Aufzeichnungspflicht: Gastwirte klagen über Bürokratie
Autor: Josef Hofbauer
Forchheim, Dienstag, 21. April 2015
Einen Hilfeschrei der Gastronomie nennt Georg Hötzelein den Protest der Wirte gegen einen "Dokumentationswahn". Auch die Kellerwirte klage über zu viel Bürokratie.
Als "bürokratische Zwangsjacke" bezeichnen die Gastronomen die Aufzeichnungspflicht in der Gastronomie. "Wir wollen arbeiten, nicht nur im Büro sitzen und schauen, dass wir bei der Dokumentation nur ja nichts vergessen haben", klagt Andrea Luger, Behringersmühle, die Bezirksvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes. Zusammen mit knapp 4000 anderen Gastronomen hat sie in München gegen das Arbeitszeitgesetz demonstriert. "Einen Hilferuf der Gastronomie" nennt Luger dieses Treffen.
Kreisvorsitzender Georg Hötzelein, Regensberg, sieht die Wirte und Bedienungen durch die detaillierte Aufzeichnungspflicht entmündigt. Warum, so fragt Hötzelein, soll eine Hausfrau an einem Sonntag nicht zwölf Stunden lang bedienen dürfen, wenn sie das so möchte und das in der Vergangenheit problemlos möglich war? "Sollen wir nach zehn Stunden bei einer Hochzeitsgesellschaft die Bedienung abziehen und umstellen auf Selbstbedienung", fragt Andra Luger.
Passt nicht
"Das passt alles nicht", findet die Bezirksvorsitzende des Hotel und Gaststättenverbandes. "Auf dem Papier lässt sich eine Zirkulation des Personales wunderbar planen", findet Georg Hötzelein, in der Praxis gestalte sich der Wechsel von einer Bedienung zur anderen deutlich problematischer. "Da kann ein Ober nicht einfach seine Schürze weglegen und sagen: Ich mach jetzt Pause. Der Kollege weiß ja gar nicht, wer was bestellt hat, bzw. wer noch keine Bestellung aufgegeben hat." Das braucht Zeit. "Und das geht gar nicht, wenn 50 Gäste einer Bus -Reisegesellschaft auf ihr Essen warten", findet Hötzelein.
"Es muss reichen, wenn ich den Dienstbeginn und das Dienstende meiner Bedienungen notiere", argumentiert Mike Reisemann, Wirt auf dem Winterbauer-Keller. Er findet das Arbeitszeitgesetz grauenhaft. "Eine Arbeits-Beschaffungsmaßnahme, sonst nichts."
Sache des Vertrauens
Er bezahle den Mindestlohn nicht erst, seit die 8,50 Euro gesetzlich festgeschrieben wurden. Reisemann hält nichts davon, die Zigarettenpause oder den Toilettengang einer Bedienung akribisch zu notieren. "Wenn die acht Stunden da ist, bekommt sie ihre acht Stunden bezahlt, egal ob sie eine oder drei Rauchpausen eingelegt hat", findet der Chef des Winterbauer-Kellers. Bei ihm gilt auch die Zeit, in der sich seine Bedienung mit einer Currywurst stärkt als Arbeitszeit. "Eine Sache des Vertrauensverhältnisses zwischen Gastronom und Bedienung" nennt Mike Reisemann dieses Verhalten.
Auch Christoph Kauer, der neben dem "Stadtlockal" jüngst mehrere Keller gepachtet hat, klagt über eine zunehmende Bürokratisierung. "Die Dokumentation wird immer schwieriger, besonders für kleinere Betriebe, die sich kein Zeiterfassungssystem leisten können."
Dass die Bedienungen anständig entlohnt werden müssen, sei eine Selbstverständlichkeit, findet Kauer. Er hat kein Problem mit einer Überschreitung der maximalen Arbeitszeit. "Da unsere Bedienungen zeitversetzt arbeiten, kommen da nie mehr als sechs bis acht Stunden zusammen", so Kauer.
Hubert Gronauer (Schweizer Keller) ereifert sich: "Da wird wieder einmal die Verantwortung auf die unterste Ebene verlagert. Da wird der Unternehmer für den politischen Willen haftbar gemacht." Der Gastronom spricht von "bürokratischem Wahnsinn". "Auch wenn sich die Wirte noch so viel Mühe geben, die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes funktioniert nicht", ist Gronauer überzeugt.
Er schätzt den zeitlichen Aufwand für die Dokumentation von Hygienevorschriften, Arbeitszeit, Mindestlohn, Allergenen und weiteren 15 Auflagen auf anderthalb Stunden pro Tag. "Da sind Dinge dabei, die kannst du als Arbeitgeber deinen Mitarbeitern nicht vermitteln. Die denken, der hat sie nicht mehr alle", kritisiert Gronauer die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Sein Fazit: "Die Dokumentation hat ein Ausmaß erreicht, das uns die Luft abschnürt."
Hinzu komme die unterschwellige Angst vieler Gastronomen, etwas falsch zu machen, denn hier habe der Gesetzgeber den drohenden Zeigefinger erhoben, 1600 Zollbeamte zusätzlich einzustellen, um die Aufzeichnungen jederzeit kontrollieren zu können, ergänzt Georg Hötzelein. Er verdeutlicht: "Wir leben also ständig in der Gefahr, dass eine Abordnung der Zollfahndung einen Biergarten, einen Keller oder ein Lokal aufsucht und die lückenlose Dokumentation sehen will. Dann geht für ein, zwei Stunden gar nichts. Dann sitzen die Gäste auf dem Trockenen", unterstreicht der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes.
Mehrkosten vorprogrammiert
Er rechnet auch vor, dass die Dokumentationswut nur Mehrkosten produziert. Allein die Tatsache, dass für die 450-Euro Kräfte künftig 30 statt bisher 20 Prozent an die Sozialversicherung abgeführt werden müssen führe zu einer Kostensteigerung um die fünf Prozent. Und wenn wegen der gesetzlich verordneten Pausen und freien Tage mehr Arbeitskräfte eingestellt werden müssten, wirke sich das selbstverständlich auf den Preis aus. "Irgendwer muss die Dienstleister ja bezahlen", betont Hötzelein. Nach der Massendemonstration in München ist er aber guten Mutes, dass die Suppe "Dokumentation" nicht so heiß gegessen werden muss, wie sie gekocht und den Wirten eingebrockt wurde.
Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) habe Verständnis für die Situation der Gastronomen gezeigt und Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Vor allem bei der Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit hoffen die Gastronomen künftig auf mehr Augenmaß.