Wenn die Welt plötzlich Kopf steht
Autor: Johanna Blum
Höchstadt a. d. Aisch, Sonntag, 08. Sept. 2013
Demenz kann jeden treffen. Gerade Angehörige sind mit der Situation oft völlig überfordert. In einem solchen Fall gibt es ehrenamtliche Helfer, an die man sich wenden kann.
Die Menschen werden heute immer älter, manche bleiben geistig rüstig, aber einige gleiten mit zunehmendem Alter in ein Stadium des Vergessens ab. In der Fachsprache nennt man das Demenz. Dann ist plötzlich auch für die Angehörigen alles ganz anders.
Der ASB bietet kostenlose allgemeine Pflege- und Demenzberatung für pflegende Angehörige und Betroffene. Diese brauchen jedoch auch praktische Unterstützung, zum Beispiel durch ehrenamtliche Helfer. Der Verlust von geistigen Fähigkeiten des Demenzkranken, wie denken, erinnern, orientieren und Verknüpfungen im Alltag herstellen, ist schwierig und braucht Geduld - und die Hilfe von Fachkräften.
Vom 27. September bis 6. Dezember dieses Jahres, bietet der ASB einen Kurs an, aufgeteilt in zehn Einheiten, bei dem sich interessierte zukünftige Ehrenamtliche das Rüstzeug für die Betreuung demenzkranker Menschen holen können.
Im Gespräch erklärt Rosi Schmitt, Fachberaterin der ASB Fachstelle für pflegende Angehörige, wie das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich funktioniert und was es für Angehörige bedeutet. Dazu kamen auch Sabine Köhler-Huter, die selbst im Jahr 2008 am ersten angebotenen Kurs teilnahm, sowie Angelika Perle aus Mühlhausen, deren 87-jährige demente Mutter im BRK-Heim Etzelskirchen regelmäßig von einer ehrenamtlichen Betreuerin besucht wird.
Wer meldet sich eigentlich zu solchen Schulungen an?
Rosi Schmitt: Es sind meistens Menschen im Ruhestand, die aus den verschiedensten Berufen kommen, oder Hausfrauen, die Zeit haben, weil ihre Kinder aus dem Haus sind.
Was lernen die Teilnehmer des Lehrganges?
Sie bekommen das Basiswissen über Krankheitsbilder wie z.B. Demenz und Depression vermittelt, erfahren etwas über die Situation der pflegenden Angehörigen, lernen den Umgang mit den erkrankten Menschen sowie die Methoden der Betreuung und Beschäftigung und mehr. Haben sie diese Schulung abgeschlossen, bekommen sie ein Zertifikat.
Wie steht es mit der Bezahlung für solch eine ehrenamtliche Tätigkeit?
Hier greift der § 3 EStG: Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten - z.B. aus der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen sind bis zur Höhe von insgesamt 2400 Euro im Jahr steuerfrei. Bei Demenz gibt eine Betreuungspauschale von 100 oder 200 Euro, was also zehn oder 20 Stunden pro Monat für den Ehrenamtlichen bedeuten. Dieser erhält pro Stunde acht Euro, wovon zwei an den ASB gehen. Abgerechnet wird mit der Pflegekasse. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) prüft vorher eingehend den Zustand des Patienten.
Wie gehen betroffene Familien vor, um Hilfe für an Demenz erkrankte Angehörige zu bekommen?
Schmitt: Die Angehörigen kommen zu mir in die Beratung - wie Frau Perle - oder in eine unten angegebene Beratungsstelle und bitten um Unterstützung. Dann geht es den normalen Weg, wie Antrag auf Pflegestufe
Angelika Perle: Ich habe 2008 eine kleine Notiz über die Beratungsstelle hier in der Tageszeitung gelesen. Meine damals 82-jährige Mutter hatte sich irgendwie verändert. Ich hab sie nicht mehr verstanden und dachte zuerst sie wolle mich ärgern. Dann nahm ich an einem Kurs für Angehörige von Demenzkranken in Herzogenaurach teil und von da an habe ich meine Mutter mit ganz anderen Augen gesehen. Ich stehe seitdem immer noch in Kontakt mit Rosi Schmitt und nehme regelmäßig an den alle vier Wochen stattfindenden Treffs für Angehörige in Herzogenaurach teil. Dort merke ich, dass ich nicht alleine bin und bekomme Tipps, wie ich mit meiner Mutter umgehen soll. Außerdem kommt zwei Mal die Woche eine Ehrenamtliche ins Heim und das tut meiner Mutter sehr gut.
Müssen die Angehörigen etwas bezahlen?
Schmitt: Im ambulanten Bereich wird die Betreuung Demenzkranker über die Pflegekasse abgerechnet, im stationären müssen Angehörige wie Frau Perle selber zahlen.
Der nächste Kurs beginnt bald. Wie viele Teilnehmer können genommen werden?
Schmitt: Maximal werden 15 Interessenten in einem Kurs aufgenommen.
Haben Sie schon Rückmeldungen, wie sich die Ehrenamtlichen fühlen?
Schmitt: Das kann Ihnen Frau Köhler-Huter am besten selbst beantworten.
Sabine Köhler-Huter: Ich spüre große Befriedigung, wenn ich den Demenzkranken erreicht habe. In der Regel gibt man relativ wenig und bekommt viel zurück. Wenn man die Dankbarkeit - sowohl bei den Patienten als auch bei den Angehörigen - spürt, ist das ein tolles Gefühl. Oft sehe ich sofort, dass die Angehörigen völlig überfordert sind und sich nach einer Auszeit sehnen. Da helfen ihnen schon wenige Stunden in der Woche. Es ist ein gutes Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass der Erkrankte mit meiner Hilfe in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann, was zum Wohlbefinden der Demenzkranken gehört.
Schmitt: Zum Schluss möchte ich noch einen Tipp geben: Geistige und körperliche Betätigung sowie gesunde Ernährung können die Demenz zwar nicht verhindern, aber aufschieben. Auch die Wissenschaft ist noch nicht am Ende und man findet immer wieder neue Erkenntnisse in Sachen Demenz. Diese Krankheit hat hauptsächlich mit dem hohen Alter zu tun. Weitere Ursachen werden erforscht. Jeder von uns kann in eine solche Situation kommen. Meist reicht die Rente nicht mehr und plötzlich steht die Welt Kopf. Dann kommen wir zum Einsatz. Niemand sollte sich scheuen, unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen.