Druckartikel: Wie tickt die AfD im Landkreis Erlangen-Höchstadt?

Wie tickt die AfD im Landkreis Erlangen-Höchstadt?


Autor: Christian Bauriedel

, Dienstag, 12. Juli 2016

Ein Besuch bei der Mitgliederversammlung des AfD-Kreisverbands Erlangen-Höchstadt.
Siegfried Ermer ist Erster Vorsitzender der AfD Erlangen-Höchstadt


Petry, Gauland, Höcke, Storch: Die obere Führungsriege der Alternative für Deutschland (AfD) prägt das Bild der Partei. Immer wieder gibt es provokante beziehungsweise unmissverständlich fremdenfeindliche oder antisemitische Äußerungen. Doch wie sieht eigentlich die Basis im Landkreis Erlangen-Höchstadt aus? Setzt sich dieses Bild der AfD hier fort? Wer sind die? Eine Spurensuche bei der Mitgliederversammlung des AfD-Kreisverbands Erlangen-Höchstadt.

Im Zentrum des Abends steht ein ausführlicher Vortrag über Energiepolitik eines Elektroingenieurs im Ruhestand. Das Fazit: Die Energiewende, so wie sie gemacht wird, ist ein Fehler. Danach steht eine Diskussionsrunde auf der Tagesordnung.


Treffpunkt nicht nennen

Wo die Versammlung in Erlangen genau stattfindet, solle lieber nicht in der Zeitung stehen. Darum bittet telefonisch am Tag danach Siegfried Ermer, Erster Vorsitzender. Der Grund seien unter anderem die Vorkommnisse bei einer Informationsveranstaltung der AfD in Herzogenaurach vor Kurzem (siehe unten).

So ungewöhnlich es ist, dass eine Partei ihren Sitzungsort nicht bekannt geben will: Auf den ersten Blick ist alles wie bei Versammlungen anderer Parteien auch. Die einen Weizen, die anderen Schorle. Manche ein Schnitzel. Kein Banner, keine Tischaufsteller, kein Kugelschreiber deutet im Raum auf ein Parteitreffen hin. Auch ein Mikrofon gibt es nicht. Der Saal ist klein genug. Brüllen wie der Thüringer AfDler Björn Höcke muss man hier nicht, um die Zuhörer zu erreichen. 70 Mitglieder hat der Kreisverband. 19 sind gekommen, davon sind zwei Frauen.
Auffällig: Es fehlen die Krawatten. Die Anzugdichte ist gering. Genau genommen hat nur ein Mann mit stramm nach hinten gegelten Haaren einen feinen Zwirn an. Vom Look erinnert viel an die Piratenpartei. Oder auch an die Grünen früher. Man merkt, das hier nichts geschliffen ist. "Professoren, Doktoranden, Busfahrer oder Polizisten: Bei uns gibt es einen Querschnitt der Gesellschaft", sagt Ermer. Typisch für eine junge Partei sei, dass sie auch Karrieristen anziehe, so Ermer: "Das Problem, dass sich Leute überall aufstellen lassen, wo es einen Posten gibt, gibt es in der Bezirks-AfD durchaus. Bei uns im Kreis nicht."

Ermer, 63 Jahre, Unternehmensberater im Ruhestand aus Höchstadt, ist in der AfD quasi ein Mann der ersten Stunde. Er ist schnell nach der Gründung im Jahr 2013 eingetreten. Vorher sei er nie in einer Partei gewesen. "Ich bin aus gesellschaftspolitischen Gründen eingetreten." Ihm gehe es um die Art, wie in Deutschland über politische Inhalte geredet wird. Er wünsche sich eine sachlichere Herangehesensweise. "These, Antithese, Synthese", sagt Ermer. Wann habe es das zuletzt in einer Bundestagsdebatte gegeben. Stattdessen gebe es nur parteipolitische Polemik.

Bis 2015 war Ermer Bezirkschef der AfD Mittelfranken. Er gab den Posten auf, weil fast der ganze Vorstand zurückgetreten war. Alleine wollte er den Job nicht machen. Auslöser für den Rückzug der Kollegen war der Wechsel an der Parteispitze von Bernd Lucke zu Frauke Petry. Viele sind aus der AfD ausgetreten, weil sie einen Rechtsruck befürchteten und um ihre berufliche Zukunft bangten, wegen des schlechten Bilds der Partei in der Öffentlichkeit. Ermer blieb.

Einen Rechtsruck könne er nicht erkennen: "Rechte gibt es bei uns nicht. Natürlich gibt es ein paar Leute, die stärker in die konservative Richtung denken." Sein Kollege Robert Aust, Zweiter Vorsitzender, sieht ebenfalls kein Problem mit rechtsextremen Tendenzen. Im Gegenteil: Er ärgere sich, dass die AfD oft das Kürzel "rechtspopulistisch" bekommt. "Ich würde das als Medienmeinung bezeichnen", so Aust.

Der 53-Jährige ist gebürtiger Erlanger, hat acht Jahre in den USA gelebt, ist verheiratet und hat keine Kinder. Er ist bei Siemens in einer leitenden Position. In der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde, den Baptisten in Erlangen, war Aust zwölf Jahre als Diakon ehrenamtlich tätig.

Als Christ sei er in einem Dilemma in der Flüchtlingsfrage. Einer Asylpolitik der offenen Grenzen gibt er jedoch eine Abfuhr: "Eine unkontrollierte Öffnung der Grenzen sehe ich als Problem an."

Die Lösung liege darin, die Situation in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten zu verbessern. Er kenne die Lage vor Ort, da er mit der Baptistengemeinde in den Libanon reiste, wo viele Flüchtlinge aus Syrien leben. Eine klare Antwort auf die Frage, was mit den Asylbewerbern in Deutschland geschehen soll, hat er nicht. Es seien jedenfalls zu viele, um sie integrieren zu können.

Dass Höcke in Thüringen mit rassistischen Äußerungen auftritt, sei kein Indiz, dass die AfD eine Grenze zum Rechtsextremismus überschritten hat. "Er hat aus einer wissenschaftlichen Studie zitiert. Dass ich das selbst nicht äußern würde, ist das eine", sagt Aust. Er könne dazu nichts weiter sagen, da er ihn nicht persönlich kenne.

Ermer scheint ein gespalteneres Verhältnis zu den Parteioberen zu haben. Einmal sagt er, er sei zufrieden mit deren Arbeit. Auf die Frage, wie es ist, in einer Partei mitzumachen, an deren Spitze ständig mit rechten Thesen hantiert wird, hört man Trotz heraus: "Ich bleibe so lange in der Partei, bis wir ein seriöses Personal haben."
Dass die AfD-Europaabgerodnete Beatrix von Storch einen Schießbefehl gegen Flüchtlinge an der Grenze ins Spiel brachte, sei "nicht sachlich, sondern populistisch". Höcke sei "ein Lautsprecher", der bewusst provoziere. Alexander Gauland, der sagte, die Mehrheit wolle einen wie Jérôme Boateng nicht als Nachbarn, sei dagegen als Opfer der Medien zu sehen. "Populistische Äußerungen werden herausgekitzelt. Man hat das Gefühl, es wird nur geschaut, wie man der Partei schaden kann", sagt Ermer.


Lieber nicht mit aufs Foto

Zum Schluss bittet der Reporter die beiden Vorsitzenden um ein Foto. Ermer hat kein Problem damit. "Lieber nicht", sagt Aust. Er fragt auch, ob er den Text vor Veröffentlichung gegenlesen könne. Als der Reporter verneint, sagt Aust: "Na gut, dann schauen wir mal, wie der Artikel wird. Ein Foto gibt es dann das nächste Mal. Mit Vertrauensbasis."


Eklat bei AfD-Veranstaltung in Herzogenaurach

"Es wäre gut, wenn Sie die Lokalität nicht nennen, damit der Wirt keine Probleme bekommt", sagt Siegfried Ermer, Erster Vorsitzender der AfD Erlangen-Höchstadt am Tag nach der Kreisversammlung in Erlangen letzte Woche. Er verweist auf andere Gaststätten, die der AfD einen Saal bereitstellten und Ziel von Attacken wurden. So etwa in Nürnberg, wo es Sachbeschädigungen und Drohungen gegen Wirte gab. "Eine bedrohliche Sache, was die Demokratie in unserem Land angeht", sagt Ermer.

Zuletzt hatte Tumult bei einer Informationsveranstaltung der AfD in einem Ortsteil von Herzogenaurach zu einem Polizeieinsatz geführt. Mitte Juni lud der Kreisverband zu einem öffentlichen Bürgerinformationsabend. Die Grünen-Stadträtin Retta Müller-Schimmel sowie etwa 20 weitere Kritiker der AfD-Politik kamen zu der Veranstaltung, um ihren Protest zu äußern.

Einige davon störten den Ablauf der Veranstaltung durch Zwischenrufe und Pfiffe. Als einer der Kritiker zum Smartphone griff, um zu fotografieren, kam es zum Streit. Ermer bat ihn, das Fotografieren zu unterlassen. Als der Mann dem nicht nachkam, informierte Ermer die Polizei, die vor Ort war, und ließ den Mann aus dem Saal entfernen. Von der Straße aus äußerten Gegner weiter ihren Protest.