Abnehmen in der Öffentlichkeit: Sebastian aus Dormitz lässt die Pfunde purzeln
Autor: Petra Malbrich
Dormitz, Donnerstag, 15. Oktober 2015
Viele Jahre lang hat Sebastian Kreissl erfolgreich verdrängt, dass ihm sein Übergewicht viele Chancen im Leben verbaut. Inzwischen hat der Dormitzer seinen Alltag radikal umgekrempelt - und dokumentiert dies mit schonungsloser Offenheit im Internet.
Man könnte sich viel einreden. Dass es eine lustige Zeit war, dass die 70 Kilo Übergewicht kein Problem waren und sein Leben überhaupt nicht beeinträchtigt haben. Schlechte Erfahrungen hat Sebastian Kreissl ja in der Tat nicht gemacht. Nur ab und zu gab es ein paar schiefe Blicke auf seinen Bauch.
Vielleicht lag dies auch daran, dass der Dormitzer in Nürnberg eine Schule für Körperbehinderte besuchte. Dort hatte jeder so seine Probleme mit dem Körper. Und Sebastians Problem war nie das Übergewicht alleine. Seit einem Geburtsfehler kann er seinen linken Arm und die Hand kaum bewegen. Der Rücken ist zudem schief durch das körperliche Ungleichgewicht. Was störten ihn da schon der jährlich wachsende Bauchumfang und die überflüssigen Pfunde?
Immer weiter bergab
Vor einem Jahr aber hat Sebastian Kreissl bemerkt, dass er sich mit all den Beschwichtigungen am Ende nur selbst belügt. Vor zwei Monaten wachte er dann eines Tages auf und wusste: "Jetzt musst du etwas tun, sonst geht es weiter bergab." So erinnert sich der 22-Jährige an jenen Moment, als er beschloss, sein Leben radikal zu ändern. Als Motivation für sich selbst und für andere, die abnehmen wollen, hat er sich oben ohne fotografiert und das entsprechende Foto auf seine Facebook-Seite gestellt.
Weshalb Sebastian so dick geworden ist, weiß er selbst nicht so genau. Vielleicht hing es mit seiner körperlichen Behinderung zusammen, die ihn viele Aktivitäten nicht machen ließen. Die Freunde gingen in den Schützenverein, er blieb zu Hause und aß Süßigkeiten. "Ich sehe es wie ein Loch. Man fängt an zu graben, fällt tiefer, hat keine Lust mehr rauszugehen, isst mehr Süßigkeiten und merkt, dass der Bauch immer dicker wird. Alles schaukelt sich hoch", beschreibt dies Sebastian.
In all den Jahren hat Sebastian nicht nur eine Diät ausprobiert. "Eine Diät alleine nutzt nichts. Das wirkt nur kurzfristig", weiß er heute. Lediglich 70 Prozent, so schätzt er, funktioniere beim Abnehmen über die Ernährung. Ohne die fehlenden 30 Prozent - Sport und Bewegung - sei der Abnehm-Effekt beinahe zu vernachlässigen.
Nach seinem Entschluss ging Sebastian zum Arzt und machte einen Gesundheitscheck. Zuvor hatte er bei ähnlichen Terminen immer nur gehört, wie ungesund sein Übergewicht sei. Dieses Mal jedoch versprach ihm der Arzt, ihn zu begleiten. Das Ziel war, auf eine gesunde Art und Weise abzunehmen.
Im Internet hat Sebastian anschließend auf eigene Faust nach einem Personal Trainer gesucht. Zwei Mal pro Woche arbeitet dieser seitdem eineinhalb Stunden mit Sebastian. Er gibt dem Dormitzer Ernährungstipps und zeigt ihm Sportübungen wie zum Beispiel Liegestützen. Die fälligen Kosten, die sich auf etwa 500 Euro im Monat belaufen, muss Sebastian selbst bezahlen. "Damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt, bin ich zu leicht", sagt er - so komisch das auch klingt.
Mit seinen 1,84 Meter bringt Sebastian derzeit 160 Kilo auf die Waage. "90 Kilo wären ein gutes Gewicht", sagt er. "Sieben Kilo sind schon weg. Ich gehe täglich meine 10 000 Schritte und schwimme", erzählt der Dormitzer.
Ein ganz eigener Stil
Das alles macht er gern. Selbst mit dem eingeschränkten Arm hat er sich einen eigenen Brustschwimm-Stil angeeignet. "Ich möchte nicht mehr schlapp und motivationslos sein, sondern fitter durchs Leben gehen", formuliert Sebastian sein Ziel. Sich auf Facebook zur Schau zu stellen, hat ihn anfangs einige Überwindung gekostet. Doch mit seiner Seite "Mein Fett muss weg" möchte Sebastian auch anderen Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen.
Sebastian wird dort seine Fortschritte auf www.facebook.com/skfettwegdokumentieren. "Man darf aus einem Durchhänger nicht ins Loch fallen. Wichtig ist es, die Sache gleich wieder anzupacken", sagt er. Sebastian Kreissl aus Dormitz fühlt sich heute gewappnet für sein neues Leben.