Wie lange darf der Notarzt brauchen?
Autor: Sabine Memmel
Höchstadt a. d. Aisch, Dienstag, 24. Sept. 2013
Ein 16-Jähriger liegt betrunken auf der Straße. Rainer Kuth will helfen und wählt die 112. Nach einer halben Stunde sei immer noch kein Rettungswagen da gewesen. Die Version der Integrierten Leitstelle in Nürnberg sieht allerdings etwas anders aus.
Regungslos lag der Junge auf der Straße. Reagierte nicht mehr. War kaum noch bei Bewusstsein. Eine Gruppe von Jugendlichen versammelte sich um ihn. Schien hilflos. Rainer Kuth war eigentlich gerade auf dem Nachhauseweg, als er am vergangenen Samstag gegen 23 Uhr an der Gablonzerstraße vorbeifuhr. Sofort stieg er aus, eilte zu den Jugendlichen, wollte helfen. "Er hat eine Flasche Schnaps getrunken", informierten ihn die Freunde über den Zustand des 16-Jährigen.
Kuth griff sofort zu seinem Handy, wählte die 112, forderte einen Krankenwagen. Doch bei dem Notruf gab es - laut Kuth - ein Problem: Die Rettungskraft der Integrierten Leitstelle (ILS) in Nürnberg am anderen Ende der Leitung kannte Höchstadt nicht. "Können Sie das bitte buchstabieren?", soll der Disponent Kuth gefragt haben.
Nach einigen Minuten, als noch kein Rettungswagen eingetroffen war, wurde Kuth ungeduldig und rief ein zweites Mal bei der ILS an. "Der Anrufer ist richtig laut geworden", bezieht sich Löhr auf die Aufnahmen. Ein Rettungswagen aus Baiersdorf war zu diesem Zeitpunkt - 23.10 Uhr - schon unterwegs, da der Rettungswagen aus Höchstadt bei einem anderen Einsatz im Altenheim gebraucht wurde.
Drei Einsätze auf einmal
Als zeitgleich ein dritter Einsatz in Röttenbach dazu kam und der Höchstadter Wagen wieder frei war, machte sich doch dieser auf den Weg in die Gablonzerstraße. "Auf dem Land kann es eben mal länger dauern. Wir können nur mit den Fahrzeugen arbeiten, die wir haben", erklärt Löhr. Ist der Rettungswagen in Höchstadt im Einsatz, wird der in Baiersdorf oder Herzogenaurach angefordert. "Wir hatten auch schon Fälle, bei denen auch diese im Einsatz waren und wir Hilfe aus Erlangen anfordern mussten", erinnert sich Löhr.
Eine halbe Stunde nach dem ersten Notruf, also um 23.30 Uhr, ist laut Kuth jedoch immer noch kein Krankenwagen da gewesen. Stattdessen kamen die Eltern des Jugendlichen und bugsierten ihn gemeinsam mit seinen Freunden ins Auto. "Ich habe in der Zwischenzeit ein drittes Mal den Notruf gewählt, um den Krankenwagen, der ohnehin immer noch nicht da war, wieder abzusagen", erzählt Kuth.
Das muss allerdings schon vor 23.22 Uhr gewesen sein. Genau zu diesem Zeitpunkt kam der Rettungswagen laut Löhr nämlich in der Gablonzerstraße an - und fand keinen der Beteiligten mehr am Einsatzort vor. "Viele, die einen Notruf absetzen sind aufgeregt und haben ein verändertes Zeitgefühl. Wenn man auf etwas wartet, dauert es gefühlt länger", erklärt Löhr.
Für den 54-jährigen Kuth war der Vorfall dennoch eine "ernüchternde Erfahrung". Dass der Rettungswagen nicht schneller vor Ort war, ist für ihn unfassbar: "Man stelle sich vor, da hat jemand einen Herzstillstand und muss so lange warten." Ihm geht es nicht darum, einzelne Menschen an den Pranger zu stellen, betont er. "Aber die Art, wie unser Notruf organisiert ist, hat nicht richtig funktioniert", sagt Kuth.
Der Fall ließ ihn nicht mehr los, so dass er im Internet auf eigene Faust recherchierte und nach Rettungsdienst Höchstadt suchte. Zwei Nummern würden dabei aufgelistet: die vom Bayerischen Roten Kreuz in der St.-Georg-Straße, und die vom Fahrdienst des Arbeiter-Samariter-Bundes in der Großen Bauerngasse. "Bei der ersten Nummer landet man bei einem Faxgerät. Bei der zweiten Nummer hebt niemand ab, nicht mal ein Anrufbeantworter", sagt Kuth.
Reaktionen auf Facebook:
Aufruf Wir haben auf unserer Facebook-Seite "Fränkischer Tag Herzogenaurach/Höchstadt und Erlangen" unsere Leser dazu aufgerufen, uns von guten als auch weniger guten Erfahrungen mit der Integrierten Leitstelle (ILS) zu berichten. Hier sind zwei Reaktionen:
Stefan Stiegler: "Zum Beispiel dass nachts um 1.30 Uhr die Feuerwehrsirene in Heßdorf das ganze Dorf aufweckt. Grund: eine angefahrene Katze. Arme Katze, aber wohl kein Grund nachts die Sirene heulen zu lassen.
Christian Cl: "Ich habe einen Pkw-Brand in Dechsendorf an der Aral-Tankstelle gemeldet. Die ILS fragte, welche Straße und Hausnummer diese hat, letzteres wusste allerdings nicht einmal die Angestellte. Darauf die ILS: Sorry, dann wissen unsere Fahrzeuge nicht, wo sie hin müssen. Darauf ich: Es gibt nur eine Tankstelle in Dechsendorf. Darauf die ILS: Aber ohne Hausnummer kann ich das nicht ins System eingeben. Darauf ich: Dann orten Sie bitte mein Handy. Darauf schließlich die ILS: Sorry, aber das können wir leider noch nicht.
Ich habe dann bei der Feuerwehr in Erlangen direkt angerufen, die haben wenigstens einen Plan!!!