es könne aber nicht sein, diese Menschen zu bestrafen, weshalb der Papst den Pfarreien Möglichkeiten an die Hand gegeben hat, Geschiedene doch an der Eucharistiefeier teilhaben zu lassen. "Wir sind auf einem guten Weg. Kirche muss sich immer neu reformieren, ohne sich dem Zeitgeist zu unterwerfen", findet Gehret.