Druckartikel: Zu Besuch bei den Erdkindern

Zu Besuch bei den Erdkindern


Autor: Bernhard Panzer

Herzogenaurach, Mittwoch, 19. Dezember 2018

Die Montessorischule empfing in ihrem Garten an der Nutzung Pädagoginnen aus Russland. Diese interessieren sich für das besondere Erziehungskonzept.
Im Garten vor dem Bauwagen wurde die Besuchergruppe aus Russland von den Schülern empfangen und über die Arbeit im Erdkinderplan informiert. Foto: Bernhard Panzer


Bis aus Sibirien ist die russische Besuchergruppe angereist, die sich in diesen Tagen in Deutschland ein Bild über das pädagogische Konzept der Maria Montessori macht. Für Carolina Abel von der Montessori-Akadamie Biberkor ist das ein Zeichen, welch hohen Stellenwert diese Form der schulischen Erziehung inzwischen auch in Russland einnimmt. "Wer hierfür 6000 Kilometer fliegt, der tut das aus absoluter Lebensüberzeugung", sagte sie am Freitag in Herzogenaurach. Dort machten die Gäste Station und informierten sich über die "Schule des sozialen Lernens".

Acht Lehrerinnen und ein Lehrer aus ganz Russland wurden am Nachmittag auf dem schuleigenen, landwirtschaftlich genutzten Garten an der Nutzung begrüßt. Dort, neben den Geflügelzüchtern, hat die Schule ein städtisches Grundstück gepachtet, wo sie den Erdkinderplan umsetzt. Das ist ein Erziehungskonzept für Jugendliche in den Jahrgangsstufen sieben und acht.

Seit 2014 sind Schüler, die sich an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen befinden, auf diesem Grundstück aktiv. Damals haben die Jugendlichen einen Brief an die Stadt geschrieben und ihre Vorstellungen beschrieben, wie Susanne Hehn vom Montessori-Trägerverein erläutert. Und so wurde das Grundstück unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Grundstück selbst bewirtschaftet

Lehrerin Nicole Konrad empfing gemeinsam mit den Schülern der Klasse Silber die Gäste. Sie zeigten, was dort gemeinsam gearbeitet wird und welche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden. Es geht darum, das Grundstück selbst zu bewirtschaften, es zu hegen und zu pflegen, wie Konrad sagt. Der Erdkinderplan macht 20 Prozent des Unterrichts aus, findet also an einem Tag pro Woche statt.

Bauwagen wurde hergerichtet

Vor vier Jahren hat man von den Eltern auch einen Bauwagen spendiert bekommen, der gemeinsam hergerichtet wurde. Nur Toiletten gibt es derzeit noch nicht, diese dürfen bei den benachbarten Geflügelzüchtern genutzt werden. Dafür ist die Schülerfirma, die im Zuge des Erdkinderprojekts gegründet wurde, dem Verein als Mitglied beigetreten, sagt die Pädagogin.

Eines der nächsten Ziele ist es, eine eigene Kompost-Toilette zu bauen. Und einen Teich wollen die Kinder auch anlegen, ergänzt Nicolas Sommer, pädagogische Fachkraft an der Schule. Weil es im Sommer so heiß ist und sie sich Abkühlung versprechen, wie der zwölfjährige Vincent das Vorhaben begründet. Die erforderlichen Schritte müssen die Kinder selbst tun, sagt Sommer. Es brauche ja eine Genehmigung, der Naturschutz müsse geregelt sein und so weiter. Freilich unterstützen sie die Pädagogen darin, doch "die Kinder sind die treibende Kraft."

Das ist auch die Motivation des Erdkinderprojekts. Ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und Verantwortung soll da ermöglicht werden. Denn in der Altersstufe ab zwölf Jahren befinden sich die Heranwachsenden im "Übergang von der Mentalität des Kindes, welches in der Familie lebt, zur Mentalität des Erwachsenen, welcher in der Gesellschaft leben muss", wie es Maria Montessori einst formuliert hat. "Wenn das Gehirn wegen Umbau geschlossen hat", wie es Carolina Abel von der Montessori-Akademie bezeichnet, dann müssen die Kinder ihre eigenen Erfahrungen sammeln, am besten auch durch körperliche Tätigkeiten.

Für Abel sind die Erdkinder besonders wichtig. Deshalb hat das anerkannte Montessori-Ausbildungsinstitut die russischen Gäste jetzt auch zu Stätten eingeladen, an denen diese Erfahrungsschule des sozialen Lernens auch umgesetzt wird. Dazu gehörte vor allem die Montessorischule Potsdam, die den Deutschen Schulpreis bekommen hat. Aber eben auch Herzogenaurach. Weitere Stationen der Reise waren Dresden und Berlin, bevor es nach einem Besuch der Akademie am Starnberger See über Altötting zurück nach Russland geht. Zur Herzogenauracher Schule bestehen die Kontakte über das Erdkinderprojekt.

Zu den Gästen zählten auch Elena Timoschenko und Irina Isaeva, die internationale Montessori-Partnerschaften organisieren und weltweit Kontakte zu Montessorischulen haben. Oder Julia Olesova, die in Jekaterinenburg eine Schule gegründet hat. Oder auch Olessia Schumacher aus Barnaul im sibirischen Altai-Gebirge, die die weiteste Anreise hatte. Die Überzeugung für die Arbeit von Maria Montessori sei der Antrieb für die Reise, sagt Carolina Abel, aber man müsse das auch finanzieren können. Die Lehrer hätten ein Gehalt von 200 Euro. Genauso teuer sei in Russland das Schulgeld. "Das können sich nur wenige leisten."