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1933: Die NSDAP übernimmt den Stadtrat


Autor: Manfred Franze

Ebermannstadt, Mittwoch, 02. Oktober 2013

Teil 16 unserer Serie "Gegen das Vergessen": Der Weg in die nationalsozialistische Diktatur führte über die Gleichschaltung des Stadtrats in Ebermannstadt. Anfangs gab es noch Widerstand, der aber bald gebrochen wurde.
Aufmarsch der NSDAP in Ebermannstadt. Repros: Manfred Franze


Nach dem "Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich", das Hitler nach dem Verzicht des Parlaments auf seine Gesetzgebungsbefugnis erließ, galten alle "gemeindlichen Selbstverwaltungskörper" als aufgelöst und mussten nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu gebildet werden. Der Prozess dieser "Gleichschaltung" lief in Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich ab, zumal in den rein katholischen Gemeinden die BVP auch in der Reichstagswahl vom 5. März in der Regel die meisten Stimmen erzielt hatte.

Spaltung der BVP

In Ebermannstadt standen der BVP mit 60 Prozent der Stimmen fünf Sitze zu, der NSDAP drei. Bürgermeister Georg Wagner, der von der BVP zu der NSDAP gewechselt war, hielt sich als Wahlleiter exakt an die vorgegebenen Bestimmungen.

Fristgerecht reichten die NSDAP und die BVP ihre Vorschlagslisten ein - letztere allerdings gleich zwei. Da aber je Partei nur ein Vorschlag zulässig war, kam es zum Streit zwischen den beiden BVP-Listenführern. Auf der einen Seite stand der Bäckermeister Gabriel Detzel, altgedienter Vorsitzender der Ortsgruppe, und auf der anderen der junge Schreiner Franz Herlitz, aktives Mitglied im Katholischen Burschenverein. Der Bürgermeister setzte für den 22. April eine erneute Sitzung des Wahlausschusses an.

Bei dieser Sitzung ignorierte Wagner die von der Bamberger BVP-Kreisgeschäftsstelle ausgestellte Vollmacht für Franz Herlitz und ließ nur die Liste Detzels zu. Er schlug vor, eine gemeinsame Liste aus NSDAP und BVP zu bilden. Das lehnten die Nationalsozialisten ab, da auf ihrer Liste bereits BVP-Mitglieder stünden. Daraufhin zog Detzel seinen Wahlvorschlag zurück, trat aus der BVP aus.

Gegen den Verzicht auf die eigenen Sitze legte aber Anton Sponsel als zweiter Vertrauensmann der BVP-Liste sofort Widerspruch ein und beschwerte sich tags darauf ebenso wie Franz Herlitz und die Bamberger BVP-Kreisgeschäftsstelle beim Bezirksamt. Der Bürgermeister hatte nämlich alle acht Sitze der NSDAP zugesprochen.
Amtschef Dr. Waller forderte zunächst schriftliche Stellungnahmen von allen Beteiligten und seines SA-Sonderkommissars ein. Der SA-Sturmführer Thomas Kraus sah im Vorgehen des Ebermannstädter Wahlausschusses "keinerlei Verstoss gegen die gesetzlichen Bestimmungen" und fügte hinzu, dass mit der alleinigen Berücksichtigung der NSDAP-Liste "produktive Arbeit" zu erwarten sei, zumal darauf "auch noch einige sehr intelligende [!] und angesehene Männer der bayer. Volkspartei im Stadtrat vertreten" seien.

Ein letztes Aufbäumen

Der nun rein nationalsozialistische Stadtrat wählte am 28. April Georg Wagner zum 1. und den NS-Ortsgruppenleiter Leonhard Schmitt zum 2. Bürgermeister - allerdings erfolglos, weil das Bezirksamt am selben Tag aus formellen Gründen den eingelegten Beschwerden stattgab. Fünf nationalsozialistische Stadträte mussten ihre Sitze an die BVP-Liste abgeben, die Franz Herlitz eingereicht hatte.

Damit setzte sich der Bezirksamtschef Dr. Waller über das Votum hinweg, das Sonderkommissar Thomas Kraus abgegeben hatte. Es war ein letztes Aufbäumen des Rechtsstaates gegen den diktatorischen Machtwillen der Nationalsozialisten. Sie suchten jetzt über die Regierung von Ober- und Mittelfranken eine Entscheidung in ihrem Sinne herbeizuführen, scheiterten aber auch hier. Am 9. Mai stellte sich die "Kammer des Innern" hinter das Bezirksamt und ordnete wegen des falsch zusammengesetzten Stadtrates zusätzlich die Wiederholung der Bürgermeisterwahl an.

Fast entschuldigend heißt es zum Schluss: "Die im Vorlagebericht ausgeführten Gründe mögen eine anderweitige Verteilung der Sitze vielleicht wünschenswert erscheinen lassen, das Gleichschaltungsgesetz und die hiezu erlassenen Bestimmungen geben jedoch keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Feststellung des Ergebnisses." Noch also wagten staatliche Beamte, sich der Willkür der Nationalsozialisten zu verweigern.

Am 18. Mai konstituierte sich der Stadtrat in seiner neuen Zusammensetzung und wiederholte als erstes die Bürgermeisterwahl. Ohne Gegenstimme und damit auch von den fünf BVP-Stadträten wurden Georg Wagner zum 1. Bürgermeister, Leonhard Schmitt (NSDAP) mit einer Gegenstimme zum 2. Bürgermeister und der Kaufmann Jakob Batz (NSDAP) mit zwei Gegenstimmen zum 3. Bürgermeister gewählt.

Kundgebung bringt Stimmen

Der Wahl waren, so berichtete der Wiesent-Bote, "Einigungsverhandlungen von NSDAP und BVP" vorausgegangen. Dazu beigetragen hat sicherlich die groß aufgezogene Maikundgebung am Feiertag zuvor, vermutlich aber auch der Schachzug, mit der Installation eines dritten Bürgermeisters, zwei weitere Nationalsozialisten in die Kommunalvertretung aufrücken zu lassen: den Kaufmann Jakob Batz und den Diplom-Ingenieur Nikolaus Schmidt. Im Gegenzug wurde dann Franz Lastner von der BVP-Liste-Detzel zum "Stadtkassier" gewählt und Franz-Herlitz von der anderen BVP-Liste mit der Führung der "Wasserleitungskasse" betraut. Als in dieser Zusammensetzung die drei Bürgermeister und die acht Stadträte zu ihrer ersten Sitzung am 24. Mai zusammentraten, "zierte ein großes Bild Adolf Hitlers" das Sitzungszimmer im Rathaus. Versöhnlich beglückwünschten sich die Bürgermeister zu ihrer Wahl und forderten zum "einmütigen Zusammenstehen" auf (Wagner), zur "gewissenhaften und parteilosen" Amtsführung (Schmitt) sowie zu "Uneigennützigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit" (Batz).

Vier Mal tagte der Stadtrat in dieser Zusammensetzung. Dann platzte die Zusammenarbeit, weil die Polizei in ganz Bayern gegen die BVP vorging und ihre führenden Mitglieder festnahm. Am 26. Juni wurden in Ebermannstadt, Hollfeld und Waischenfeld 15 BVP-Stadträte verhaftet. Einen Tag später ließen Kreisleiter Karl Schmidt und Sonderkommissar Kraus fünf weitere Personen in Schutzhaft nehmen - wegen der Missstimmung "eines Großteils der Bevölkerung und insbesondere seitens der Mitglieder der NSDAP und der SA". Alle fünf seien "wegen ihrer früheren und zum Teil auch jetzt noch agitatorischen Tätigkeit gegen NSDAP" aufgefallen und zeigten auch jetzt noch "ihre besondere Verbundenheit zur Bayerischen Volkspartei".
Mit ähnlichen Begründungen wurden auch in Forchheim am 26. Juni sieben BVP-Stadträte in Schutzhaft genommen. Die insgesamt 27 BVP-Mandatsträger wurden auf die Gefängnisse in Forchheim, Bamberg und Bayreuth verteilt. Ein Teil von ihnen kam auf "Anordnung des Bezirksamtes Ebermannstadt" am 30. Juni frei, alle anderen erst nach der Selbstauflösung der Bayerischen Volkspartei am 5. Juli 1933 und nach schriftlichem Verzicht auf ihr Mandat. Mit dem "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" war ab dem 14. Juli 1933 jede politische Betätigung außerhalb der NDSDAP eine Straftat. Am 3. August 1933 "verfügte" Dr. Heinz Wirsching vom Bezirksamt Ebermannstadt "im Einvernehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP", dass die im Stadtrat von Ebermannstadt "freigewordenen 5 Sitze" durch die Berufung von fünf namentlich genannten Nationalsozialisten besetzt werden. Ab diesem Datum waren die Selbstverwaltungsrechte der Kommune ausschließlich in der Hand von Nationalsozialisten.