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Der Leib, die Seele, die frische Luft


Autor: Carmen Schwind

Gößweinstein, Dienstag, 25. Oktober 2016

Für die Ordensschwester Sigrid sind die Fahrräder mit Elektromotor eine gute Möglichkeit, auch im Alter noch aktiv zu sein und sich zu bewegen.
Treffen sich zu einem Ausflug mit ihren Pedelec (von links): Gerhard Schmidt, Schwester Sigrid und Ilse Schmidt. Foto: Carmen Schwind


Verdutzt bleiben Fußgänger am Berg zur Basilika in Gößweinstein stehen, als eine ältere Dame flott auf dem Fahrrad bergauf radelt und dabei lacht. Aus einem Fenster winkt jemand und ruft: "Hallo, Schwester Sigrid, wieder sportlich unterwegs?" Bei der Radfahrerin in Radlerhosen, T-Shirt und mit Fahrradhelm handelt es sich um die Franziskusschwester Sigrid Kerschensteiner. Und sie ist nicht auf einem normalen Rad unterwegs, sondern auf einem Pedelec. "Die sieht man immer häufiger. Meines haben mir meine prächtigen Brüder geschenkt", sagt die Nonne und lacht fröhlich.

Pedelec ist die Abkürzung von "Pedal Electric Cycle". Es handelt sich also um ein Rad, bei dem der Fahrer durch einen Elektromotor von maximal 250 Watt unterstützt wird. Das heißt, dass der Fahrer in die Pedale treten muss, dabei wird er aber durch den Motor unterstützt.

Das Pedelec gilt als Fahrrad, mit dem man nicht schneller als 26 Kilometer pro Stunde fahren darf. Man muss es nicht zulassen, braucht kein Versicherungskennzeichen oder einen Führerschein. Für Pedelecs besteht keine Helmpflicht oder Altersbeschränkung.


Radfahren als Ausgleich

Außerdem gibt es schnelle Pedelecs, die sogenannte S-Klasse. Für diese gelten jedoch die Richtlinien für Kleinkrafträder. Oft werden sie auch "E-Bikes" genannt. Doch wenn man es genau nimmt, sind E-Bikes eigentlich Elektromofas, deren Motor über einen Drehgriff oder Schaltknopf - nicht über die Pedale - zu steuern sind. Für diese gelten die Richtlinien von Mofas.

Schwester Sigrid hat ihr Pedelec seit etwa einem Jahr. "Mein Bruder und seine Frau hatten bereits eines. Als ich sie im Urlaub in der Oberpfalz besuchte, meinte mein Bruder:  So, du kriegst jetzt eins'", erzählt Sigrid Kerschensteiner - und lacht. Sie ist 73 Jahre alt und betreut ehrenamtlich die Bewohner in Sankt Elisabeth in Gößweinstein, einem Haus zum "Wohnen in der Heimat". "Hier sind alt und jung willkommen; und ich schaue auch nicht auf die Religion", erklärt die Nonne.

1995 kam sie nach Gößweinstein, und führte das Haus als Bildungshaus. Zu ihrem 65. Geburtstag wollte sie kürzertreten. Allerdings fand sich keine Nachfolgerin, und das Haus wurde von der Josephstiftung übernommen und ab 2008 umgebaut. "Egal, was man tut, wichtig ist, dass man auf Menschen zugeht und sie ernst nimmt", philosophiert die Ordensfrau. Das sagt sie nicht nur, sondern das lebt sie auch. Deshalb geht sie auf alle Menschen zu - egal woher sie kommen - und schenkt ihnen Vertrauen.

Ein guter Ausgleich für das zeitaufwendige Engagement ist für Schwester Sigrid das Radfahren. Als Kind radelte sie auf dem Rad des Vaters, jetzt auf dem Pedelec. "Da bin ich an der frischen Luft, sehe die Blumen am Wegrand und schmettere dann schon mal ein ,Großer Gott, wir loben dich'." Denn das hat er schon gut gemacht mit seiner Schöpfung", erzählt die Ordensfrau - und lacht dabei.


Für sich und die Umwelt

Sie fährt immer wieder gleiche Wege und freut sich über die Veränderungen im Laufe eines Jahres. Früher hatte sie Probleme mit Gelenken, doch die sind weg, seit sie jeden Tag mindestens eine Stunde mit dem Rad unterwegs ist. "Da wirst du frei und kannst danach wieder richtig schaffen", schwärmt Schwester Sigrid. Außerdem kann sie viele Dinge mit dem Rad erledigen und lässt ihr Auto oft stehen: "Da habe ich dann gleich noch etwas für die Umwelt getan."


Mit dem Pedelec nach Wien

Ein Hometrainer ist nicht ihr Ding, die Nonne muss hinaus in die Natur, den Kopf frei bekommen: "Das ist meine Meditation. Das tue ich für meine Seele. Denn in der Zeit bin ich nicht erreichbar und kann bei mir ankommen." Schwester Sigrid besucht Kapellen auf ihrem Weg und kehrt dort zur Besinnung ein oder erfreut sich einfach an der Natur. "Ich merke, dass das Radfahren meiner Gesundheit gut tut. Und ich bin tatkräftiger", erzählt die Nonne, wobei sie wieder lacht. Gemeinsam mit Bruder und Schwägerin will sie mit dem Pedelec nach Wien fahren. "Gemeinschaften sind tragende Quellen", philosophiert sie und zitiert Teresa von Avila: "Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen."