Bahnstreiks in Forchheim: Fahrgäste mussten improvisieren
Autor: Josef Hofbauer
Forchheim, Mittwoch, 08. Oktober 2014
Am Bahnhof in Forchheim warten die Reisenden ab 21 Uhr auf die Züge - und auf nähere Informationen. Improvisieren ist angesagt. Und plötzlich kommt ein Regionalexpress - ganz pünktlich.
Verloren wirken die wenigen Passagiere am Dienstagabend auf dem Forchheimer Bahnhof. Vor wenigen Minuten hat der letzte Zug den Haltepunkt Forchheim in Richtung Bamberg passiert. Nur Siemens-Mitarbeiter Gaurav Manyol wartet auf einen Zug nach Erlangen.
Eine Durchsage schreckt ihn auf: "Die S-Bahn um 21.30 Uhr nach Hartmannshof fällt heute aus. Der Grund ist ein Streik ab 21 Uhr. Wir bitten um Verständnis." Und jetzt? Wie soll ich nun nach Hause kommen, fragt sich der junge Mann? Fährt später noch ein Zug, oder muss Gaurav zu Fuß gehen, weil alle Lokführer streiken? Er entschiedet sich dafür, erst einmal zu warten.
So wie Theodora (45) aus Kersbach. Ein Bus fährt um diese Zeit auch keiner mehr. Da wird die Durchsage von der nicht verkehrenden S 1 wiederholt. Wieder kein Hinweis auf eine Alternative. "Und was soll ich jetzt machen?", fragt Isabell (28) aus Nürnberg.
Fragen, auf die Isabell hier keine Antwort bekommt. Weit und breit gibt es keinen Ansprechpartner. Deshalb sind auch die beiden Altenpflegerinnen Monika (60) aus Erlangen und Irina (54) aus Nürnberg völlig ratlos. Beide haben ihre Schicht im Seniorenheim beendet und wollen nach Hause. Aber wie?
Jetzt beginnt hektisches Telefonieren. Monika ruft ihre Tochter an, Isabell versucht ihren Freund zu erreichen und Theodora alarmiert ihren Sohn. Nur Gaurav steht hilflos auf dem Bahnsteig. Alle sind vom Lokführer-Streik überrascht worden. Keiner weiß, wie es nun weitergehen soll. Inzwischen rattern im Abstand von zwei Minuten zwei Güterzüge durch.
Isabell hat ihren Freund erreicht. Doch der kann erst in zwei Stunden kommen. Sie ärgert sich, weil sie um ganze 28 Minuten zu spät am Bahnhof war. "Hätte ich von dem Streik gewusst, hätte ich einen früheren Zug genommen", erklärt Isabell.
Kommt doch noch ein Zug?
"Halten Sie Abstand von der Bahnsteigkante. Betreten Sie den gekennzeichneten Bereich erst nach Halt des Zuges", dröhnt es unvermittelt aus dem Lautsprecher. Es ist 21.39 Uhr. Ein Hinweis, dass doch noch ein Zug kommt? Reichlich unpräzise - aber Isabell eilt zurück auf Bahnsteig 2.
Dort hat mittlerweile auch Julia (36) aus Erlangen Platz genommen. Sie kommt gerade aus Hessen und will heim. Die Gefahr, dass womöglich kein Zug mehr kommt, lässt sie zum Laptop greifen. "Informationen, welche Züge ausfallen, können wir erst nach Streik-Beginn geben", heißt es auf der Internetseite der Bahn. "Toll", kommentiert Julia, "das hilft mir auch nicht weiter." Während sie nach Alternativen sucht, tauchen aus Richtung Bamberg zwei Lichter auf den Schienen auf. Der Regionalexpress nach Erlangen fährt pünktlich in den Bahnhof Forchheim ein. Erleichterung bei den fünf Passagieren.
Ein Bahnsprecher bittet um Verständnis: "Gerade zu Beginn eines Streiks wissen wir nicht, wer zum Dienst erscheint und wer nicht. Deshalb konnten wir den Reisenden auch keine weitere Information geben. So bedauerlich das auch ist."
Im Laufe des Abends, als feststand, wie viele Lokführer dem Streikaufruf nicht gefolgt waren, versuchte die Bahn eine Art Not-Fahrplan aufrechtzuerhalten. Immerhin sei am Mittwochmorgen von Nürnberg aus in jede Himmelsrichtung ein Zug gestartet.
Bis in die Vormittagsstunden hatte sich die Situation im Nahverkehr normalisiert. Nur im Fernverkehr gab es noch Verzögerungen und Ausfälle. Ein Zug, der um 5 Uhr von München aus nach Bremen starten hätte sollen,wegen des Streik aber am Bahnhof stehen blieb, fiel auch für die Rückfahrt am Mittag aus, erläuterte der Bahnsprecher die Ursachen.