Druckartikel: Das Meer umspült Whiskey aus Neuses an der Regnitz

Das Meer umspült Whiskey aus Neuses an der Regnitz


Autor: Josef Hofbauer

Neuses an der Regnitz, Montag, 13. Juli 2015

Damit ihr Whiskey eine frische Brise bekommt, haben Robert Fleischmann von Deutschlands ältester Whiskey-Destillerie "Blaue Maus" und sein Sohn Thomas haben ein paar Fässer vorübergehend dem Meer anvertraut.
Eine Konstruktion Marke Eigenbau verhindert, dass die Fässer mit dem kostbaren Inhalt abgetrieben werden.  Fotos: Bobrink (2), Hofbauer (1)


Vermutlich hat Robert Fleischmann, der in jungen Jahren zur See gefahren ist, noch etwas vom Geiste der Klabauter in sich. Denn Fleischmann, Inhaber der ältesten Whikeydestillerie Deutschlands in Neuses an der Regnitz, hat Ideen, die einem Kobold gut zu Gesichte stehen würden. So hat sich Robert Fleischmann von seinem norddeutschen Geschäftspartner Rene Bobrink und dessen Freund Christoffer Bohling, der auf Sylt eine Austernfarm betreibt, dazu überreden lassen, ein paar Fässer Whiskey ins Meer zu kippen.

Das war bereits im April. Versenkt wurden ein 50-Liter-Fass, zwei 30-Liter-Fässer, fünf zwölf-Liter-Fässer und ein Fass mit zehn Litern Whiskey. Ende August/Anfang September, je nach Witterung, soll die Fracht wieder geborgen werden. Denn: "Als Flaschenpost waren unsere Fässer nicht gedacht", erklärt Roberts Sohn Thomas Fleischmann.

"Wir haben die neuen Fässer aus deutscher Eiche auf einer Tidebank den Händen Neptuns übergeben", erzählt Rene Bobrink. Damit aber die Fracht von den Naturgewalten des Meeres nicht weggespült wird, hat Christoffer Bohling ein Metallgerüst gebastelt, das die Fässer festhält. "Zusätzlich haben wir die fünf Meter lange und knapp zwei Meter breite Konstruktion 'eingeschlickt' und mit Betonplatten befestigt", verrät Bobrink.

Zwei Meter unter Wasser

Die Fässer aus der Manufaktur des Whiskey-Urgesteins Robert Fleischmann von der Destillerie "Blaue Maus" liegen auf der Sylter Tidebank etwa zwei Meter unter Wasser. Die Gezeiten, die periodischen Wasserbewegungen der Nordsee, führen dazu, dass die Fässer alle sechs Stunden - zumindest zum Teil - trocken fallen, um dann aufs Neue vom Meer verschlungen zu werden.
Von dieser intensiven Berührung mit dem salzigen Meerwasser versprechen sich die Whiskeybrenner aus Neuses eine Geschmacksveränderung der hochprozentigen Spirituose. "Ich bin auf die Idee gekommen, Whiskeyfässer einer Umarmung der Meerjungfrauen auszusetzen, weil ich einmal gelesen habe, dass schottischem Whiskey, der in Kellern längere Zeit dem Meerwasser ausgesetzt war, dieses Bad nicht geschadet hat, im Gegenteil", erzählt Rene Bobrink.
"Es ist ein Versuch", ergänzt Thomas Fleischmann, "wir wissen nicht, wie intensiv der Austausch zwischen Salzwasser und dem Inhalt der Fässer ist." Das hängt unter anderem von der Größe der Behältnisse ab, zum anderen davon, wie schnell und wie intensiv die Fässer von Seepocken und Austernmuscheln besetzt werden.

Nur Unikate

Deshalb beobachtet Jim Murray (57), der britische Whiskeypapst, dieses Experiment mit großer Aufmerksamkeit. Eine extrem spannende Sache, über die er sich ständig auf dem Laufenden halten wolle, hatte der Experte den experimentierfreudigen Geschäftsleuten versichert. Jedes Fass ist deshalb ein Unikat. Aller Voraussicht nach sei davon auszugehen, dass die Meeresbrise bei Whiskey aus einem kleineren Fass intensiver zu spüren sein wird als bei einem großen Fass. "Das Fass atmet", erklärt Robert Fleischmann. Doch in welchem Umfang, das bleibe abzuwarten.

Testlauf bereits beendet

Wie schnell sich die zur Familie der Krebse gehörenden Seepocken auf den Fässern ansiedeln, haben Fleischmann, Bobrink und Bohling bereits getestet. "Da haben wir Whiskeyflaschen ein halbes Jahr der rauen See ausgesetzt", erzählt Thomas Fleischmann. Das Ergebnis, eine mit Muscheln und anderen kleinen Schalentieren besetzte Flasche, ist in seinem Laden in Neuses zu bestaunen. Aber das ist eine reine optische Sache, ein Verkaufs-Gag, wenngleich auch hier keine Flasche der anderen gleicht.
Werden in wenigen Wochen die Fässer geborgen, ist das Experiment noch nicht zu Ende. Das Zehn-Liter-Fass bleibt die gesamte Reifezeit über, also die nächsten drei Jahre, der See ausgesetzt. "Schau'n wir mal, was draus wird", lacht Robert Fleischmann.  Seite 28