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Denise Brüne ist Hebamme mit Leib und Seele


Autor: Verena Pohl

Ermreuth, Freitag, 14. März 2014

Hebamme Denise Brüne aus Neunkirchen am Brand liebt ihren Job. Doch als Freiberuflerin hat sie es nicht leicht. Viele ihrer Kolleginnen geben auf, weil sich die Arbeit wirtschaftlich nicht lohnt.
Hebamme Denise Brüne untersucht den einen Monat alten Benedikt bei einem Hausbesuch. Alle Fotos: Verena Pohl


"Ich will Hebamme werden - diesen Job oder keinen." Davon war Denise Brüne überzeugt, als sie nach ihrem Fachabitur ein Praktikum bei einer Hebamme gemacht hat und dabei eine Hausgeburt miterleben durfte. Nach ihrer dreijährigen Ausbildung ist die gebürtige Iselohnerin mit ihrem Mann nach Neunkirchen gezogen und praktiziert nun seit mittlerweile zehn Jahren in den Landkreisen Forchheim und Erlangen-Höchstadt. Und das tut sie mit Leib und Seele - obwohl ihre Situation als freiberufliche Hebamme alles andere als rosig ist.

Wenn Denise Brüne zu Familie Roeger in Neunkirchen kommt, muss sie nicht klingeln: die Tür ist nur angelehnt. Schließlich kommt eine gute Bekannte zu Besuch. Die Hebamme hat Mutter Belinda Roeger schon vor und nach den Geburten von Maria (5) und Paul (3) betreut. Vor sechs Wochen ist Söhnchen Benedikt zur Welt gekommen, die Hebamme kommt zum Hausbesuch.

Fragt, wie es mit dem Stillen klappt, kontrolliert, ob die Kaiserschnittnarbe der 38-Jährigen gut verheilt. Dann widmet sie sich dem Baby: "Hat er denn seinen Schnupfen gut überstanden?" Liebevoll zieht Brüne den Neugeborenen aus, legt ihn auf die Waage: "Super, 800 Gramm zugenommen in zwei Wochen!"

Zwei Vormittage in der Praxis

Zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr beginnt für die Hebamme der Arbeitstag. Auf dem Programm stehen Hausbesuche bei Schwangeren und Wöchnerinnen, hinzu kommt einmal pro Woche ein Rückbildungskurs und an zwei Vormittagen pro Woche arbeitet Brüne in einer Frauenarztpraxis. "Wir sind zwei Hebammen dort und betreuen die schwangeren Frauen", erzählt die 31-Jährige, "in einer normalen Schwangerschaft ohne Komplikationen können Hebammen nämlich die Vorsorgeuntersuchungen übernehmen, ein Arztbesuch ist dann gar nicht nötig. Viele Patientinnen kommen auch deshalb zu uns, die Kombination aus Frauenarzt und Hebammen ist unser großes Aushängeschild."

Gegen 15 Uhr ist dann Schluss mit den Terminen, schließlich muss sich Brüne noch um ihre eigenen Töchter Lara-Sophie (6) und Mirja (4) kümmern. Aber auch zuhause geht die Arbeit weiter: Abrechnungen mit der Krankenkasse stehen an, Telefonate für Terminvereinbarungen und anderer Papierkram. Alle drei Monate muss Brüne ihre Steuern ans Finanzamt abführen - nach Schätzungen, die auf ihrem Einkommen aus dem Vorjahr basieren. Soll heißen: "Wenn ich ein gutes Jahr hatte, muss ich im Folgejahr horrende Beträge ans Finanzamt abdrücken", sagt Brüne. Geld, dass sie sich von ihren Einnahmen zurücklegen muss. "Ich fühle mich da oft ganz hilflos, wenn ich mitansehen muss, wie das Geld einfach so weggeht."

Fragen zu Sex und Verhütung

Nachdem Benedikt wieder angezogen ist, ist Mama Belinda dran, ihre Fragen an die Hebamme zu stellen. Ab wann darf sie wieder schwimmen gehen? Kann sie Benedikt früher impfen lassen, als üblich ist? "Natürlich, aber du solltest dir Ibuprofen für Kinder besorgen, es könnte sein, dass er danach Fieber bekommt", antwortet Brüne. Sie zeigt der dreifachen Mutter noch Übungen für Bauch und Beckenboden, die die Muskulatur stärken und misst den Blutdruck der 38-Jährigen. "Auch Verhütung ist nach einer Entbindung immer ein Thema", weiß Denise Brüne, "viele Frauen haben da Fragen - ob und welche Verhütung notwendig ist, und auch, ab wann sie wieder Sex haben können."

All das kostet Zeit. Zeit, die Denise Brüne eigentlich gar nicht hätte. "Ein Hausbesuch dauert etwa eine Stunde, bei Erstgebärenden auch mal länger", erklärt die Hebamme. "Die Pauschalen der Krankenkassen sind aber darauf ausgelegt, dass ein Hausbesuch zwischen 20 und 30 Minuten dauert." 31 Euro bekommt die 31-Jährige pro Hausbesuch, davon muss sie aber noch ihre Steuern und Versicherungen bezahlen.

Wenn sie länger braucht, ist das ihr eigenes Problem. "Ich dürfte aber an einem Tag mehrmals kommen und das dann auch als mehrere Hausbesuche abrechnen", erzählt Brüne. "Aber eine Stunde als dreimal 20 Minuten abrechnen, das wäre Versicherungsbetrug." Der Hebammenverband hat einmal ausgerechnet, dass der durchschnittliche Stundenlohn einer freiberuflichen Hebamme bei 7,40 Euro liegt.

Alle Leistungen, die Brüne erbringt, muss sie sich von den Frauen quittieren lassen. "Bis 2007 haben wir einfach Rechnungen geschrieben und die an die Krankenkassen geschickt", erinnert sich die Hebamme. "Dann wurde auf papierlose Abrechnung umgestellt, wir mussten uns dafür extra ein Programm kaufen, dass die Daten verschlüsselt. Aber mit den Unterschriftenlisten, die die Kasse im Original braucht, einem Begleitschreiben dazu und den Belegen, die das Finanzamt will, ist der Papieraufwand eigentlich größer als vorher." Und kompliziert ist das Verfahren auch noch: "Wenn die Abrechnung stimmt, aber in der Quittierungsliste etwa Hilfe bei Sc

Über 5000 Euro werden derzeit pro Jahr für eine Hebammen-Berufshaftpflichtversicherung mit Geburtshilfe fällig, 1981 lag der Betrag noch bei 31 (!) Euro. Grund für diese Kostensteigerung ist vor allem, dass die Versicherung selbst im Schadensfall heute ein Vielfaches von dem bezahlen muss, was noch Anfang der 80er Jahre üblich war - weil die medizinische Versorgung besser ist. "Auch Kinder, die während der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen und behindert zur Welt kommen, haben heute eine recht hohe Lebenserwartung", sagt Brüne. Das kostet: Während ein durchschnittlicher Schadensfall 1981 noch 640.000 Euro kostete, schlägt er inzwischen mit über 3,3 Millionen Euro zu Buche.

Absagen tun weh

Trotzdem liebt Denise Brüne ihren Beruf. Etwa 200 Familien betreut sie pro Jahr vor oder nach der Geburt. Dass die Nachfrage steigt, weil bereits jetzt keine flächendeckende Versorgung mit Hebammen mehr gegeben ist, bekommt sie schon deutlich zu spüren: "Im Sommer musste ich zwei Familien abweisen, die ich schon bei ihrem ersten Kind betreut hatte, das hat mir selbst richtig weh getan."

Doch für viele ihrer Kolleginnen rechnet sich die Arbeit schlichtweg nicht. Denise Brüne bleiben am Monatsende nach Abzügen ihrer Kosten etwa 1200 Euro - bei einem Vollzeitjob. "Im Januar hatte ich einen größeren Schaden an meinem Auto, und schon war ich wieder im Minus", klagt sie. Wer heute diesen Job machen wolle, brauche im Grunde einen Mann, der die Familie allein ernähren kann.

Berufsverbot am 1. Juli 2015

Ab 1. Juli 2015 bietet die Nürnberger Versicherungsgruppe keine Haftpflichtversicherung mehr für Hebammen an, Alternativen gibt es keine. Für Denise Brüne und ihre Kolleginnen kommt das einem Berufsverbot gleich. Bis es soweit ist, wird sie weiterhin zwischen Spardorf und Gräfenberg, Mittelehrenbach und Heroldsberg hin- und herpendeln und Frauen in einem wichtigen Lebensabschnitt betreuen. Und danach? Denise Brüne weiß es nicht. "Ich liebe meinen Beruf. Aber wenn ich jetzt im ersten Ausbildungsjahr wäre, würde ich aufhören."