Und plötzlich klopfen 100 Menschen in Hemhofen an
Autor: Pauline Lindner
Hemhofen, Freitag, 10. Juli 2015
Ganz kurzfristig müssen sich die Hemhofner darauf einstellen, dass in der ehemaligen TSV-Tennishalle eine Erstaufnahme- einrichtung entsteht. Landrat und Bürgermeister informierten über die Pläne.
Massiver Kritik musste sich Bürgermeister Ludwig Nagel (CSU) in der Informationsveranstaltung zur Erstaufnahmeeinrichtung für 100 Asylsuchende in Hemhofen stellen. Proppenvoll war der Saal des TSV-Heims mit Menschen, die sich engagieren wollen für die Asylanten, die ab 20. Juli in Hemhofen vorübergehend leben werden. Gekommen waren Menschen, die wissen wollten, wie die Erstaufnahmeeinrichtung organisiert sein wird, und Menschen, die sich vom Tempo der Entscheidungsfindung übergangen fühlten.
Anfang dieses Jahres erwarb die Kommune vom TSV Hemhofen das Erbbaurecht für die Tennishalle und das Nebengebäude.Das geschah auch, um der Verpflichtung nachzukommen, Räumlichkeiten für Asylanten bereitzustellen. Da Umbauten notwendig waren, wurde damals die Halle zurückgestellt. Die Wohnung und das ehemalige Restaurant richtete die Gemeinde gleichwohl her. Inzwischen ist es von rund 20 Asylsuchenden bewohnt.
Vor rund zwei Wochen fragte Abteilungleiterin Anne-Marie Müller an, ob die Halle noch leerstünde. "Dann kam am Donnerstag um 21 Uhr die E-Mail", berichtete Nagel weiter. "Und am Freitag haben sich die Ereignisse überschlagen."
Das Landratsamt hatte die Aufgabe, binnen einer Woche ein Erstaufnahmelager für 100 Personen zur Entlastung von Zirndorf zu schaffen. Um 14.30 Uhr war die Besichtigung der Fachleute vereinbart. Nagel versuchte, möglichst viele Ratsmitglieder dabeizuhaben. Neun konnten kommen. "Wir haben keinen förmlichen Beschluss", erklärte er der Versammlung. "Aber alle Anwesenden zeigten große Solidarität."
Landrat Alexander Tritthart (CSU) wurde auch erst am Donnerstag vor einer Woche informiert. Wie ihm der Regierungspräsident telefonisch mitteilte, war zu diesem Zeitpunkt Zirndorf mit 3600 Personen "absolut überfüllt". Mit einer Woche Vorlauf musste das Landratsamt die Menschen unterbringen. "Wenn wir das nicht schaffen, werden dann 100 Personen in Bussen vor dem Landratsamt stehen", beschrieb es Tritthart.
Am Freitag musste noch alles "losgetreten werden": Der ASB, die Sicherheitsfirma, ein Kühlaggregat, denn in der Halle wird es kontruktionsbedingt sehr heiß. Dank der Überbrückung in der Baiersdorfer Schulturnhalle gelang die Unterbringung. "Hemhofen ist eine Notunterkunft, in der die Menschen gut zwei Wochen bleiben, ehe sie dezentral untergebracht werden", erläuterte Tritthart weiter.
Der Kreis hat keine räumliche Alternative. "Ich denke, wir werden in einem halben Jahr noch von ganz anderen Zahlen reden, aber wir können nicht jeden Bürger fragen, ob in seiner Gemeinde eine solche Einrichtung eingerichtet wird", wies Tritthart den Vorwurf fehlender Bürgerbeteiligung zurück.
"Wir wollen Gerüchte und Ängste entkraften", sprach Nagel den eigentlichen Zweck der Versammlung an. Mutmaßungen von Stammtischen nannte es Jürgen Schmeißer, der Leiter der PI Höchstadt. "Wir haben diese Vorbehalte nicht", betonte er.
Frank Neumann vom Gesundheitsamt wies darauf hin, dass keine besondere Infektionsgefahr vom Erstaufnahmelager ausgehe. Neben der Erstuntersuchung wird für die Asylsuchenden in Hemhofen eine ärztliche Sprechstunde eingerichtet.
Anwohner beklagten sich über Ruhestörungen durch die 20 Asylanten. Hier wollen die Gemeinde und Helferkreis einwirken, dass in Deutschland übliche Ruhezeiten eingehalten werden. Alois Meisner ist sich durch die Kontakte des Helferkreises sicher, dass die Asylanten nicht unangenehm auffallen möchten. "Sie sind bedacht auf ihr Bild in der Öffentlichkeit."
Auf irritierte Blicke stieß Benjamin Fricke, Einsatzleiter des Sicherheitsdienstes, als er erklärte, dass seine Firma hauptsächlich die Asylanten vor Belästigungen schütze; vor Personen, die ungebeten fotografieren. "Wir tragen bei, dass das bisschen Intimsphäre gewahrt werden kann", sagte er und schildert, wie vor einer anderen Einrichtung Leute Popcorn kauend auf Stühlen gesessen wären und gegafft hätten.
Die frühere Gemeinderätin Evelyn Zangl befürchtet eine starke Veränderung der sozialen Struktur des Dorfs. "Das Auffanglager wird auf lange Sicht unser gesellschaftliches Netz sehr prägen."
Das dürfte zutreffen, denn einige kündigten gesellige Einladungen für die Asylanten an, andere dagegen machten sich Sorgen, ob der Sportplatz zum Picknickplatz verkomme.
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