Druckartikel: Viele Eltern kämpften für Hezogenauracher Schwestern

Viele Eltern kämpften für Hezogenauracher Schwestern


Autor: Manfred Welker

Herzogenaurach, Dienstag, 16. August 2016

Die Nazis wollten die klösterlichen Lehrkräfte loswerden. In Herzogenaurach formierte sich Widerstand gegen die Ablösung der Maria-Ward-Schwestern.
Mädchenschulhaus Herzogenaurach Repros: Manfred Welker


Vor 80 Jahren in der NS-Zeit hatten sich in der Region viele Eltern gegen die Ablösung der klösterlichen Lehrkräfte in den Schulen ausgesprochen. In Herzogenaurach sammelten Frauen Unterschriften für den Verbleib der Maria-Ward-Schwestern im Schuldienst der katholischen Mädchenschule.

Wie in vielen staatlichen Mädchenschulen war auch in Herzogenaurach der Unterricht an der Mädchenschule am Kirchenplatz in der Hand von Ordensschwestern. Am 4. Oktober 1918 waren Maria-Ward-Schwestern aus Bamberg nach Herzogenaurach entsendet worden. Oberin M. Agathe Vogel, die Schwestern M. Gabriela Schmitt, M. Benedikta Schöber, M. Berchmana Hagen, Schwester Coletta Horcher und eine Kandidatin wohnten zunächst im Mädchenschulhaus.


Provisorische Unterkunft

Dort wurde auch in einem Raum am 15. August 1929 der Kindergarten durch M. Christine Pfla um gegründet. Erst am 12.
Dezember 1930 konnte die sogenannte Kurr-Villa in der Flughafenstraße 12 von M. Agathe Vogel zum Preis von 35 000 Mark erworben werden.

Staatsrat Ernst Boepple, der seit dem Tod Hans Schemms das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultur leitete, gab am 22. Mai 1936 auf einer Tagung des NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) bekannt, dass die Entlassung der Klosterschwestern bevorstehe. Die bayerischen Bischöfe reagierten mit einem Hirtenbrief, dessen Verlesung für den 21. Juni 1936 geplant war.

In Herzogenaurach führte Pfarrer Franz Rathgeber Artikel 24, Absatz 2 des bayerischen Schulbedarfsgesetzes vom 14. August 1919 an, wonach "geistlichen Gesellschaften oder religiösen Vereinen, denen beim Inkrafttreten des Gesetzes der Volksschulunterricht übertragen war, die Genehmigung nur entzogen werden kann, wenn dies von der Mehrheit der beteiligten Eltern oder deren Stellvertreter beantragt wird". Die Eltern sollten also entscheiden, wer ihre Kinder unterrichten sollte.


Hilfe vom Frauenbund

Rathgeber gelang es, 30 katholische Frauen zu mobilisieren - zum größten Teil aus dem Frauenbund - und führte mit ihrer Hilfe eine Befragung der Elternschaft durch. Stattfinden sollte diese Aktion bereits eine Woche vor der Verlesung des Hirtenworts. "Die Aktion nahm einen sehr befriedigenden Verlauf, jedoch wurde sie im Hause Kurr von dem Frl. Agnes Kaiser telefonisch an den Bürgermeister verraten", notierte Rathgeber in der Pfarrchronik.

Zwei der Unterschriftensammlerinnen, Ursula Sieber und Anna Glaß, wurden Am Hallertürlein von der Polizei abgefangen. Die Polizisten verboten ihnen die Unterschriftensammlung und beschlagnahmten die Listen. Eine Auswertung von Rathgeber ergab aber, dass sich von den über 80 Prozent befragten Eltern 99 Prozent für das weitere Wirken der Maria-Ward-Schwestern an der Mädchenschule ausgesprochen hatten.


Kraft aus dem Gebet schöpfen

Rathgeber animierte mit einem Plakat an den Kirchentüren die Erziehungsberechtigten zum Gebet für die Lehrkräfte. Die gesamte Kirchenverwaltung begab sich am 15. Juli 1936 zum Bezirksamtsvorstand, damals Oberamtmann Georg Schneider, und legte ihm die einmütige Haltung der katholischen Eltern vor. Aber es half alles nichts.

Am 14. Oktober 1936 konnte der Tageszeitung entnommen werden, dass die Bestimmung im Artikel 24 des Schulbedarfsgesetzes gestrichen worden sei und ab 1. Januar 1937 der Abbau der klösterlichen Lehrkräfte durchgeführt werde. Erst am 24. Februar 1937 erhielten die klösterlichen Lehrkräfte die Mitteilung, dass sie zum 1. April entlassen seien.

Zwei der Schwestern konnten als Pfarrschwestern beschäftigt werden, eine weitere übernahm ab September den Organistendienst. Eine der Maria-Ward-Schwestern war Mater Rosalie Göller, geboren am 26. Juni 1897 in Unterstürmig, die am 26. April 1933 als Lehrerin an die hiesige katholische Mädchenschule gekommen war. Nach der Entlassung aus dem Schuldienst 1937 wirkte sie achteinhalb Jahre als Pfarrschwester und Mesnerin an der Stadtpfarrkirche.


Wieder im Dienst

Gleich bei Schulbeginn an den Volksschulen in Herzogenaurach, am 1. Oktober 1945, wurde sie wieder im Schuldienst eingesetzt. Da sie nicht in die Machenschaften des Dritten Reiches verstrickt war, wurde Mater Rosalie zur Leiterin der gesamten Schule für Knaben und Mädchen bestimmt, so dass ihr der Aufbau des Schulwesens in Herzogenaurach unter diesen schwierigen Nachkriegsbedingungen oblag.

Insgesamt wirkten fünf Maria-Ward-Schwestern an den Schulen. Die Herzogenauracher Oberin M. Immaculata Hofmann vermerkte in ihrem Halbjahresbericht für die zweite Jahreshälfte 1945: "Eltern u. Kinder sind hocherfreut über die Rückkehr der Schwestern zur Schultätigkeit."

1947 wurde Mater Rosalie der Titel Rektorin verliehen. Damit war sie seinerzeit die erste und einzige Rektorin im Regierungsbezirk Oberfranken. Die Stadt Herzogenaurach würdigte die Verdienste der Schwester am 28. Januar 1971 mit der Ehrenbürgerwürde.

Mater Rosalie Göller verstarb am Pfingstmontag, 31. Mai 1971.