Das Dorf und der Tempel Gottes
Autor: Reinhard Löwisch
, Samstag, 21. April 2012
Einer hatte eine Vision. Von einem "fränkischen Kirchlein mit Turm". Und weil sich viele dafür einsetzten, bauten die Bieberbacher vor 60 Jahren einfach selbst ihr eigenes Gotteshaus.
           
"Ich hatte einen Traum", erzählte Johann Ziegler im Sommer 1947 dem damaligen Ortspfarrer Bernhard Eitel ganz aufgeregt. "Da kam ich von Hartenreuth herunter und erblickte auf einmal eine Kirche im Dorf mit einem großen Turm davor." Bei Pfarrer Eitel machte es sofort "klick" .  Er überlegte nicht lange und  überzeugte    die  zuständigen Kirchenstellen. Sofort begann Eitel mit dem Planungen für das  Gotteshaus. 
Ein Kirchbauverein wurde gegründet, dem Hans Förtsch vorstand. Professor Karl Pfeiffer-Haardt aus Bayreuth übernahm die Bauplanungen für ein "fränkisches Kirchlein mit Turm". Am 19. Juni 1948 - ein Tag vor der Währungsreform -  legt der Dekan Hans Ackermann  der Grundstein  für das Gotteshaus. 
Bieberbach baute und baute
Die nächsten vier Jahre gingen ins Land und die Bieberbacher bauten in jeder freien Minute an ihrem "fränkischen Kirchlein mit Turm". 1951 im Juli war der Kirchturm fertig. Die Lokalpresse schrieb darüber: "Auf rund 4000 Mark belaufen sich die Kosten des 35 Meter hohen Spitzturmes bis zur Fertigstellung, wovon je die Hälfte auf das Schieferdach und für die Erstellung des Turmgebälks, Blitzableiters und der Turmspitze entfällt. Seitens der evangelischen Landeskirche wurde bereits ein Zuschuss getätigt. Bis jetzt hat der Neubau der Kirche, die bei einer Länge von 26 Metern und einer Breite von 10 Metern 400 Gläubigen Raum bietet, schon 22 000 Mark gekostet, wobei Eigenleistungen der Gemeinde in Höhe von rund 20 000 Mark getätigt wurden."
Warten bis Himmelfahrt '65
Da die Bieberbacher ihren Anteil an der Kirche anfangs vor allem im Spanndienst leisteten und die politische Gemeinde auch keine pekuniären Reichtümer besaß, konnte zwar das Gebäude als "Reformationsgedächtniskirche Bieberbach" (das Richtfest fand am Reformationstag statt, daher der Name) mit einem großen Fest am 29. Juni 1952 feierlich eingeweiht werden. Bis die Bieberbacher sich in ihrer Kirche richtig daheim fühlen konnten, dauerte es noch einige Jahre. 1963 kam erstmal eine zweite Glocke in den Kirchturm. Bis dahin läutete eine in den Kriegswirren vom Hamburger Glockenfriedhof hierher "ausgeliehene" Schlesische Glocke von1746 einsam im Turm.
Am Himmelfahrtstag 1965 erklang dann die neue Orgel in der Kirche, die das alte Harmonium ersetzte. Weihnachten 1982 schließlich konnte ein besonderes Objekt in der Kirche geweiht werden: ein flügelförmiges Altarbild des Georgsgemündener Künstlers Reinhard Fuchs. Es ersetzte das bisherige schlichte corpuslose Holzkreuz aus den Anfangsjahren. 1988 unterzog man die Kirche einer ersten umfassenden Renovierung und Oberkirchenrat Hermann von Loewenich nahm ob der hohen Bausumme von 160 000 Mark die feierliche Wiedereinweihung persönlich vor.
Lob für Sprengmeister Förtsch
Als herausragende Person in all den Jahren wird Hans Förtsch von den Bieberbachern genannt, der sogar eine Sprengmeisterprüfung absolvierte, um Geld zu sparen für die Kirche und der in jeder freien Minute an der Baustelle anzutreffen war. Zuerst als Bauleiter und Organisator des Rohbaus und dann in der Kirche. Seit dem Gründungsgottesdienst und bis zu seinem Tode im Jahre 2005, mehr als 50 Jahre lang, spielte Förtsch die Orgel in der neuen Kirche und leitete in der gleichen Zeit noch den Kirchenchor.
Die Idee der Bieberbacher für eine eigene Kirche ist schon viel älter als die ersten Planungen nach dem Zweiten Weltkireg. Der jetzige Kirchenvorstand Karl Körber erinnert sich an Gespräche mit alten Gemeindebürgern an den Grund des Kirchenbaues: "Im Winter wurde in Bieberbach schon vor dem Kirchenbau Gottesdienst im Schulhaus gefeiert, der durfte aber bei den Nazis nicht mehr als Kirchenraum genutzt werden, weil die Benutzung die Schulbänke zu sehr abnutzt - so die Begründung." Daher kaufte man ein altes kleines Haus, das man "Bethäusl" nannte. Dort hielt der Affalterthaler Pfarrer Gottesdienst und die Gemeinde Bieberbach nutzte es offiziell als Gemeindehaus. Die Älteren waren froh über die neu geschaffene Gottesdienstmöglichkeit, weil sie im Winter nicht mehr den beschwerlichen Weg nach Affalterthal gehen mussten. Im Sommer ging es dann wie gewohnt zu Fuß dorthin in den Gottesdienst, schließlich gehört Bieberbach ja zur Kirchengemeinde Affalterthal. "In der Nachkriegszeit war der Glaube wichtig und als Dank an Gott, der sie im Krieg beschützte, wurde der Kirchenbau von allen Einwohnern gewünscht", erzählt Karl Körber.