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Zwischenstation in Baiersdorf


Autor: Pauline Lindner

Baiersdorf, Freitag, 14. August 2015

Im Brandenburger Hof sollen bald 25 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge einziehen. Das Landratsamt und die Stadt Baiersdorf haben deshalb zu einem Infoabend für die Baiersdorfer eingeladen.
Der Brandenburger Hof liegt zentral in Baiersdorf. Mindestens drei Monate werden dort 25 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge untergebracht. Foto: Pauline Lindner


Mohamad ist 16 und Kurde. Als er zwangsrekrutiert werden sollte, floh er 2014 aus einer Region mit häufigen Bombenangriffen und gelangte über die Türkei, Griechenland und Italien nach Deutschland, weil ein Cousin von ihm in Hamburg lebt. In Erlangen wurde er von der Polizei aufgegriffen und kam in die Obhut des Jugendamts. In Griechenland kam er für 19 Tage ins Gefängnis, weite Fluchtstrecken legte er in nächtlichen Fußmärschen zurück.

Sein Schicksal stellte Jugendamtsleiterin Heike Krahmer beim Infoabend als Beispiel vor, um welche Menschen es sich handelt, die demnächst im Brandenburger Hof untergebracht werden. In den Gasthof auf der Baiersdorfer Hauptstraße ziehen 25 jugendliche Flüchtlinge ein. Zuständig für ihre Betreuung ist das Jugendamt des Landkreises.

Die Eigentümer haben das Anwesen für mindestens drei Monate an den Freistaat vermietet.

Krahmer betonte, dass bei den jungen Leuten das Jugendrecht Vorrang vor ausländerrechtlichen Fragen habe.
Daher werde als erstes für jeden ein Vormund vom Familiengericht bestellt. Das Haus ist eine Übergangseinrichtung. Danach sollen die Jugendlichen in Wohngruppen wie andere deutsche alleinlebende Jugendliche untergebracht werden.

Im Brandenburger Hof geht es vorrangig um eine Grundversorgung. "Viele müssen erst wieder einen Tag-Nacht-Rhythmus finden", machte Krahmer auf einen wenig bedachten Aspekt aufmerksam. Händeringend suchen Krahmer und ihre Mitarbeiter nach weiteren Unterbringunsmöglichkeiten.
Denn gerade die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen steigt rapide. Waren es im Sommer 2014 noch 26, die nach der Landkreisquote in Erlangen-Höchstadt unterzubringen waren, leben derzeit 40 hier. Für 33 werden unter anderem in Adelsdorf Plätze geschaffen. Die Quote für ERH ist bis Ende dieses Jahres auf 128 angestiegen. "Uns fehlen noch 78 Plätze", konstatierte Krahmer.

Abgelegene Objekte sind ungeeignet, denn die Minderjährigen sind alle berufsschulpflichtig. Unter konkreter Hilfe listet Krahmer als erstes auf: freundlich und respektvoll begegnen. "Die jungen Leute, die schon in Baiersdorf sind, verhalten sich selber auch so", bestätigte Carmen Wurm, die Deutschstunden für die in der Industriestraße lebenden Flüchtlinge gibt. Sie sind kaum älter als die neuen, werden aber als Volljährige nicht vom Jugendamt betreut.

Auch Ludwig Weinkam von der Polizei Erlangen-Land hob hervor, dass in den sechs Wochen seit ihrem Einzug kein Einsatz notwendig war: "Die PI hat einen eigenen Ansprechpartner für Flüchtlinge. Der schaute dann gerade vorbei, wenn Sie ein Polizeiauto vorm Haus gesehen haben."

Fahrräder findet Krahmer wichtig. "Und ein Kurs Verkehrssicherheit", Sprachkurse und Sportmöglichkeiten sowie Praktikumsplätze. "Der Kostenfaktor wird danach höher sein, wenn jetzt nichts getan wird", war das nüchterne Argument eines Zuhörers, dass sofort Angebote nötig sind.

Die Beschulung macht dem Amt und den Zuhörern Sorgen. Im September werden zwei weitere Klassen zu den bisherigen zwei eingerichtet, eine in Herzogenaurach, eine in Höchstadt.

Auch das ist nur ein knappes Angebot, aber um ein Vielfaches besser als das für die Über-18-Jährigen. Sprachkurse über Fernsehen und Internet, Verträge für arbeitslose Lehrer kamen zur Sprache.
"Wir hätten gern mehr Unterstützung von oben", brachte es Krahmer auf den Punkt.

Und ebenso Bürgermeister Andreas Galster (CSU): "Wir müssen Bildungsarbeit und nochmals Bildungsarbeit machen. Aber die Kommunen können nur die Hardware wie Schulen stellen, die Software muss vom Kultusministerium kommen."