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33 Jahre nach Tod seiner Tante: Forchheimer enthüllt tragische Liebesgeschichte


Autor: Ekkehard Roepert

Forchheim, Donnerstag, 09. Oktober 2014

Über 30 Jahre dauerte es, bis Herbert Gumbmann aus Forchheim klar wurde, was sich auf der Rückseite der Feldpostkarten-Sammlung seiner Großtante verbarg.
Foto: Josef Hofbauer


Babette Gumbmann starb 1981 kurz vor ihrem 90. Geburtstag. Über ihre Liebesgeschichte aus den Zeiten des Ersten Weltkrieges hatte sie nie wirklich gesprochen. In der Familie kursierten nur Andeutungen. "Man wusste, sie war da mal heftig verliebt", erzählt ihr Großneffe Herbert Gumbmann. Doch durch eine Reihe von Zufällen wurde diese Liebesgeschichte 33 Jahre nach dem Tod von Babette Gumbmann dann doch noch erzählt.

Von seiner Großtante hatte der Forchheimer Lehrer Herbert Gumbmann ein voluminöses Album mit Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg geerbt. "Die farbigen Karten haben mich sofort fasziniert", erinnert er sich. Alle paar Jahre blätterte er in dem Album. Hunderte Karten. Der Lehrer nahm sich immer wieder vor, sie zu entziffern. Doch nachdem er 2010 in den Ruhestand gegangen war, hatte er plötzlich die Einsicht: "Das machst du nie!"
Als sich das Gedenkjahr 2014 näherte, beschloss er, das Album dem Pfalzmuseum zu schenken. Die Geschichte der bunten Karten schien für ihn beendet - bis im Januar 2014 sein Telefon klingelte. Museumsleiterin Susanne Fischer meldete sich mit der Frage, ob er die Karten denn lesen könne?

Sütterlin

Herbert Gumbmann machte sich auf den Weg ins Museum und es begannen mühsame Tage. Obwohl der gebürtige Erlanger (Jahrgang 1947) das Sütterlin-Alphabet in der Schule noch gelernt hatte, war die verblasste Bleistift-Schrift auf den Postkarten, oft im Schützengraben hingekrakelt, beinahe unleserlich.
Gumbmann entzifferte, Fischer schrieb auf. Zwar stand auf den meisten Karten "nix besonderes"; meist Standardsätze wie: "Mir geht es gut, ich hoffe das gleiche von Euch"; doch mit jeder Karte mehr empfand Gumbmann den Leseprozess "wie eine Kriminalgeschichte".

Drei Bürder im Krieg

Denn es stellte sich heraus, dass Großtante Babette eine rege Kriegs-Korrespondenz nicht nur mit ihren Brüdern Georg, Valentin und Johann sowie mit ihren Schwägern Konrad und Andreas unterhalten hatte; es gab zudem verschiedene Verehrer, die schrieben. Die meisten Karten kamen von einem gewissen August Daigfuß. Neben nüchternen Fakten mischten sich immer wieder "Liebe Grüße" und "Küsse" in seine Mitteilungen von der Front.

Versprochen

Die rund 200 Karten von August (dem Babette offensichtlich "versprochen" war) und die Recherchen von Museumsleiterin Susanne Fischer (im Stadtarchiv von Herzogenaurach) setzten sich allmählich zu einer tragischen Liebesgeschichte zusammen. Die kann dieser Tage in den Forchheimer Rathaushallen (noch bis zum 12. Oktober) betrachtet und nachgelesen werden. Sie erzählt von dem Metzger August Daigfuß, der 1913 bei der Musterung zurückgestellt wird, weil er nur 1,52 Meter groß ist; der 1915 dann aber doch zum Landsturm nach Nürnberg und dann an die Westfront kommt; der fast den ganzen Krieg mitmacht und in manchen Monaten täglich an seine geliebte Babette schreibt; der ihr am 25. August 1917 die einzige Karte schickt, die nicht im Feld geschrieben ist, sondern im Heimaturlaub in Herzogenaurach.

Missing Link

Diese Karte, mit dem Versprechen, Babette zu treffen, sei der "Missing Link" in der Korrespondenz gewesen, sagt Herbert Gumbmann. Die Zeilen vom 25. August 1917 offenbaren die große Nähe des Liebespaares. Ob sich August Daigfuß während des Heimaturlaubs mit seiner Liebhaberin aus Obermembach (drei Kilometer Luftlinie von Herzogenaurach entfernt) dann tatsächlich getroffen hat, ist nicht belegt.

Das für ihn entscheidende dieser Korrespondenz, sagt Herbert Gumbmann, sei die Beharrlichkeit des Schreibers August: "Als hätte er jeden Tag ein Signal geben wollen: Ich lebe!"

Doch plötzlich die letzte Nachricht. Sie kommt nicht von August, sondern erreicht Babette über einen Freund von ihm: "Sehr geehrtes Fräulein! Teile Ihnen mit, daß August schwer verwundet wurde. Er erhielt einen Bauchschuß. Er wurde ins Lazarett verbracht und hoffe, daß er mit dem Leben davon kommt..."

Vergebliche Hoffnung. Am 23. März 1918 starb August auf einem Verbandsplatz bei Vaulx-Vraucourt.