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Axt-Prozess gegen Forchheimer: Ist der Angeklagte schuldunfähig?


Autor: Sebastian Martin

Forchheim, Donnerstag, 20. Oktober 2016

Der Prozess gegen einen 45-Jährigen wegen versuchter Tötung steht vor einer Wende: Er erklärte vor dem Gericht, dass er vor der Tat Kräuter geraucht habe.
Der Tatort am Tag nach dem Verbrechen. Das Blut klebt noch am Boden des schmalen Durchgangs zwischen Hornschuchallee und Lohmühlgässchen. Foto: Christian Frank


Nicht nur für den Staatsanwalt, auch für den Angeklagten war es eine Überraschung: Am Ende des zweiten Verhandlungstages kam der beschuldigte 45-Jährige auf freien Fuß. Das Landgericht Bamberg setzte den Haftbefehl gegen den Forchheimer am Donnerstag unverzüglich außer Vollzug, nachdem absehbar wurde, dass der Vorwurf der versuchten Tötung nicht mehr haltbar war. Das Gericht geht wie die Staatsanwaltschaft inzwischen nicht mehr davon aus, dass der Mann mit einer Tötungsabsicht gehandelt hatte, als er im Januar mit einem 30 Zentimeter langen, scharfen Camping-Beil eine ihm bekannte Frau und ihren Freund verletzt hatte. Letztlich wird ihm weiterhin gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen vorgeworfen.

Dem Mann droht immer noch eine Freiheitsstrafe von mehreren Jahren.


Alkoholisiert in der Tatnacht

Der Angeklagte kam also frei, allerdings unter strengen Auflagen: "Wenn Sie zu Terminen besoffen kommen, dann werden Sie sofort wieder eingesperrt", machte Manfred Schmidt, Vorsitzender Richter des Schwurgerichts am Landgericht, deutlich. Seine Zweifel sind nicht aus der Luft gegriffen: Der 45-Jährige ist seit seinem zehnten Lebensjahr schwerer Alkoholiker - an Regeln hat er sich bisher kaum gehalten, saß bereits insgesamt zwölf Jahre hinter Gitter.

Auch am Abend des 29. Januars war der arbeitslose Mann nicht nüchtern, als er auf die damals 36-Jährige und ihren 28 Jahre alten Freund in einer schmalen Seitengasse der Hornschuchallee mitten in Forchheim traf. Er wollte geliehenes Geld (50 Euro) von ihnen zurück fordern. Der 45-Jährige hatte noch Stunden nach der Tat zwei Promille im Blut.


Große Angst gehabt

Neben der schwierigen Rekonstruktion des Tatabends mit den widersprüchlichen Aussagen der Beteiligten, muss das Gericht herausfinden, ob der Angeklagte überhaupt schuldfähig ist. Dazu soll nun noch einmal das in der Nacht vom Angeklagten abgenommene Blut untersucht werden - sofern die Probe noch verwertbar ist. Finden sich darin Cannabinoide, so würde dies die Aussagen des Beschuldigten stützen und eine Wende bedeuten.

Dass Zweifel an seiner Schuldfähigkeit bestehen, hat weniger mit seinem Alkoholkonsum zu tun, den er gewohnt ist. Vielmehr mit einer Kräutermischung, die er eineinhalb Stunden vor der Tat gegen 20 Uhr geraucht haben will. Diese Aussage des 45-Jährigen war neu für alle Prozessbeteiligten, auch für den Bamberger Pflichtverteidiger Oliver Teichmann. Der Angeklagte umschreibt seinen Zustand von damals mit einer großen Angst vor einem epileptischen Anfall. Möglicherweise ist er dadurch so aggressiv aufgetreten, wie es die Opfer schilderten. Wobei das männliche Opfer die schwereren Verletzungen davon trug: Dem 29-Jährigen wurden durch das Beil des Angeklagten eine Ader an der Hand und die Daumensehne durchtrennt - er hatte in der Nacht viel Blut verloren.


Möglich ist auch ein Freispruch

Auch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen wirft Fragen auf. Der Experte aus Erlangen kann nach der überraschenden Aussage des Angeklagten eine komplette Schuldunfähigkeit des vorgeschädigten 45-Jährigen nicht mehr ausschließen: Kräutermischungen und deren Wirkungen seien schließlich nicht ausreichend erforscht.

Eine Schuldunfähigkeit würde bedeuten, dass der Angeklagte nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde. Da aber die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Psychiatrie wohl ebenso nicht gegeben sind, wäre der Angeklagte unter diesen Umständen vom Gericht freizusprechen. Oberstaatsanwalt Heyder äußerte große Zweifel an der Qualität des Gutachtens, ebenso Pflichtverteidiger Teichmann: Das Gutachten müsse wasserdicht sein.


Fortsetzung wohl am Montag

Am kommenden Montag soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Sollte die Blutprobe aus der Tatnacht noch verwertbar sein, könnte ein weiterer Psychiater erneut den Zustand des 45-Jährigen beurteilen. Frühestens dann könnte ein Urteil fallen - wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Prozess noch in die Länge zieht.

Interessant wird auch sein, wie das Gericht die unterschiedlichen Aussagen über den Tathergang wertet. Der Angeklagte hatte angegeben, er habe Pfefferspray in die Augen bekommen und nur aus Notwehr das kleine Beil nach oben gerissen. Für die Version sprechen Pfefferspray-Spuren an seiner Jacke. Das "Outdoor"-Beil trug der Angeklagte wegen seines Hobbys - er sammelt Wurzeln - um den Hals.

Die Frage ist, wen das Gericht für glaubwürdiger hält. Schließlich waren auch die beiden Opfer alkoholisiert, als die Bluttat geschah.