Druckartikel: Was Handwerker rund um Erlangen so alles mit ihrer Kundschaft erleben

Was Handwerker rund um Erlangen so alles mit ihrer Kundschaft erleben


Autor: Christian Bauriedel

, Freitag, 25. Januar 2019

Ein Fliesenleger bei Ingolstadt nimmt keine Aufträge mehr von Ingenieuren an. Wie sieht es mit Besserwisser-Kunden in der Ingenieursregion Erlangen aus?
Symbolbild: IG Bau


Die Badewanne sollte 200 Liter fassen. Nach dem Einbau hat der Auftraggeber nachgemessen: Weil lediglich 198 Liter rein passten, hat er die Badewanne wieder herausgerissen.

Solche und andere Erfahrungen haben einen Fliesenleger aus dem Raum Ingolstadt zu einer radikalen Entscheidung bewogen. Er will keine Aufträge mehr von Siemens- und Audi-Ingenieuren annehmen.

Die Besserwisserei, Nachmesserei und Reklamiererei gehe ihm auf den Keks. Da er mit akademischen Kunden, vor allem Ingenieuren von Großkonzernen, schlechte Erfahrungen gemacht habe, sei es ganz einfach: Fliesen will er für sie nicht mehr legen.

Das veröffentlichte er auf seiner Facebookseite. Zeitungen berichteten bundesweit. Es hagelte beides: Protestbekundungen, er diskriminiere pauschal eine ganze Berufsgruppe genauso wie Kommentare anderer, die gleiche Erfahrungen gemacht haben und den allwissenden Ingenieur selbst schon in voller Pracht erlebt haben.

Da Erlangen-Höchstadt dank der ansässigen Technologiekonzerne auch eine "Ingenieursregion" ist, hat der FT sich mal erkundigt. Wie sind die Erfahrungen bei den Handwerkern hier?

"Das war vielleicht früher so", sagt ein Maler aus dem Raum Höchstadt. Aber heute? Nein. Wenn man die Kunden vorher gut berate, gebe es keine Probleme.

"Ab und zu trifft das schon zu", hört man in einem Fliesenlegebetrieb im Aischgrund. Namentlich will man lieber nicht erwähnt werden. Wer will schon öffentlich über Kunden lästern? Ja, die Kundengattung des pedantischen Dipl-Ing. gebe es durchaus. "Sie sind es gewohnt auf den Millimeter genau zu arbeiten. Dann wird das auch von anderen Arbeiten erwartet." Doch beim Handwerk gebe es nun mal Toleranzen, die völlig normal sind und mit Pfusch absolut nichts zu tun haben.

Der Handwerker schiebt aber hinterher, dass es beileibe nicht mit allen Ingenieuren so sei. "Wir haben auch hier sehr gute Erfahrungen. Es gibt auch Kotzbrocken bei anderen Kundengruppen."

Eine Anekdote: Nach ausgeführtem Auftrag rührte sich die Frau, von Beruf Rechtsanwältin. "Hier sind Mängel, hier und hier." Die Dame zog vor Gericht. Es kam bis zum Ortstermin mit dem Richter. Der schaute einmal hin und erkannte: alles einwandfrei. Es handelte sich um Lappalien.

Die Optik unsichtbarer Teile

Ein Schreiner aus dem Landkreis kennt so etwas ebenfalls. "Normalerweise krabbelt keiner in ein Regal rein", sagt er. Aber er habe ab und an Kunden, die genau das tun. Ihm liege es aber fern, das ganze auf eine Berufsgruppe zu reduzieren. Heikle Kunden gebe es nicht nur unter Akademikern. Da gebe es Leute, die sich auf den Boden legen, um Kratzer im hintersten Eck eines Regales zu entdecken, an Teilen, die normalerweise gar nicht zu sehen sind. Andere legen sich unter Tischplatten und kritisieren, dass dort noch Bleistiftstriche sind. Einmal habe er einen Auftrag für einen Ingenieur eines hiesigen Weltkonzerns ausgeführt. Der Kunde weigerte sich dann, die Anfahrt zu bezahlen, die der Handwerker standardmäßig abrechne. Erst als der Schreiner fragte, ob er denn, wenn er für seinen Arbeitgeber nach Asien fliegen muss, auch selbst bezahlt, hatte der Kunde ein Einsehen.

Billigregal in Schreinerqualität

Es gebe auch jene, die im Katalog des Möbelhauses ein Regal in Buche für 90 Euro sehen und dann bei ihm anfragen, ob er ihm das gleiche in Ahorn schreinern könne - zum gleichen Preis. Aufträge, bei denen er merkt: Mit dem Kunden kommt er nicht zusammen, lehne er von vornherein ab.

Auch bei Unbelehrbaren, die etwas im Fernsehen sehen oder im Internet lesen und denken, man könne tatsächlich in einer Woche ein ganzes Haus renovieren. "Die bekommen Flöhe ins Ohr gesetzt." Doch in der Realität sei vieles nicht so einfach machbar - vor allem nicht für einen Handwerker, der ja dafür haften muss.

Einzelfälle? Bei der Kreishandwerkerschaft Erlangen kennt man die Story vom Ingolstadter Fliesenleger. "Die Geschichte ist bei uns auch aufgeschlagen", sagt Wolfgang Mevenkamp, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Und ja: "Das, was der Kollege schildert, gibt es auch hier." Fast jeder Handwerker habe schon solche Erfahrungen gemacht. Aber Mevenkamp betont: "Man kann nicht alle über einen Kamm scheren." Erbsenzähler gebe es nicht nur unter Ingenieuren. Doch eine gewisse Häufung schwieriger Kundschaft sei unter Akademikern zu attestieren. Als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft und der mittelfränkischen Fliesenlegerinnung bekomme er dementsprechendes Feedback von den Handwerkern.

Er selbst sei Jurist. Aha! Also auch einer dieses Klientels? Mevenkamp lacht. Nein, nein. Er wisse, dass auch Juristen ein gewisses Klischee anhaftet. "Aber ich würde mir nie anmaßen, die Kompetenz eines Fliesenlegermeisters zu haben."

Appell an die Kundschaft

Der Schreiner aus dem Landkreis findet es gut, dass der Kollege in Ingolstadt sich getraut hat, das einmal anzusprechen. "Dass Handwerker individuelle Produkte anfertigen, die nicht hinten aus der Industriemaschine herausfallen mit einer Toleranz von zwei Hundersteln."

Er wirbt für ein versöhnliches Miteinander. Der Handwerker brauche den Kunden und andersherum. "Handwerker sind keine niedrigere Klasse, weil sie vielleicht eine niedrigere Ausbildung haben."

Toleranz ist eben nicht nur ein Begriff für die Abweichung beim Fugenmaß, sondern auch ein gesellschaftlicher Wert.