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Verein für barrierefreies Höchstadt löst sich auf


Autor: Sebastian Martin

Höchstadt a. d. Aisch, Mittwoch, 16. Januar 2013

"Die Steilen Stufen", so hieß der Verein, der lange für ein barrierefreies Höchstadt gekämpft hat. Jetzt hat er sich aufgelöst. Was davon übrig bleibt.
Ein letztes Bild der "Steilen Stufen"-Mitglieder mit Bürgermeister Gerald Brehm (Dritter von links) und den Weggefährten um Vereinsinitiator Manfred Müller (Vierter von links) und Sprecher Anton Spanner (Zweiter von rechts) sowie den Spendenempfängern. Foto: S.Martin


Wenn sich ein Verein auflöst, was bleibt dann? Drei Überweisungsträger und die Unterschrift vom ehemaligen Vorstand Anton Spanner. Das war es dann. Endgültig. Eigentlich ist der Höchstadter Verein für Gehbehinderte schon seit 1987 nicht mehr aktiv. Doch offiziell aufgelöst hatte sich der Verein nie - bis zu diesem Jahr. Nun haben sich die Mitglieder entschlossen, Schluss zu machen. Die Spendengelder in der Kasse - 1800 Euro insgesamt - sollen also einem geeigneten Zweck zugeführt werden.

Anton Spanner, der durch eine Kinderlähmung gehbehindert ist, hat die ehemaligen Mitglieder noch einmal eingeladen zu einer kleinen Runde. Noch einmal Pressearbeit, noch einmal Bürgermeister Gerald Brehm einladen, noch einmal auf den Verein "Die Steilen Stufen" aufmerksam machen, der seit seiner Gründung 1977 für ein barrierefreies Höchstadt gekämpft hat.

"Es gelang uns, einiges zu verbessern", sagt Anton Spanner in seiner letzten Ansprache als Sprecher des Vereins. Er redet von Absenkungen an Gehsteigen, dem Einbau von Tiefbordsteinen oder Rampenzufahrten an öffentlichen Gebäuden in Höchstadt. Jahrelang haben sich die Mitglieder dafür eingesetzt.

Manfred Müller kann davon auch schwärmen - oder auch klagen. Ein "Glanzstück", das Müller gerne nennen will, als Beispiel, was der Verein in seiner besten Zeit erreicht hat, ist der breite Gehweg an der St.-Anna-Kapelle neben dem Höchstadter Krankenhaus. Das ist Müllers persönliche Erfolgsbilanz. Er, der in den 70er Jahren den Verein "Die Steilen Stufen" initiiert hatte, blickt gerne auf solche Momente zurück. Müller, der beim Gesundheitsamt als Behindertenberater gearbeitet und sich immer für die Belange von behinderten Menschen eingesetzt hat. Der die Meinung vertritt: "Einer muss sagen: Das ist nicht in Ordnung." Einer, der immer auf die Wichtigkeit einer barrierefreien Stadt hingewiesen hat. Der jetzt aber auch sagt: "Die Sache ist wichtig, nicht meine Person." Genau das sagt auch Anton Spanner. Doch Manfred Müller hat auch gelernt, dass es nicht geht ohne andere Menschen, dass man nichts erreichen kann allein. Deshalb hatte er die Idee zu dem Verein.

Müller sitzt jetzt neben Anton Spanner und lauscht dessen letzte Rede. Auf dem Tisch vor Spanner liegen die drei Überweisungsträger. Im Feld "Betrag" stehen jeweils 600 Euro. Spanner übergibt die Spenden im Namen des Vereins. An Rosi Schmitt vom Verein Lebensfreude ERHalten, an Hans Joachim Laugwitz vom Höchstadter Hospizverein und an Irmgard Spindler von der Caritas-Tagesstätte für Demenzkranke. Sie alle sitzen am Tisch. Spanner blickt zurück: "Trotz schwindender Mitglieder durch fortschreitender Behinderung und auch durch Tod konnten wir bis 1987 aktiv bleiben."

1987 war tatsächlich so etwas wie das entscheidende Jahr. Der Verein wollte eine Behindertensportgruppe gründen. "Unser großer Traum", sagt Spanner. Spendengelder von Höchstadter Geschäftsleuten und der Stadtverwaltung waren da. Sogar ein Schwimmkurs sollte angeboten werden. Doch letztlich fanden die zwölf Mitglieder des Vereins keine weiteren Interessenten. "Jetzt müssen wir alles beenden und wollen mit dem gespendeten Geld der Höchstadter Bürger, Einrichtungen in Höchstadt, die behinderten und älteren Menschen helfen, unterstützen."

So klingen die letzten Worte also. "Viele müssen noch lernen, selbstbewusst zu werden", sagt Manfred Müller, der von 2004 bis 2009 Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Landkreis war. Behinderte sind seiner Ansicht nach oft noch zu brav. Das kann Anton Spanner bestätigen, er sagt: "Früher habe ich das alles oft überspielt", seine Behinderung meint er. Die Tatsache, dass er eigentlich in manchen Fällen Hilfe benötigt oder gerne mal gesagt hätte: Da muss eine andere Lösung her. Der Bordstein ist zu hoch, die Tür zu schmal. Anton Spanner, der auf dem Bauamt der Stadt Höchstadt gearbeitet hat, hat sich irgendwann doch getraut. Er hat gesagt: Ich will, dass ihr euch Gedanken macht. Darüber, ob ein Randstein nicht doch zu hoch ist, ob ein WC behindertengerecht ist oder nicht.

"Die Stadtverwaltung schaut jetzt drauf", sagt Manfred Müller. Doch sei noch mehr zu tun. "Leider hat es bei vielen nicht klick gemacht". Immer noch werde mit öffentlichen Geldern vieles unbedacht umgesetzt. Drum: "Einer muss sagen: Das ist nicht in Ordnung." Wer das zukünftig übernimmt, bleibt abzuwarten. Anton Spanner hofft jedenfalls, dass es junge Menschen gibt, die sich engagieren. Er und seine Frau Christa haben es auch getan. Nur, mit dem Alter wird es nicht leichter. Anton Spanner ist jetzt 65. Seine Behinderung wird nicht besser. Jetzt müssen andere dafür kämpfen und sagen: Da ist was nicht in Ordnung.

Am Ende seiner Rede sagt Spanner: "Wir hoffen, dass die genannten Einrichtungen weiterhin behinderten Menschen helfen können." Was bleibt? "Die Steilen Stufen" als Vorbild - ganz bestimmt.