Der Musik-Gigant
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Treppendorf, Freitag, 14. Oktober 2016
Mit seinem Laden und Versandhandel von Musikalien hat Hans Thomann im beschaulichen Treppendorf ein Imperium aufgebaut.
"Ich bin Jungfrau", sagt Hans Thomann , "ich habe es gern ordentlich." Was er mit seinem typisch spitzbübischen Lächeln beim Vorgespräch im Büro angedeutet hat, meint er durchaus ernst. Das merkt man spätestens in der Logistik , wo er seinen Stechschritt kurz unterbricht: Ein Mitarbeiter hat Kleinteile einfach so in ein Paket gelegt. Geht ja gar nicht. Thomann holt ein Tütchen mit Firmenaufdruck, gibt die Kleinteile hinein und drückt sie dem Packer in die Hand.
Vielleicht hat ihm sein Sternzeichen dabei geholfen, mit Umsicht und Weitblick sein Imperium aufzubauen. Europas größtes Musikhaus samt größtem Versandlager plus mehrfach preisgekröntem Onlineportal, mit dem Thomann in der Kundenzufriedenheit seit vier Jahren vor Amazon liegt. Und das alles mitten in der - mit Verlaub - fränkischen Pampa.
Treppendorf bei Burgebrach, Landkreis Bamberg. Dort hatte der Vater, der studierte Trompeter Hans Thomann senior, mit einem Wanderhandel und dem ersten Geschäftshaus direkt neben dem Wohnhaus der Familie 1954 den Grundstein gelegt. Sein ältester Sohn Hans, der schon als Bub seine Leidenschaft für Musik und "Deals" entdeckt hatte und im Laden mitarbeitete, übernahm die Firmenleitung 1990 und wurde damit auch Chef seiner vier Geschwister.
Seitdem wird gebaut, gebaut und gebaut. Büros, immer wieder Logistik , Werkstätten, ein Amphitheater für Veranstaltungen, ein Restaurant und natürlich der Laden, in dem laufend die zehn Fachabteilungen renoviert und erweitert werden. Gefühlt steht jedes Mal, wenn man zu Thomann kommt, ein neues Gebäude auf dem mittlerweile 50 000 Quadratmeter großen Campus.
Und dieser Begriff ist nicht übertrieben, wie ein Rundgang mit dem 54-jährigen Thomann zeigt. "Was sollen wir uns anschauen?", fragt er, wohl wissend, "dass man allein in der Logistik ein bis zwei Tage verbringen und über die irre Technik philosophieren könnte." In Regalen bis an die Decke, langen, dunklen Schluchten, fahren 26 Robots auf 20 Ebenen rauf und runter, hin und her, raus und rein und bringen den Mitarbeitern im automatischen Kleinteilelager die Artikel für die automatische Verpackung. Vieles hat die Firma selbst entwickelt, anderes programmieren lassen. Dem Besucher schwirrt schon der Kopf, ehe es weitergeht in "Europas größtem Versandlager", wo Packer an langen Tischen stehen, Gabelstapler durch meterhohe Regalstraßen fahren, Pakete auf Förderbändern durch die Hallen sausen, Bildschirme blinken. Allein von 13 B bis 20 A lagern über 6000 Gitarren , alle sofort spielbar. Fürs Einstellen zuständig sind Gitarristen wie Steve, der in seiner kleinen Werkstatt im Lager sitzt. "40 bis 50 schaffe ich am Tag", sagt er und zupft an den Saiten.
Jedes Instrument muss funktionieren
Thomann hat ein eigenes Designbüro für Gitarren in Kopenhagen, gefertigt werden die Instrumente in China. "Und wenn sie vier Wochen Seeweg hinter sich haben, muss man sie eben einstellen", erklärt Thomann . 42 Mitarbeiter , oft Meister, hat er in der Qualitätskontrolle für alle Instrumente . "Sie müssen perfekt funktionieren, egal wie teuer sie sind."
Draußen stehen reihenweise Lkws und holen permanent Ware ab. Nach Spanien und Frankreich fahren sie direkt, sonst geht es auf dem Postweg weiter. "Wir haben 73 000 Artikel im Laden, online 90 000. Die Verfügbarkeit liegt bei 94 Prozent und es dauert im Schnitt 28 Minuten von der Bestellung bis zum Versand." Ist seine Firma am Ende besser als Amazon ? "In IT und Schnelligkeit machen wir denselben Job, aber bei uns bekommt der Kunde nur eine Sendung, egal, wie viel Teile er bestellt." Das sei ebenso wie das kostenfreie Verschicken und Abholen von Paketen zwar teurer, aber alles andere empfindet Thomann "als ökologisches Verbrechen".