Aggressionen am Einsatzort: Helfer spüren Wertewandel
Autor: Petra Malbrich
, Sonntag, 14. Februar 2016
Immer mehr verbale oder körperliche Gewalt schlägt Rettungshelfern in Erlangen-Höchstadt am Einsatzort entgegen. Es gibt aber einen Unterschied.
Es kommt darauf an, ob die Rettungsassistenten als Helfer oder als Störer betrachtet werden, wenn sie Aggressionen, Ignoranz, Respektlosigkeit oder Rücksichtslosigkeit erfahren.
Immer mehr verbale oder körperliche Gewalt schlägt laut einer BRK-Studie den Rettungshelfern am Einsatzort entgegen. Meist im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen. Abgestritten wird der Inhalt dieser Studie nicht, aber die verbale oder gar körperliche Gewalt im Landkreis wird von vielen auch nicht als dringendes Problem angesehen.
2011 sei das schon einmal Thema gewesen, als das BRK mit Schutzwesten ausgerüstet war. Das taten auch Kollegen der Rettungshelfer vom ASB in Hessen, mit schlechter Erfahrung, wie Jens Kasberger meint, Geschäftsführer der Erlanger Notfallhilfe des ASB und somit auch zuständig für Herzogenaurach. Sie setzen lieber auf Deeskalationstraining.
Ein Fall liegt schon zwei Jahre zurück, als ein Rettungshelfer durch einen Tritt leichte Verletzungen zugefügt bekam. "Wir können einen Wertewandel feststellen. Es gibt ein anderes Anspruchsdenken", betont Kasberger. Denn oft würde man zu Bagatellen gerufen werden, weil die Betroffenen nicht auf einen Arzt warten möchten. "Da gibt es dann schon andere Worte", erklärt Kasberger die verbalen Auseinandersetzungen.
Er kann sich noch an eine sehr aggressive Situation erinnern. Designerdrogen waren im Spiel und die Person komplett im Wesen verändert. Doch da richtete sich die Gewalt eher gegen die Polizei, die dann auch Verstärkung holen musste. Die Rettungsassistenten des ASB in gelben Jacken und weißen Hosen galten als die guten.
"Jeder ist froh, wenn wir kommen", bekräftigt auch Michael Haas, ehrenamtlicher Behördenleiter des THW, der ebenfalls für Herzogenaurach zuständig ist. Probleme gebe es bei verkehrsregelnden Maßnahmen schon. In Bayern sind die Feuerwehr und das THW berechtigt, den Verkehr zu regeln. Bei Unfällen sofort, bei Veranstaltungen durch das Landratsamt oder die Kommunen.
Über den Fuß gefahren
Doch wenn die "Hilfssheriffe" mit ihrer Kelle am Unfallort stehen, werden sie nicht als Rettungshelfer beachtet. Man will es nicht. Meist komme das Auto kurz vor dem Schienbein des Rettungshelfers zum Stehen, manchmal werde das Gaspedal im Leerlauf nochmals durchgetreten. Einem Ehrenamtlichen wurde über den Fuß gefahren. "Abstruse Ausreden und natürlich auch Beschimpfungen", beschreibt Haas die Reaktion mancher Zeitgenossen. Die Rücksichtslosigkeit nimmt immer mehr zu. Und damit auch die Respektlosigkeit. "Für Ehrenamtliche ist das frustrierend. Sie merken die Ignoranz gegenüber den Rettungshelfern. Für die Leute sind wir dann nicht die Helfer, sondern die Störer deren individuellen Lebens", erklärt Haas die Vorgehensweise bei den Verkehrsregelungen.
Selbst wenn die Helfer des THW Baken mit den fünf Blinklichtern aufgestellen, wird das ignoriert und eben links herum gefahren. Wenn sich manche Leute in Kopf gesetzt hätten, auf einer bestimmten Straße oder Wegstrecke zu fahren, wollen sie dort durch, selbst wenn die Straße durch Hochwasser überflutet sei.
"Ungefähr ein Viertel der Leute sind uneinsichtig", findet Haas. Schützen können sich die Helfer nur wenig. "Wenn wir vor deren Motorhaube stehen, fahren sie in der Regel nicht weiter", sagt er resigniert. Die Beweispflicht einzubringen sei außerdem nicht so einfach und auch zum Verzweifeln. Ein Fahrer missachtete beispielsweise den THW und die Straßensperre an einer Autobahnausfahrt und fuhr einen Kegel um. Es kam zur Anzeige und zur Gerichtsverhandlung. Doch der Fahrer stritt ab. Das Verfahren wurde eingestellt, die Anzeige landete wieder bei der Polizei, die daraufhin das doppelte Bußgeld erheben könne. Hinterher gab er die Fahrerflucht zu, konnte dafür aber nicht mehr verurteilt werden. Das Strafmaß wäre höher gewesen. "Es ist nicht wert, dass ihr euch umfahren lasst", sagt Haas dann zu seinen Rettungsleuten. Aber die Anfeindungen gebe es nur in solchen Fällen, betont der ehrenamtliche Betriebsleiter. "Wenn wir Sandsäcke schichten, ist jeder heilfroh", sagt Haas. Denn dann kommt das THW als Retter.
"Der Respekt für medizinische Rettungshelfer ist noch hoch", findet auch Anton Schuster, der Rettungsdienstleiter des BRK Kreisverband Erlangen. Brennpunkte gebe es nicht. Die Polizei kriege wesentlich mehr ab, vor allem, wenn Alkohol im Spiel sei. Zusammen mit der Polizei werden die Rettungshelfer auf Deeskalation geschult. Wie führt man Gespräche, wie wehrt man ab, sind Themen.