Der gebürtige Forchheimer Lorenz Schramm berichtet über die Seenotrettung im Mittelmeer
Autor: Franziska Rieger
Forchheim, Donnerstag, 14. November 2019
Der gebürtige Forchheimer Lorenz Schramm ist vor der libyschen Küste auf dem Schiff Sea-Watch 3 unterwegs, um Menschen aus dem Mittelmeer zu retten. Am Freitag berichtet er in Forchheim über seine Grenzerfahrungen.
Als in diesem Sommer italienische Behörden dem Rettungsschiff Sea-Watch 3 das Anlaufen der Insel Lampedusa verweigern, erlebt der gebürtige Forchheimer Lorenz Schramm (29) diese Grenzerfahrung hautnah mit. Als Guest Coordinator war er auf der Mission mit Kapitänin Carola Rackete zuständig für die täglichen Bedürfnisse der Geretteten wie Wärme, Essen und Trinken.
Seit Oktober 2017 war Schramm auf insgesamt fünf Missionen als Krankenpfleger und als Guest Coordinator vor der libyschen Küste unterwegs. Schramm lebt und arbeitet als Krankenpfleger in Freiburg.
Wie sieht nach einer Seenotrettung der Alltag auf dem Schiff aus?
Lorenz Schramm: Wir probieren, einen strukturierten Tag zu haben. Drei Mal am Tag gibt es Essen. Dazwischen bieten wir verschiedene Aktivitäten an, damit sich keine Langeweile breit macht. Aktivitäten sind beispielsweise Klamottenausgabe, Sprachkurse oder Workshops. Frust ist das Gefährlichste für alle Beteiligten an Bord. Dann kann es zu Konflikten und anderen Problemen kommen. Es gibt immer etwas, das die Hoffnung zerstört. Beispielsweise als wir in Italien gezwungen wurden, nur Familien und Kranke von Bord zu lassen. Das war der Moment, als ich in den Gesichtern der Menschen gesehen habe, wie sie überlegen: Was muss ich tun, um da dabei zu sei?
Eine solche Grenzerfahrung waren auch die Tage, als der Sea-Watch 3 mit Kapitänin Carola Rackete das Anlaufen der Insel Lampedusa durch italienische Behörden verweigert wurde. Wie haben Sie diese Tage erlebt?
Die Stimmung an Bord war unglaublich schwierig. Mit jeder politischen Option, die verschwunden ist, überlegten die Leute mehr, ins Wasser zu springen. Es war permanent wie auf einem Pulverfass zu sitzen. Fast alle Geflüchteten haben eine posttraumatische Belastungsstörung. Alles kann ein Trigger sein, dass sie in diese Belastungsstörung abrutschen.
Wie groß ist Ihre Angst in solchen schwierigen Situationen?