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Baiersdorfer SV kündigt Fußballern alle Verträge


Autor: Dorothea Weiler

Baiersdorf, Sonntag, 28. Sept. 2014

Die außerordentliche Mitgliederversammlung des Baiersdorfer SV fasst drei Beschlüsse: Die Kontrakte mit den Fußballern werden beendet, für den Fitnessbereich wird ein eigener Beitrag fällig, und ein Sportökonom wird eingestellt.
Die Rechtsanwältin Mechthild Bruche erläuterte auf der Versammlung das Insolvenzrecht, im Hintergrund (v. l.) das einzige noch verbliebene BSV-Präsidiumsmitglied Roland Lahme, Bürgermeister Andreas Galster und Steuerberater Markus Bohleber. Fotos: Dorothea Weiler


Bis zuletzt hatten die Verantwortlichen des Baiersdorfer SV die Aufstellungen der Finanzen der einzelnen Abteilungen zurückgehalten. Nachdem der Baiersdorfer Stadtrat im Rahmen einer vierstündigen Sondersitzung die Offenlegung der Einzelbilanzen zur Bedingung für eine Bezuschussung mit 40 000 Euro gemacht hatte, rückte der Sportverein nun in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit den Zahlen heraus.

Und was dem BSV in den vergangenen Jahren vielfach zum Vorwurf gemacht worden war, bestätigte sich jetzt: Das alljährliche Defizit zwischen 15 000 und 25 000 Euro, das den Verein an den Rand des Ruins gebracht hat, rührt hauptsächlich vom Fußball her.

Konkret haben im vergangenen Jahr die Fußballabteilung 4894 Euro und die Fußballjugend 11 868 Euro Minus gemacht.

Bürgermeister Andreas Galster (CSU), Walter Fellermeier vom Bayerischen Landessportverband und Roland Lahme, der als einziges noch verbliebenes Präsidiumsmitglied den BSV kommissarisch führt, beschworen mit Engelszungen die 163 Wahlberechtigten, bei der notwendigen Beschlussfassung über drei Forderungen der Stadt Baiersdorf an den Verein Einigkeit zu zeigen, da sonst ein Auseinanderbrechen zu befürchten sei.
Doch zunächst einmal hatte Lahme darauf hingewiesen, dass der Verein noch nicht endgültig insolvent sei, sondern sich aktuell im Status der "Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit" befinde.

 

 


Vorläufiger Insolvenzantrag

Mechthild Bruche, Anwältin für Insolvenzrecht, erläuterte für die Mitglieder, wie man dies aufzufassen habe. Ende August habe der Verein einen vorläufigen Insolvenzantrag gestellt. Nach Paragraf 42 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) könne ein Insolvenzverfahren dazu führen, dass mit der Eröffnung des Verfahrens ein Verein aufgelöst und "alles, was er hat, versilbert" werde. In Form einer vorläufigen Insolvenz könne der Verein jedoch auf Beschluss seiner Mitglieder fortgeführt werden. Um die Strukturen des Vereins zu erhalten, müsse dann eine Sanierungslösung vorbereitet werden.

 

 

"Im Moment sind noch alle Optionen offen, dass der BSV nicht in das Verfahren eintreten muss, sondern es zu einer Rücknahme des Insolvenzverfahrens kommen könnte", betonte die Anwältin.

Roland Lahme ließ die Vereinsmitglieder über die Brisanz der momentanen Situation nicht im Unklaren, indem er seiner Befürchtung Ausdruck verlieh, die Insolvenz könne bei nicht Eingehen des BSV auf die seitens der Stadt gestellten Bedingungen in eine Liquidation übergehen. Ab dem 1. Januar 2015 könne der BSV über keine Gelder mehr verfügen und werde nicht mehr in der Lage sein, die Gehälter auszuzahlen. Zwar sei der Verein dann noch vermögend, aber nicht mehr zahlungsfähig.

"Die Situation ist einfach im Moment knallhart", ließ Lahme nicht den geringsten Zweifel über die nahezu aussichtslose Lage des Vereins aufkommen.

"Wir brauchen das Geld der Stadt, aber Ihr könnt es auch ablehnen", wies er die Richtung in eine Entscheidung zugunsten der städtischen Vorgaben.


Woher kommen die Defizite?

"Es gibt im Stadtrat niemanden, dem daran gelegen ist, dass der BSV nicht mehr weiterexistiert, denn dieser gibt den Breitensport weiter und widmet sich damit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe", versicherte Galster. Die Stadt habe vom Verein eine betriebswirtschaftliche Auswertung verlangt, um festzustellen, woher die Defizite kämen, fuhr der Bürgermeister fort. Da es sich bei der Bezuschussung nicht um eigenes Geld der Stadt, sondern um fremdes handle, werde erwartet, dass keine Abteilung ein Minus mache, und dies sei zu überwachen.

"Die Stadt bewilligt 40.000 Euro, die wir jetzt auf den Tisch legen, und es handelt sich dabei nicht um einen Kredit", schloss Galster seine Rede.


Fellermeier "Furchtbar enttäuscht"

Das BSV-Gelände sei mit über acht Millionen D-Mark erbaut und vom Staat mit einer Million DM bezuschusst worden, meinte Walter Fellermeier. Die Stadt Baiersdorf habe den BSV immer vorbildlich unterstützt. "Ich war immer der Meinung, Baiersdorf ist eigentlich der Himmel auf Erden für den Sport und bin furchtbar enttäuscht worden", sagte Fellermeier. Wenn sich der Verein zersplittere, was seine größte Befürchtung sei, so sei dies mit Sicherheit der Tod des Vereins. Denn laut Untersuchungen des Olympischen Sportbundes hätten kleine Sportvereine keine Überlebenschancen.

 


"Seien Sie froh, dass Sie einen Verein in so einer Größe haben, und zerstören Sie seine Einheit nicht", appellierte der Sportfunktionär eindringlich an die Mitglieder des BSV. "Das Präsidium wird beauftragt, auf Grund der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Berichte und der bestehenden Finanzlage alle bestehenden Verträge mit Spielern und Betreuern der 1. und 2. Fußballmannschaft sofort, mit Wirkung zum 31. 12. 2014, zu kündigen", lautete der erste Beschluss, über den die Mitglieder des BSV abzustimmen hatten.


Vier Gegenstimmen unter 163 Stimmberechtigten

Darüber hinaus, so hieß es weiter, müssten durch das Präsidium alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellten, dass alle Abteilungen ihr Budget einhielten.

 

Bei vier Gegenstimmen und neun Enthaltung entschied sich die große Mehrheit der 163 Stimmberechtigten, dem Beschluss zuzustimmen.

Der zweite Beschluss drehte sich um eine aus Sicht der Stadt notwendige Beitragserhöhung für die Mitglieder des BSV, die laut Galster damit zu begründen sei, dass der Verein mit seinen Beiträgen noch unter dem Landesdurchschnitt liege. Allerdings beinhaltet der Beschluss ausdrücklich nicht die Erhöhung des Grundbeitrags. "Für den Fitnessbereich wird ein eigener Beitrag in Höhe von drei Euro erhoben", setzt der Beschluss an der jüngsten Abteilung an. Für die Jahreshauptversammlung im März 2015, so heißt es weiter, habe der Verein einen Beschlussvorschlag über die Abteilungsbeiträge zu erarbeiten.

Einstimmig votierten die Mitglieder für die Umsetzung des Beschlusses.


Kostenvereinbarung mit der Stadt
Zur sofortigen Einstellung eines Sportökonoms wird das Präsidium mit dem dritten Beschluss verpflichtet, über das der BSV in seiner außerordentlichen Versammlung abzustimmen hatte. Mit der Stadt Baiersdorf sei hierüber eine Kostenvereinbarung abzuschließen. Bei sieben Gegenstimmen und 26 Enthaltungen erzielte der BSV auch hierin eine Mehrheit.

Im Anschluss beschlossen die BSV-Mitglieder - wiederum per Abstimmung - die für die bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung veranschlagte Neuwahl des Präsidiums auf die Jahreshauptversammlung im März zu verschieben.

Hatte Florian Eichinger, Fußballer der Ersten Mannschaft (Landesliga) im Verlauf der Diskussion, die den Beschlüssen voranging, angemerkt, es sei

unzumutbar, für die Spritkosten der Fahrt zu einem Spiel nach Würzburg selbst aufzukommen, so gab Uli Schäfer, Abteilungsleiter Volleyball, am Ende der Versammlung unter dem Beifall der Mitglieder bekannt, er werde seine Übungsleiterpauschale an den Verein zurückgeben, da seine Abteilung ein Minus in Höhe von 600 Euro gemacht habe - und dies, obwohl viele Stunden und viele Kilometer in die anstrengende Arbeit mit jungen Menschen gesteckt worden seien.

Die Kommune werde bestimmt alles tun, damit der Sport in Baiersdorf auch in Zukunft leben und gedeihen könne, hatte Fellermeier die Mitglieder im Vorfeld der Abstimmung beruhigt. Und er hatte den Mitgliedern zugerufen: "Sport ist nun einmal am schönsten, und er ist wo am schönsten? Im Verein."


Kommentar: Dauerhafte Transparenz nötig

Hilde Bogdahn (71) hat sich zu ihrem 70.

Geburtstag einen Jahresbeitrag für den BSV geschenkt und macht seither dort zweimal wöchentlich Gymnastik und besucht einmal wöchentlich das Fitnessstudio. Obwohl sie zuvor niemals Sport gemacht hatte, ist sie jetzt begeistert dafür und freut sich über die sozialen Kontakte zu vielen Gleichaltrigen, die sie im BSV gefunden hat. Wer Koordination und Gleichgewicht beherrsche, so die examinierte Altenpflegerin im Ruhestand, der könne nicht stürzen. Es gelte, zu lernen, auf einem Bein zu stehen und gegenhälftige Körperteile gleichzeitig in Bewegung zu setzen.

Auch der BSV muss jetzt üben, auf einem zu Bein zu stehen und alle noch vorhandenen Kräfte sinnvoll zu konsolidieren. Nicht nur, dass der Verein derzeit mit einem einzigen Präsidenten auskommen muss: Auch gilt es, in einer desolaten Situation das Gleichgewicht zu wahren.

Der Verein hat sich gegenüber der Stadt verpflichtet, künftig in keiner seiner Abteilungen ein Defizit aufzuweisen. Als öffentliche Körperschaft wird er dauerhaft Transparenz in seine finanziellen Angelegenheiten bringen müssen. Eine der größten Herausforderungen wird es dabei sein, den mit so großen Emotionen verbundenen Fußball aus dem Minus zu führen und zwar in einer Art und Weise, dass vor allem den jungen Spielern dabei keine spürbaren Nachteile entstehen.
Konkrete Maßnahmen, wie dies insbesondere bei der Jugendabteilung geschehen soll, wurden allerdings bei der Mitgliederversammlung noch nicht vorgeschlagen. Auch ein Imagewechsel weg von der Zerstrittenheit, wie ihn der Bürgermeister im Verlauf der Sitzung dringend anmahnte, aber auch weg von der Zahlungsunfähigkeit muss erfolgen, wenn der unter starkem Mitgliederschwund leidende Verein wieder zu Ansehen und Attraktivität gelangen soll.

Die Seniorin erlebt bei ihrer Aktivität im Verein nicht nur eine Stärkung ihres Wohlbefindens, sondern erfreut sich einer Gemeinschaft. Wohl nicht nur aus ihrer Sicht wäre es eine Tragödie, wenn der Verein aus seiner Schieflage nicht mehr herauskommen und aus der Baiersdorfer Vereinslandschaft gänzlich verschwinden würde.
Die außerordentliche Mitgliederversammlung hat endlich Geschlossenheit gezeigt und klare Weichen gestellt. Und wären die Zahlen schon früher auf den Tisch gelegt worden, dann hätte längst eine Neuordnung geschehen können. Der nunmehr eingeschlagene Kurs ist strikt einzuhalten, damit der Verein irgendwann wieder mit beiden Beinen fest auf dem Baiersdorfer Boden stehen kann.